Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769.

Bild:
<< vorherige Seite
Drittes Wäldchen.

Hat Hr. Klotz für Schulen geschrieben: so
finde ich sein Buch weder zu einem bildenden Buche
in die Hand der Jugend, noch in die Hand der
Lehrer würdig. Für jene ein Ruinenhaufen von
alten Schlössern, in dem sie wahrhaftig nicht wer-
den umher klettern wollen: für diese ein Mengsel
von unbestimmten, zusammengerafften Materien,
wo eben das fehlt, was sie zu Bildung der Ju-
gend deutlich, ausführlich, gründlich, bestimmt
suchten.

Hat Hr. Kl. zu Lipperts Dactyliothek geschrie-
ben: schlecht! Die schönsten und einzigen Anmer-
kungen sind aus Lipperts Commentar: und welcher
Liebhaber, welche Schule diesen hat, wirft jenen weg.

Hat ers für Liebhaber, für Exoterische Leser ge-
schrieben, wie etwa ein Algarotti, ein Fontenelle;
-- ich habe Proben seines schönen Styls, seiner
Ordnung, seines guten Tons gegeben.

Soll es endlich für Gelehrte, für Küstler seyn --

Und da kommen mir eben Lessings antiquarische
Briefe, die ich gern eher gehabt hätte! Welch ein
hinreissender Strom! welche Belesenheit! welche
Känntniß des Alterthums! welcher Scharfsinn! --
Schade, daß Ein Lessing seine Zeit verschwenden
muß, um einem Klotz das zu sagen, was ihm jetzt
mehrere von Gesicht ansehen werden.

Jn meinen Wäldern wird bisher wohl nie-
mand eine Spur von Verabredung und Einstim-
mung haben erträumen wollen, und daher so ent-

fernt
Drittes Waͤldchen.

Hat Hr. Klotz fuͤr Schulen geſchrieben: ſo
finde ich ſein Buch weder zu einem bildenden Buche
in die Hand der Jugend, noch in die Hand der
Lehrer wuͤrdig. Fuͤr jene ein Ruinenhaufen von
alten Schloͤſſern, in dem ſie wahrhaftig nicht wer-
den umher klettern wollen: fuͤr dieſe ein Mengſel
von unbeſtimmten, zuſammengerafften Materien,
wo eben das fehlt, was ſie zu Bildung der Ju-
gend deutlich, ausfuͤhrlich, gruͤndlich, beſtimmt
ſuchten.

Hat Hr. Kl. zu Lipperts Dactyliothek geſchrie-
ben: ſchlecht! Die ſchoͤnſten und einzigen Anmer-
kungen ſind aus Lipperts Commentar: und welcher
Liebhaber, welche Schule dieſen hat, wirft jenen weg.

Hat ers fuͤr Liebhaber, fuͤr Exoteriſche Leſer ge-
ſchrieben, wie etwa ein Algarotti, ein Fontenelle;
— ich habe Proben ſeines ſchoͤnen Styls, ſeiner
Ordnung, ſeines guten Tons gegeben.

Soll es endlich fuͤr Gelehrte, fuͤr Kuͤſtler ſeyn —

Und da kommen mir eben Leſſings antiquariſche
Briefe, die ich gern eher gehabt haͤtte! Welch ein
hinreiſſender Strom! welche Beleſenheit! welche
Kaͤnntniß des Alterthums! welcher Scharfſinn! —
Schade, daß Ein Leſſing ſeine Zeit verſchwenden
muß, um einem Klotz das zu ſagen, was ihm jetzt
mehrere von Geſicht anſehen werden.

Jn meinen Waͤldern wird bisher wohl nie-
mand eine Spur von Verabredung und Einſtim-
mung haben ertraͤumen wollen, und daher ſo ent-

fernt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0189" n="183"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Drittes Wa&#x0364;ldchen.</hi> </fw><lb/>
        <p>Hat Hr. Klotz fu&#x0364;r Schulen ge&#x017F;chrieben: &#x017F;o<lb/>
finde ich &#x017F;ein Buch weder zu einem bildenden Buche<lb/>
in die Hand der Jugend, noch in die Hand der<lb/>
Lehrer wu&#x0364;rdig. Fu&#x0364;r jene ein Ruinenhaufen von<lb/>
alten Schlo&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern, in dem &#x017F;ie wahrhaftig nicht wer-<lb/>
den umher klettern wollen: fu&#x0364;r die&#x017F;e ein Meng&#x017F;el<lb/>
von unbe&#x017F;timmten, zu&#x017F;ammengerafften Materien,<lb/>
wo eben das fehlt, was &#x017F;ie zu Bildung der Ju-<lb/>
gend <hi rendition="#fr">deutlich, ausfu&#x0364;hrlich, gru&#x0364;ndlich, be&#x017F;timmt</hi><lb/>
&#x017F;uchten.</p><lb/>
        <p>Hat Hr. Kl. zu Lipperts Dactyliothek ge&#x017F;chrie-<lb/>
ben: &#x017F;chlecht! Die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten und einzigen Anmer-<lb/>
kungen &#x017F;ind aus Lipperts Commentar: und welcher<lb/>
Liebhaber, welche Schule die&#x017F;en hat, wirft jenen weg.</p><lb/>
        <p>Hat ers fu&#x0364;r Liebhaber, fu&#x0364;r Exoteri&#x017F;che Le&#x017F;er ge-<lb/>
&#x017F;chrieben, wie etwa ein Algarotti, ein Fontenelle;<lb/>
&#x2014; ich habe Proben &#x017F;eines &#x017F;cho&#x0364;nen Styls, &#x017F;einer<lb/>
Ordnung, &#x017F;eines guten Tons gegeben.</p><lb/>
        <p>Soll es endlich fu&#x0364;r Gelehrte, fu&#x0364;r Ku&#x0364;&#x017F;tler &#x017F;eyn &#x2014;</p><lb/>
        <p>Und da kommen mir eben Le&#x017F;&#x017F;ings antiquari&#x017F;che<lb/>
Briefe, die ich gern eher gehabt ha&#x0364;tte! Welch ein<lb/>
hinrei&#x017F;&#x017F;ender Strom! welche Bele&#x017F;enheit! welche<lb/>
Ka&#x0364;nntniß des Alterthums! welcher Scharf&#x017F;inn! &#x2014;<lb/>
Schade, daß Ein Le&#x017F;&#x017F;ing &#x017F;eine Zeit ver&#x017F;chwenden<lb/>
muß, um einem Klotz das zu &#x017F;agen, was ihm jetzt<lb/>
mehrere von Ge&#x017F;icht an&#x017F;ehen werden.</p><lb/>
        <p>Jn meinen Wa&#x0364;ldern wird bisher wohl nie-<lb/>
mand eine Spur von Verabredung und Ein&#x017F;tim-<lb/>
mung haben ertra&#x0364;umen wollen, und daher &#x017F;o ent-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">fernt</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[183/0189] Drittes Waͤldchen. Hat Hr. Klotz fuͤr Schulen geſchrieben: ſo finde ich ſein Buch weder zu einem bildenden Buche in die Hand der Jugend, noch in die Hand der Lehrer wuͤrdig. Fuͤr jene ein Ruinenhaufen von alten Schloͤſſern, in dem ſie wahrhaftig nicht wer- den umher klettern wollen: fuͤr dieſe ein Mengſel von unbeſtimmten, zuſammengerafften Materien, wo eben das fehlt, was ſie zu Bildung der Ju- gend deutlich, ausfuͤhrlich, gruͤndlich, beſtimmt ſuchten. Hat Hr. Kl. zu Lipperts Dactyliothek geſchrie- ben: ſchlecht! Die ſchoͤnſten und einzigen Anmer- kungen ſind aus Lipperts Commentar: und welcher Liebhaber, welche Schule dieſen hat, wirft jenen weg. Hat ers fuͤr Liebhaber, fuͤr Exoteriſche Leſer ge- ſchrieben, wie etwa ein Algarotti, ein Fontenelle; — ich habe Proben ſeines ſchoͤnen Styls, ſeiner Ordnung, ſeines guten Tons gegeben. Soll es endlich fuͤr Gelehrte, fuͤr Kuͤſtler ſeyn — Und da kommen mir eben Leſſings antiquariſche Briefe, die ich gern eher gehabt haͤtte! Welch ein hinreiſſender Strom! welche Beleſenheit! welche Kaͤnntniß des Alterthums! welcher Scharfſinn! — Schade, daß Ein Leſſing ſeine Zeit verſchwenden muß, um einem Klotz das zu ſagen, was ihm jetzt mehrere von Geſicht anſehen werden. Jn meinen Waͤldern wird bisher wohl nie- mand eine Spur von Verabredung und Einſtim- mung haben ertraͤumen wollen, und daher ſo ent- fernt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769/189
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769/189>, abgerufen am 04.12.2024.