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Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769.

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Drittes Wäldchen.
chen wieder aufleben -- unpartheiische Nachwelt,
die entfernt von unserm Familienton und süßen Zeit-
geschmack unsre viros suavissimos wägen wird --
oder du unser deutsches Publikum, das von jeher ent-
mannete Weichlichkeit, und verwelkte Rosen verachtet
hat, dessen Gesinnung immer ernste Vernunft,
Kraft, und das Nahrhafte des Geschmacks gewe-
sen, wirst du dich mit einem schönen Blumenge-
spinste, das man wie jenen alles übertreffenden b)
Tryphonischen Schleier, dir überwirst, dich immer
täuschen lassen? -- Jch schreibe für Deutschland,
und ich weiß, die stillen Kenner (und sie sind das
wahre Deutsche Publikum) auf meiner Seite: der
große helle Haufe lobt und wird gelobt, allein --
-- the charms wound up!

Warum aber so lange bei dem Gerüste eines
Buchs? Denkart eines Schriftstellers, Denkart,
die sich in allen Schriften desselben äussert, Denk-
art, die sich, wie eine Lustseuche des guten Ge-
schmacks, so gern weiter ausbreitet, ist mehr als
Gerüst. Und wenn es auch nur dies wäre: ins
Gebäude selbst wage ich mich kaum; es drohet über
mich einzustürzen. Jch fürchte: ich fürchte die

un-
b) Die Allegorie der Griechen und Römer (das muß
ich doch sagen, Hr. Klotz mags wollen, oder nicht,
daß diese Stelle vortrefflich ist!) ist wie der leichte
Schleier des Tryphon. s. Klotz. Bibl. S. 64.
B 4

Drittes Waͤldchen.
chen wieder aufleben — unpartheiiſche Nachwelt,
die entfernt von unſerm Familienton und ſuͤßen Zeit-
geſchmack unſre viros ſuaviſſimos waͤgen wird —
oder du unſer deutſches Publikum, das von jeher ent-
mannete Weichlichkeit, und verwelkte Roſen verachtet
hat, deſſen Geſinnung immer ernſte Vernunft,
Kraft, und das Nahrhafte des Geſchmacks gewe-
ſen, wirſt du dich mit einem ſchoͤnen Blumenge-
ſpinſte, das man wie jenen alles uͤbertreffenden b)
Tryphoniſchen Schleier, dir uͤberwirſt, dich immer
taͤuſchen laſſen? — Jch ſchreibe fuͤr Deutſchland,
und ich weiß, die ſtillen Kenner (und ſie ſind das
wahre Deutſche Publikum) auf meiner Seite: der
große helle Haufe lobt und wird gelobt, allein —
the charms wound up!

Warum aber ſo lange bei dem Geruͤſte eines
Buchs? Denkart eines Schriftſtellers, Denkart,
die ſich in allen Schriften deſſelben aͤuſſert, Denk-
art, die ſich, wie eine Luſtſeuche des guten Ge-
ſchmacks, ſo gern weiter ausbreitet, iſt mehr als
Geruͤſt. Und wenn es auch nur dies waͤre: ins
Gebaͤude ſelbſt wage ich mich kaum; es drohet uͤber
mich einzuſtuͤrzen. Jch fuͤrchte: ich fuͤrchte die

un-
b) Die Allegorie der Griechen und Roͤmer (das muß
ich doch ſagen, Hr. Klotz mags wollen, oder nicht,
daß dieſe Stelle vortrefflich iſt!) iſt wie der leichte
Schleier des Tryphon. ſ. Klotz. Bibl. S. 64.
B 4
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[23/0029] Drittes Waͤldchen. chen wieder aufleben — unpartheiiſche Nachwelt, die entfernt von unſerm Familienton und ſuͤßen Zeit- geſchmack unſre viros ſuaviſſimos waͤgen wird — oder du unſer deutſches Publikum, das von jeher ent- mannete Weichlichkeit, und verwelkte Roſen verachtet hat, deſſen Geſinnung immer ernſte Vernunft, Kraft, und das Nahrhafte des Geſchmacks gewe- ſen, wirſt du dich mit einem ſchoͤnen Blumenge- ſpinſte, das man wie jenen alles uͤbertreffenden b) Tryphoniſchen Schleier, dir uͤberwirſt, dich immer taͤuſchen laſſen? — Jch ſchreibe fuͤr Deutſchland, und ich weiß, die ſtillen Kenner (und ſie ſind das wahre Deutſche Publikum) auf meiner Seite: der große helle Haufe lobt und wird gelobt, allein — — the charms wound up! Warum aber ſo lange bei dem Geruͤſte eines Buchs? Denkart eines Schriftſtellers, Denkart, die ſich in allen Schriften deſſelben aͤuſſert, Denk- art, die ſich, wie eine Luſtſeuche des guten Ge- ſchmacks, ſo gern weiter ausbreitet, iſt mehr als Geruͤſt. Und wenn es auch nur dies waͤre: ins Gebaͤude ſelbſt wage ich mich kaum; es drohet uͤber mich einzuſtuͤrzen. Jch fuͤrchte: ich fuͤrchte die un- b) Die Allegorie der Griechen und Roͤmer (das muß ich doch ſagen, Hr. Klotz mags wollen, oder nicht, daß dieſe Stelle vortrefflich iſt!) iſt wie der leichte Schleier des Tryphon. ſ. Klotz. Bibl. S. 64. B 4

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769/29>, abgerufen am 21.11.2024.