Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769.Kritische Wälder. über ein Kunstbild freuen können; daß es endlichauch Leute gebe, die vorzüglich auf das Schöne, ihr Auge richten, und weder von Gelehrsamkeit noch dem Kunstmäßigen Hauptwerk machen. Wir wollen jene Münzgelehrten: die mittlern Kunstken- ner: die letzten Liebhaber nennen; sie sind alle drei unterschieden, ihre Unterschiede aber fließen, so wie die Farben eines Regenbogens, oder eines spielen- den Seidengewandes, in einander. Der Künstler kann mehr oder weniger Liebhaber, der Gelehrte mehr oder weniger Kunstkenner, der Liebhaber mehr oder minder Gelehrter seyn. Nichts schadet dem andern: eins muß dem andern aufhelfen: und der wahre Philosoph der Numismatik ist alles Drei. Niemand also zum Nachtheile, wenn er seine Mün- zenwissenschaft auf Chronologie, auf Geschichte, auf Genealogie, auf Alterthümer gewandr: hätte er dem Publikum auch nichts als solche wissenschaft- liche Untersuchungen geliefert, und den Geschmack an Münzen für sich behalten -- unbeschadet! Köhlers historische Münzbelustigungen mögen nichts als historische, Belustigungen, Gatterers Theorie der Medaillen nichts als Theorie der Me- daillen; Vaillants Münzenreihen der Könige, Städte und Colonien nichts als Numismatische Geschichte seyn: das Schöne, das überdem gesehen, und gefühlt werden kann, finde jedes Auge, jede Seele von selbst; wenn ihm nur das Bild des Schö-
Kritiſche Waͤlder. uͤber ein Kunſtbild freuen koͤnnen; daß es endlichauch Leute gebe, die vorzuͤglich auf das Schoͤne, ihr Auge richten, und weder von Gelehrſamkeit noch dem Kunſtmaͤßigen Hauptwerk machen. Wir wollen jene Muͤnzgelehrten: die mittlern Kunſtken- ner: die letzten Liebhaber nennen; ſie ſind alle drei unterſchieden, ihre Unterſchiede aber fließen, ſo wie die Farben eines Regenbogens, oder eines ſpielen- den Seidengewandes, in einander. Der Kuͤnſtler kann mehr oder weniger Liebhaber, der Gelehrte mehr oder weniger Kunſtkenner, der Liebhaber mehr oder minder Gelehrter ſeyn. Nichts ſchadet dem andern: eins muß dem andern aufhelfen: und der wahre Philoſoph der Numismatik iſt alles Drei. Niemand alſo zum Nachtheile, wenn er ſeine Muͤn- zenwiſſenſchaft auf Chronologie, auf Geſchichte, auf Genealogie, auf Alterthuͤmer gewandr: haͤtte er dem Publikum auch nichts als ſolche wiſſenſchaft- liche Unterſuchungen geliefert, und den Geſchmack an Muͤnzen fuͤr ſich behalten — unbeſchadet! Koͤhlers hiſtoriſche Muͤnzbeluſtigungen moͤgen nichts als hiſtoriſche, Beluſtigungen, Gatterers Theorie der Medaillen nichts als Theorie der Me- daillen; Vaillants Muͤnzenreihen der Koͤnige, Staͤdte und Colonien nichts als Numiſmatiſche Geſchichte ſeyn: das Schoͤne, das uͤberdem geſehen, und gefuͤhlt werden kann, finde jedes Auge, jede Seele von ſelbſt; wenn ihm nur das Bild des Schoͤ-
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Kritiſche Waͤlder.
uͤber ein Kunſtbild freuen koͤnnen; daß es endlich
auch Leute gebe, die vorzuͤglich auf das Schoͤne,
ihr Auge richten, und weder von Gelehrſamkeit
noch dem Kunſtmaͤßigen Hauptwerk machen. Wir
wollen jene Muͤnzgelehrten: die mittlern Kunſtken-
ner: die letzten Liebhaber nennen; ſie ſind alle drei
unterſchieden, ihre Unterſchiede aber fließen, ſo wie
die Farben eines Regenbogens, oder eines ſpielen-
den Seidengewandes, in einander. Der Kuͤnſtler
kann mehr oder weniger Liebhaber, der Gelehrte
mehr oder weniger Kunſtkenner, der Liebhaber
mehr oder minder Gelehrter ſeyn. Nichts ſchadet
dem andern: eins muß dem andern aufhelfen: und
der wahre Philoſoph der Numismatik iſt alles Drei.
Niemand alſo zum Nachtheile, wenn er ſeine Muͤn-
zenwiſſenſchaft auf Chronologie, auf Geſchichte, auf
Genealogie, auf Alterthuͤmer gewandr: haͤtte er
dem Publikum auch nichts als ſolche wiſſenſchaft-
liche Unterſuchungen geliefert, und den Geſchmack
an Muͤnzen fuͤr ſich behalten — unbeſchadet!
Koͤhlers hiſtoriſche Muͤnzbeluſtigungen moͤgen
nichts als hiſtoriſche, Beluſtigungen, Gatterers
Theorie der Medaillen nichts als Theorie der Me-
daillen; Vaillants Muͤnzenreihen der Koͤnige,
Staͤdte und Colonien nichts als Numiſmatiſche
Geſchichte ſeyn: das Schoͤne, das uͤberdem geſehen,
und gefuͤhlt werden kann, finde jedes Auge, jede
Seele von ſelbſt; wenn ihm nur das Bild des
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