Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769.

Bild:
<< vorherige Seite

Kritische Wälder.
Geheimdenraths a) über die Schwachheiten der
Fürsten, über eine Eitelkeit, von der sie keinen Nu-
tzen ziehen, reicht hier kaum zu: in diesem und
jenem einzelnen Falle würde ihn mancher andre Ge-
heimderath eines bessern belehren.

Griechen und Römer inscribirten in ihrer
Sprache, und man kennet dieselben nach ihrer
Stärke und Hoheit, nach ihrer Kürze und Nach-
druck; verläumden will ich die unsrige nicht: sie
hat in manchem so gar Vorzüge; aber zur schönen
Aufschrift einer schönen Münzallegorie ist sie nicht
gebildet. Nicht gebildet dazu in der Form der
Buchstaben, in den hart und vielfach zusammen-
gesetzten Bestandtheilen der Wörter, in dem Bau
der Rede, der sich weniger mit einem ausgeriß-
nen Casu, oder einer ellypsirten Construktion ver-
trägt, in dem Geiste der Sprache, der sich hier-
inn eben so weit von der offnen kharis der Grie-
chen, von der elegantia inscriptionum der Rö-
mer, als von der französischen Pointe, entfernen
dörfte. Unsre Sprache hat ihre gothischen Buch-
staben, die gut erscheinen mögen, nur nicht auf
Metall: sie hat ihre vielen Konsonanten, die in
einem starken Gedichte so prächtig klingen, als sie
auf einer Münze schwer zu buchstabiren, noch
schwerer abzukürzen sind: sie liebt den vollen Bau
der Rede mit Artikeln, Verschränkungen und Con-

struktio-
a) S. 88. 89.

Kritiſche Waͤlder.
Geheimdenraths a) uͤber die Schwachheiten der
Fuͤrſten, uͤber eine Eitelkeit, von der ſie keinen Nu-
tzen ziehen, reicht hier kaum zu: in dieſem und
jenem einzelnen Falle wuͤrde ihn mancher andre Ge-
heimderath eines beſſern belehren.

Griechen und Roͤmer inſcribirten in ihrer
Sprache, und man kennet dieſelben nach ihrer
Staͤrke und Hoheit, nach ihrer Kuͤrze und Nach-
druck; verlaͤumden will ich die unſrige nicht: ſie
hat in manchem ſo gar Vorzuͤge; aber zur ſchoͤnen
Aufſchrift einer ſchoͤnen Muͤnzallegorie iſt ſie nicht
gebildet. Nicht gebildet dazu in der Form der
Buchſtaben, in den hart und vielfach zuſammen-
geſetzten Beſtandtheilen der Woͤrter, in dem Bau
der Rede, der ſich weniger mit einem ausgeriß-
nen Caſu, oder einer ellypſirten Conſtruktion ver-
traͤgt, in dem Geiſte der Sprache, der ſich hier-
inn eben ſo weit von der offnen χαρις der Grie-
chen, von der elegantia inſcriptionum der Roͤ-
mer, als von der franzoͤſiſchen Pointe, entfernen
doͤrfte. Unſre Sprache hat ihre gothiſchen Buch-
ſtaben, die gut erſcheinen moͤgen, nur nicht auf
Metall: ſie hat ihre vielen Konſonanten, die in
einem ſtarken Gedichte ſo praͤchtig klingen, als ſie
auf einer Muͤnze ſchwer zu buchſtabiren, noch
ſchwerer abzukuͤrzen ſind: ſie liebt den vollen Bau
der Rede mit Artikeln, Verſchraͤnkungen und Con-

ſtruktio-
a) S. 88. 89.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0078" n="72"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Kriti&#x017F;che Wa&#x0364;lder.</hi></fw><lb/>
Geheimdenraths <note place="foot" n="a)">S. 88. 89.</note> u&#x0364;ber die Schwachheiten der<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;ten, u&#x0364;ber eine Eitelkeit, von der &#x017F;ie keinen Nu-<lb/>
tzen ziehen, reicht hier kaum zu: in die&#x017F;em und<lb/>
jenem einzelnen Falle wu&#x0364;rde ihn mancher andre Ge-<lb/>
heimderath eines be&#x017F;&#x017F;ern belehren.</p><lb/>
          <p>Griechen und Ro&#x0364;mer in&#x017F;cribirten in ihrer<lb/>
Sprache, und man kennet die&#x017F;elben nach ihrer<lb/>
Sta&#x0364;rke und Hoheit, nach ihrer Ku&#x0364;rze und Nach-<lb/>
druck; verla&#x0364;umden will ich die un&#x017F;rige nicht: &#x017F;ie<lb/>
hat in manchem &#x017F;o gar Vorzu&#x0364;ge; aber zur &#x017F;cho&#x0364;nen<lb/>
Auf&#x017F;chrift einer &#x017F;cho&#x0364;nen Mu&#x0364;nzallegorie i&#x017F;t &#x017F;ie nicht<lb/>
gebildet. Nicht gebildet dazu in der Form der<lb/>
Buch&#x017F;taben, in den hart und vielfach zu&#x017F;ammen-<lb/>
ge&#x017F;etzten Be&#x017F;tandtheilen der Wo&#x0364;rter, in dem Bau<lb/>
der Rede, der &#x017F;ich weniger mit einem ausgeriß-<lb/>
nen <hi rendition="#aq">Ca&#x017F;u,</hi> oder einer ellyp&#x017F;irten Con&#x017F;truktion ver-<lb/>
tra&#x0364;gt, in dem Gei&#x017F;te der Sprache, der &#x017F;ich hier-<lb/>
inn eben &#x017F;o weit von der offnen &#x03C7;&#x03B1;&#x03C1;&#x03B9;&#x03C2; der Grie-<lb/>
chen, von der <hi rendition="#aq">elegantia in&#x017F;criptionum</hi> der Ro&#x0364;-<lb/>
mer, als von der franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Pointe, entfernen<lb/>
do&#x0364;rfte. Un&#x017F;re Sprache hat ihre gothi&#x017F;chen Buch-<lb/>
&#x017F;taben, die gut er&#x017F;cheinen mo&#x0364;gen, nur nicht auf<lb/>
Metall: &#x017F;ie hat ihre vielen Kon&#x017F;onanten, die in<lb/>
einem &#x017F;tarken Gedichte &#x017F;o pra&#x0364;chtig klingen, als &#x017F;ie<lb/>
auf einer Mu&#x0364;nze &#x017F;chwer zu buch&#x017F;tabiren, noch<lb/>
&#x017F;chwerer abzuku&#x0364;rzen &#x017F;ind: &#x017F;ie liebt den vollen Bau<lb/>
der Rede mit Artikeln, Ver&#x017F;chra&#x0364;nkungen und Con-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;truktio-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0078] Kritiſche Waͤlder. Geheimdenraths a) uͤber die Schwachheiten der Fuͤrſten, uͤber eine Eitelkeit, von der ſie keinen Nu- tzen ziehen, reicht hier kaum zu: in dieſem und jenem einzelnen Falle wuͤrde ihn mancher andre Ge- heimderath eines beſſern belehren. Griechen und Roͤmer inſcribirten in ihrer Sprache, und man kennet dieſelben nach ihrer Staͤrke und Hoheit, nach ihrer Kuͤrze und Nach- druck; verlaͤumden will ich die unſrige nicht: ſie hat in manchem ſo gar Vorzuͤge; aber zur ſchoͤnen Aufſchrift einer ſchoͤnen Muͤnzallegorie iſt ſie nicht gebildet. Nicht gebildet dazu in der Form der Buchſtaben, in den hart und vielfach zuſammen- geſetzten Beſtandtheilen der Woͤrter, in dem Bau der Rede, der ſich weniger mit einem ausgeriß- nen Caſu, oder einer ellypſirten Conſtruktion ver- traͤgt, in dem Geiſte der Sprache, der ſich hier- inn eben ſo weit von der offnen χαρις der Grie- chen, von der elegantia inſcriptionum der Roͤ- mer, als von der franzoͤſiſchen Pointe, entfernen doͤrfte. Unſre Sprache hat ihre gothiſchen Buch- ſtaben, die gut erſcheinen moͤgen, nur nicht auf Metall: ſie hat ihre vielen Konſonanten, die in einem ſtarken Gedichte ſo praͤchtig klingen, als ſie auf einer Muͤnze ſchwer zu buchſtabiren, noch ſchwerer abzukuͤrzen ſind: ſie liebt den vollen Bau der Rede mit Artikeln, Verſchraͤnkungen und Con- ſtruktio- a) S. 88. 89.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769/78
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769/78>, abgerufen am 17.05.2024.