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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767.

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was ihnen die angenehme Ruhe ließ, im Le-
sen wenig zu denken, was ihnen das Ver-
gnügen schaffte, hie und da ein Blümchen zu
finden, ohne sich beständig bücken zu dörfen,
was sie in den süßen Traum einwiegte, das
hier zu lesen, was sie selbst schon gedacht zu
haben glaubten. Das Bücherschreiben ward
von Verlegern ausgepachtet, und man be-
quemt sich nach dem Geschmack seines Lehn-
herrn. Das Publikum bestand aus einigen
Journalisten, die nicht zu denken, wohl aber
zu recensiren Zeit hatten; von diesen ward
das Publikum angeführt und gleichsam ge-
bildet. Hier und da fand sich ein Mecän,
der aber blos Arbeiten liebte, und lobte, und
lohnte, die ihm nicht viel Kopfbrechens ma-
chen -- nun denke man sich diese Reihe von
Lesern; man wird entweder die Feder aus der
Hand werfen, oder man wird sie eintunken,
nicht wie jener Grieche in Verstand, sondern
in wässerichtes, Phlegmatisches Gehirn; dies
hat wie der Mond eine sympathetische Ein-
wirkung auf leere Köpfe. Willst du ein
Kirchenvater bei Toiletten und Ruhebetten
seyn; entmanne deinen Stil, wie jener Orige-

nes
J 3

was ihnen die angenehme Ruhe ließ, im Le-
ſen wenig zu denken, was ihnen das Ver-
gnuͤgen ſchaffte, hie und da ein Bluͤmchen zu
finden, ohne ſich beſtaͤndig buͤcken zu doͤrfen,
was ſie in den ſuͤßen Traum einwiegte, das
hier zu leſen, was ſie ſelbſt ſchon gedacht zu
haben glaubten. Das Buͤcherſchreiben ward
von Verlegern ausgepachtet, und man be-
quemt ſich nach dem Geſchmack ſeines Lehn-
herrn. Das Publikum beſtand aus einigen
Journaliſten, die nicht zu denken, wohl aber
zu recenſiren Zeit hatten; von dieſen ward
das Publikum angefuͤhrt und gleichſam ge-
bildet. Hier und da fand ſich ein Mecaͤn,
der aber blos Arbeiten liebte, und lobte, und
lohnte, die ihm nicht viel Kopfbrechens ma-
chen — nun denke man ſich dieſe Reihe von
Leſern; man wird entweder die Feder aus der
Hand werfen, oder man wird ſie eintunken,
nicht wie jener Grieche in Verſtand, ſondern
in waͤſſerichtes, Phlegmatiſches Gehirn; dies
hat wie der Mond eine ſympathetiſche Ein-
wirkung auf leere Koͤpfe. Willſt du ein
Kirchenvater bei Toiletten und Ruhebetten
ſeyn; entmanne deinen Stil, wie jener Orige-

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J 3
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[133/0137] was ihnen die angenehme Ruhe ließ, im Le- ſen wenig zu denken, was ihnen das Ver- gnuͤgen ſchaffte, hie und da ein Bluͤmchen zu finden, ohne ſich beſtaͤndig buͤcken zu doͤrfen, was ſie in den ſuͤßen Traum einwiegte, das hier zu leſen, was ſie ſelbſt ſchon gedacht zu haben glaubten. Das Buͤcherſchreiben ward von Verlegern ausgepachtet, und man be- quemt ſich nach dem Geſchmack ſeines Lehn- herrn. Das Publikum beſtand aus einigen Journaliſten, die nicht zu denken, wohl aber zu recenſiren Zeit hatten; von dieſen ward das Publikum angefuͤhrt und gleichſam ge- bildet. Hier und da fand ſich ein Mecaͤn, der aber blos Arbeiten liebte, und lobte, und lohnte, die ihm nicht viel Kopfbrechens ma- chen — nun denke man ſich dieſe Reihe von Leſern; man wird entweder die Feder aus der Hand werfen, oder man wird ſie eintunken, nicht wie jener Grieche in Verſtand, ſondern in waͤſſerichtes, Phlegmatiſches Gehirn; dies hat wie der Mond eine ſympathetiſche Ein- wirkung auf leere Koͤpfe. Willſt du ein Kirchenvater bei Toiletten und Ruhebetten ſeyn; entmanne deinen Stil, wie jener Orige- nes J 3

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767/137>, abgerufen am 21.11.2024.