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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767.

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sophie gibt den meisten müßigen Synonymen
Arbeit und bestimmte Posten. Das ist nun
aber die Sprache der Philosophie: lasset
Sulzern, der noch lebende Baumgarten,
die Wörter: angenehm, schön, lieblich,
reizend, gefällig,
in seiner Aesthetik bestim-
men; die Welt wird ihm vielen Dank wis-
sen: lasset andere auf der Bahn des Baum-
gartens fortgehen, und einen Kant in seinen
Beobachtungen über das Schöne und
Erhabene,
seine Unterschiede zwischen bei-
nahegleichen Wörtern bemerken: sie arbeiten
für die Deutsche Philosophie und Philosophi-
sche Sprache; aber nicht für die Sprachkunst,
überhaupt. Alle kannst du nicht bestimmen,
Philologischer Weltweise! Die wirst du ver-
muthlich auswerfen wollen? Aber wirft sie
auch die Sprache des Umganges aus? Nein!
so weit reicht noch nicht dein Gebiet, und
noch minder ins Land der Dichter -- Der
Dichter muß rasend werden, wenn du ihm
die Synonyme raubst; er lebt vom Ueber-
fluß.
-- Und wenn du sie bestimmest? Ge-
sezt, aber du kannst es nicht: so fällt schöne
Prose und schöne Poesie ganz weg; alles wird

ein

ſophie gibt den meiſten muͤßigen Synonymen
Arbeit und beſtimmte Poſten. Das iſt nun
aber die Sprache der Philoſophie: laſſet
Sulzern, der noch lebende Baumgarten,
die Woͤrter: angenehm, ſchoͤn, lieblich,
reizend, gefaͤllig,
in ſeiner Aeſthetik beſtim-
men; die Welt wird ihm vielen Dank wiſ-
ſen: laſſet andere auf der Bahn des Baum-
gartens fortgehen, und einen Kant in ſeinen
Beobachtungen uͤber das Schoͤne und
Erhabene,
ſeine Unterſchiede zwiſchen bei-
nahegleichen Woͤrtern bemerken: ſie arbeiten
fuͤr die Deutſche Philoſophie und Philoſophi-
ſche Sprache; aber nicht fuͤr die Sprachkunſt,
uͤberhaupt. Alle kannſt du nicht beſtimmen,
Philologiſcher Weltweiſe! Die wirſt du ver-
muthlich auswerfen wollen? Aber wirft ſie
auch die Sprache des Umganges aus? Nein!
ſo weit reicht noch nicht dein Gebiet, und
noch minder ins Land der Dichter — Der
Dichter muß raſend werden, wenn du ihm
die Synonyme raubſt; er lebt vom Ueber-
fluß.
— Und wenn du ſie beſtimmeſt? Ge-
ſezt, aber du kannſt es nicht: ſo faͤllt ſchoͤne
Proſe und ſchoͤne Poeſie ganz weg; alles wird

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[60/0064] ſophie gibt den meiſten muͤßigen Synonymen Arbeit und beſtimmte Poſten. Das iſt nun aber die Sprache der Philoſophie: laſſet Sulzern, der noch lebende Baumgarten, die Woͤrter: angenehm, ſchoͤn, lieblich, reizend, gefaͤllig, in ſeiner Aeſthetik beſtim- men; die Welt wird ihm vielen Dank wiſ- ſen: laſſet andere auf der Bahn des Baum- gartens fortgehen, und einen Kant in ſeinen Beobachtungen uͤber das Schoͤne und Erhabene, ſeine Unterſchiede zwiſchen bei- nahegleichen Woͤrtern bemerken: ſie arbeiten fuͤr die Deutſche Philoſophie und Philoſophi- ſche Sprache; aber nicht fuͤr die Sprachkunſt, uͤberhaupt. Alle kannſt du nicht beſtimmen, Philologiſcher Weltweiſe! Die wirſt du ver- muthlich auswerfen wollen? Aber wirft ſie auch die Sprache des Umganges aus? Nein! ſo weit reicht noch nicht dein Gebiet, und noch minder ins Land der Dichter — Der Dichter muß raſend werden, wenn du ihm die Synonyme raubſt; er lebt vom Ueber- fluß. — Und wenn du ſie beſtimmeſt? Ge- ſezt, aber du kannſt es nicht: ſo faͤllt ſchoͤne Proſe und ſchoͤne Poeſie ganz weg; alles wird ein

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767/64>, abgerufen am 23.11.2024.