Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767.zur Rührung oft durch den Weg der Ueber- Ahmen wir also nach, wie es uns gefällt: "Die Morgenländischen Werke des Genies "ge- Q 4
zur Ruͤhrung oft durch den Weg der Ueber- Ahmen wir alſo nach, wie es uns gefaͤllt: „Die Morgenlaͤndiſchen Werke des Genies „ge- Q 4
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zur Ruͤhrung oft durch den Weg der Ueber-
legung.
Ahmen wir alſo nach, wie es uns gefaͤllt:
ſo wird vielleicht ein unpartheiſcher Frem-
der, der den Orient kennet, ohne ihn von
Jugend auf, blos als ein Erbſtuͤck der Reli-
gion zu kennen, der Geſchmack gnug hat,
um unſre Nachahmungen mit jenen Origina-
len zu vergleichen, vielleicht folgenden Cha-
rakter angeben:
„Die Morgenlaͤndiſchen Werke des Genies
„zeichnen ſich aus, durch den hohen Ausdruck
„einer Einbildung, die Erdichtungen liebt,
„Sittenſpruͤche in Figuren, Bilder und Schat-
„ten einhuͤllet, die nicht blos auf Fluͤgeln der
„Morgenroͤthe bis an die Graͤnzen der Natur
„aufſchwinget, ſondern ſich oft uͤber dieſe
„Graͤnzen wagt, und im Reich des Unnatuͤr-
„lichen, aber wunderbaren Chaos umherirret.
„Die kaͤltern vernuͤnftigen Deutſchen haben
„dieſer brennenden Phantaſie ſich nachſchwin-
„gen wollen, mit Fluͤgeln, die ihnen die Na-
„tur nicht gab, wie Horaz vom Daͤdalus ſin-
„get: ſie zeichnen fremde, oft unverſtandne,
„und wenigſtens zu entfernte Bilder: ihre
„ge-
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