Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767."daß alle diese erschöpfte Schönheiten auf uns ists Fragm. III S. G
„daß alle dieſe erſchoͤpfte Schoͤnheiten auf uns iſts Fragm. III S. G
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„daß alle dieſe erſchoͤpfte Schoͤnheiten auf uns
„gekommen, daß ſie in einigen Buͤchern vor
„uns liegen, daß wir aus dieſen wenigen Buͤ-
„chern den ganzen Umfang einer todten Spra-
„che in unſere Gewalt bekommen haͤtten!„
und dieſem endlich der ſchwerſte von allen:
„daß es wohl anginge, wenn man ihren Aus-
„druck nur gefaſſet, auch ihren Geiſt, ihren
„ganzen Geiſt zu haben, und ſollte uns von
„dieſem auch etwas entgangen ſeyn: ſo halte
„uns jener fuͤr dieſen Verluſt ſchadlos!„ —
Und nun entſchloß man ſich, des Ausdrucks
wegen in der Sprache der Alten zu ſchreiven:
natuͤrlich wars, daß, da dieſer der Haupt-
vortheil und der Hauptzweck war, daß man
alles Unclaſſiſche vermied, um nicht von den
Alten abzuweichen: alſo entſagte man ſeiner
Eigenheit, man opferte alles auf, das uns
den Namen Claſſiſch ſtreitig machen koͤnnte;
und ward ein claſſiſcher Nachahmer! — O das
verwuͤnſchte Wort: Claſſiſch! Es hat uns den
Cicero zum claſſiſchen Schulredner; Horaz
und Virgil zu claſſiſchen Schulpoeten; Caͤ-
ſar zum Pedanten, und Livius zum Wort-
kraͤmer gemacht. Das Wort: Claſſiſch!
iſts
Fragm. III S. G
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