Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767.

Bild:
<< vorherige Seite

in der andern Hand, den Götzendienst des
Pabstes, die schlechtesten Trümmern der Rö-
mischen Wissenschaften, und den niedrigsten
Gassen- und Kloster-Dialekt der Römischen
Sprache in Deutschland ein: drei Schwe-
stern der Barbarei und des Unglücks, die mit
verschlungenen Händen triumphirend einzo-
gen, und das Joch über eine Nation warfen,
der es schwer fiel, es zu tragen, die unter
allen Ländern Europens am meisten darunter
gelitten und vielleicht noch leidet. Die La-
teinische Religion lehrte gedankenlose Hart-
näckigkeit im Behaupten, die Lateinische Litte-
ratur erstickte den Geist, und schnitzelte den
Geschmack an Spekulationen und Unsinn, die
Mönchssprache führte ewige Barbarei in der
Sprache des Landes ein. -- Und diese Sünd-
fluth muß viele Jahrhunderte durch in fauler
Ruhe stehen, bis sie sich in das Mark der Lit-
teratur einzog, den Geist der Nation vergif-
tete, und in Gelehrsamkeit und Sprache und
dem äußern Zustande, der die Form zur Bil-
dung ist, ewige und unauslöschbare Eindrü-
cke nachließ. So bildet in dem zarten weis-
sen Leim der Toscanischen Marmorbrüche eine

faule

in der andern Hand, den Goͤtzendienſt des
Pabſtes, die ſchlechteſten Truͤmmern der Roͤ-
miſchen Wiſſenſchaften, und den niedrigſten
Gaſſen- und Kloſter-Dialekt der Roͤmiſchen
Sprache in Deutſchland ein: drei Schwe-
ſtern der Barbarei und des Ungluͤcks, die mit
verſchlungenen Haͤnden triumphirend einzo-
gen, und das Joch uͤber eine Nation warfen,
der es ſchwer fiel, es zu tragen, die unter
allen Laͤndern Europens am meiſten darunter
gelitten und vielleicht noch leidet. Die La-
teiniſche Religion lehrte gedankenloſe Hart-
naͤckigkeit im Behaupten, die Lateiniſche Litte-
ratur erſtickte den Geiſt, und ſchnitzelte den
Geſchmack an Spekulationen und Unſinn, die
Moͤnchsſprache fuͤhrte ewige Barbarei in der
Sprache des Landes ein. — Und dieſe Suͤnd-
fluth muß viele Jahrhunderte durch in fauler
Ruhe ſtehen, bis ſie ſich in das Mark der Lit-
teratur einzog, den Geiſt der Nation vergif-
tete, und in Gelehrſamkeit und Sprache und
dem aͤußern Zuſtande, der die Form zur Bil-
dung iſt, ewige und unausloͤſchbare Eindruͤ-
cke nachließ. So bildet in dem zarten weiſ-
ſen Leim der Toſcaniſchen Marmorbruͤche eine

faule
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0019" n="11"/>
in der andern Hand, den Go&#x0364;tzendien&#x017F;t des<lb/>
Pab&#x017F;tes, die &#x017F;chlechte&#x017F;ten Tru&#x0364;mmern der Ro&#x0364;-<lb/>
mi&#x017F;chen Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften, und den niedrig&#x017F;ten<lb/>
Ga&#x017F;&#x017F;en- und Klo&#x017F;ter-Dialekt der Ro&#x0364;mi&#x017F;chen<lb/>
Sprache in Deut&#x017F;chland ein: drei Schwe-<lb/>
&#x017F;tern der Barbarei und des Unglu&#x0364;cks, die mit<lb/>
ver&#x017F;chlungenen Ha&#x0364;nden triumphirend einzo-<lb/>
gen, und das Joch u&#x0364;ber eine Nation warfen,<lb/>
der es &#x017F;chwer fiel, es zu tragen, die unter<lb/>
allen La&#x0364;ndern Europens am mei&#x017F;ten darunter<lb/>
gelitten und vielleicht noch leidet. Die La-<lb/>
teini&#x017F;che Religion lehrte gedankenlo&#x017F;e Hart-<lb/>
na&#x0364;ckigkeit im Behaupten, die Lateini&#x017F;che Litte-<lb/>
ratur er&#x017F;tickte den Gei&#x017F;t, und &#x017F;chnitzelte den<lb/>
Ge&#x017F;chmack an Spekulationen und Un&#x017F;inn, die<lb/>
Mo&#x0364;nchs&#x017F;prache fu&#x0364;hrte ewige Barbarei in der<lb/>
Sprache des Landes ein. &#x2014; Und die&#x017F;e Su&#x0364;nd-<lb/>
fluth muß viele Jahrhunderte durch in fauler<lb/>
Ruhe &#x017F;tehen, bis &#x017F;ie &#x017F;ich in das Mark der Lit-<lb/>
teratur einzog, den Gei&#x017F;t der Nation vergif-<lb/>
tete, und in Gelehr&#x017F;amkeit und Sprache und<lb/>
dem a&#x0364;ußern Zu&#x017F;tande, der die Form zur Bil-<lb/>
dung i&#x017F;t, ewige und unauslo&#x0364;&#x017F;chbare Eindru&#x0364;-<lb/>
cke nachließ. So bildet in dem zarten wei&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Leim der To&#x017F;cani&#x017F;chen Marmorbru&#x0364;che eine<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">faule</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0019] in der andern Hand, den Goͤtzendienſt des Pabſtes, die ſchlechteſten Truͤmmern der Roͤ- miſchen Wiſſenſchaften, und den niedrigſten Gaſſen- und Kloſter-Dialekt der Roͤmiſchen Sprache in Deutſchland ein: drei Schwe- ſtern der Barbarei und des Ungluͤcks, die mit verſchlungenen Haͤnden triumphirend einzo- gen, und das Joch uͤber eine Nation warfen, der es ſchwer fiel, es zu tragen, die unter allen Laͤndern Europens am meiſten darunter gelitten und vielleicht noch leidet. Die La- teiniſche Religion lehrte gedankenloſe Hart- naͤckigkeit im Behaupten, die Lateiniſche Litte- ratur erſtickte den Geiſt, und ſchnitzelte den Geſchmack an Spekulationen und Unſinn, die Moͤnchsſprache fuͤhrte ewige Barbarei in der Sprache des Landes ein. — Und dieſe Suͤnd- fluth muß viele Jahrhunderte durch in fauler Ruhe ſtehen, bis ſie ſich in das Mark der Lit- teratur einzog, den Geiſt der Nation vergif- tete, und in Gelehrſamkeit und Sprache und dem aͤußern Zuſtande, der die Form zur Bil- dung iſt, ewige und unausloͤſchbare Eindruͤ- cke nachließ. So bildet in dem zarten weiſ- ſen Leim der Toſcaniſchen Marmorbruͤche eine faule

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/19
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/19>, abgerufen am 21.11.2024.