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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767.

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und Ausschweifungen, die er einstreuet: so
muß man erwarten, daß unsere Lukreze in
einer zur Weltweisheit ausgebildeten
Sprache,
in einer weit bequemern und bieg-
samern Materie, mit einerlei Genie, um so
viel höher vor dem Römer stehen müssen, je
höhere Vorzüge sie nach der Cultur ihrer
Werkzeuge haben. -- Betrachten wir dies,
so bleiben von allen unsern deutschen Lukre-
zen
* vielleicht nur drei noch, die diesen Na-
men verdienen; die übrigen können gute Lehr-
dichter seyn, allein Lukreze sind sie nicht, wenn
Lukrez zu unsrer Zeit gelebt hätte. Haller --
Witthof
und Creuz, drei Dichter auf drey
verschiednen Stufen! -- Nimm Hallers Ge-
dicht auf die Ewigkeit, und auf den Ur-
sprung des Uebels,
und zeige mir im Lu-
krez,
du, der du sein Anbeter, und vielleicht ein
zweiter Creech bist, zeige mir im Lukrez so
hohe, wahre und dringende philosophische
Wahrheiten in so reelle und kurze Bilder ein-

gehüllt.
* Jch sondre hier gleich die moralischen Lehr.
dichter
ab, Hagedorn, Dusch, Wieland
u. s. w.
Fragm. III S. O

und Ausſchweifungen, die er einſtreuet: ſo
muß man erwarten, daß unſere Lukreze in
einer zur Weltweisheit ausgebildeten
Sprache,
in einer weit bequemern und bieg-
ſamern Materie, mit einerlei Genie, um ſo
viel hoͤher vor dem Roͤmer ſtehen muͤſſen, je
hoͤhere Vorzuͤge ſie nach der Cultur ihrer
Werkzeuge haben. — Betrachten wir dies,
ſo bleiben von allen unſern deutſchen Lukre-
zen
* vielleicht nur drei noch, die dieſen Na-
men verdienen; die uͤbrigen koͤnnen gute Lehr-
dichter ſeyn, allein Lukreze ſind ſie nicht, wenn
Lukrez zu unſrer Zeit gelebt haͤtte. Haller —
Witthof
und Creuz, drei Dichter auf drey
verſchiednen Stufen! — Nimm Hallers Ge-
dicht auf die Ewigkeit, und auf den Ur-
ſprung des Uebels,
und zeige mir im Lu-
krez,
du, der du ſein Anbeter, und vielleicht ein
zweiter Creech biſt, zeige mir im Lukrez ſo
hohe, wahre und dringende philoſophiſche
Wahrheiten in ſo reelle und kurze Bilder ein-

gehuͤllt.
* Jch ſondre hier gleich die moraliſchen Lehr.
dichter
ab, Hagedorn, Duſch, Wieland
u. ſ. w.
Fragm. III S. O
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[209/0217] und Ausſchweifungen, die er einſtreuet: ſo muß man erwarten, daß unſere Lukreze in einer zur Weltweisheit ausgebildeten Sprache, in einer weit bequemern und bieg- ſamern Materie, mit einerlei Genie, um ſo viel hoͤher vor dem Roͤmer ſtehen muͤſſen, je hoͤhere Vorzuͤge ſie nach der Cultur ihrer Werkzeuge haben. — Betrachten wir dies, ſo bleiben von allen unſern deutſchen Lukre- zen * vielleicht nur drei noch, die dieſen Na- men verdienen; die uͤbrigen koͤnnen gute Lehr- dichter ſeyn, allein Lukreze ſind ſie nicht, wenn Lukrez zu unſrer Zeit gelebt haͤtte. Haller — Witthof und Creuz, drei Dichter auf drey verſchiednen Stufen! — Nimm Hallers Ge- dicht auf die Ewigkeit, und auf den Ur- ſprung des Uebels, und zeige mir im Lu- krez, du, der du ſein Anbeter, und vielleicht ein zweiter Creech biſt, zeige mir im Lukrez ſo hohe, wahre und dringende philoſophiſche Wahrheiten in ſo reelle und kurze Bilder ein- gehuͤllt. * Jch ſondre hier gleich die moraliſchen Lehr. dichter ab, Hagedorn, Duſch, Wieland u. ſ. w. Fragm. III S. O

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/217>, abgerufen am 21.11.2024.