Vorstellungsarten, moralisch gewisse Empfin- dungen, die nur jenen Wahrheiten der Phi- losophie und Offenbarung nicht widersprechen dörfen und müssen. Und wie reich ist K. überall an solchen neuen Gedanken, die seine poetische Empfindung hervorgedränget, in die Sprache gezwungen, und die sich in dieser Gestalt in unser Herz lagern. Meine Ein- bildungskraft ist viel zu kalt, um bei gesun- dem Verstande je ein Schwärmer zu werden; aber das weiß ich, daß manche einzelne Stel- len aus K. so tiefe Eindrücke in mich ge- macht, daß sie Tagelang den Ton meiner Seele haben stimmen können; und bei dem lebendigen Lesen dieses Dichters -- in diesem Zustande allein ists möglich, die Denkart sich vorzustellen, da K. empfand und dachte, und erfand, und mit seiner Sprache kämpfte, und sprach. -- --
Jch habe mich mit Fleiß statt der philo- sophischen Kunstwörter, mit denen alles frei- lich ungleich deutlicher würde, der streitigen Ausdrücke selbst bedient: nun lasse ich ein
paar
Vorſtellungsarten, moraliſch gewiſſe Empfin- dungen, die nur jenen Wahrheiten der Phi- loſophie und Offenbarung nicht widerſprechen doͤrfen und muͤſſen. Und wie reich iſt K. uͤberall an ſolchen neuen Gedanken, die ſeine poetiſche Empfindung hervorgedraͤnget, in die Sprache gezwungen, und die ſich in dieſer Geſtalt in unſer Herz lagern. Meine Ein- bildungskraft iſt viel zu kalt, um bei geſun- dem Verſtande je ein Schwaͤrmer zu werden; aber das weiß ich, daß manche einzelne Stel- len aus K. ſo tiefe Eindruͤcke in mich ge- macht, daß ſie Tagelang den Ton meiner Seele haben ſtimmen koͤnnen; und bei dem lebendigen Leſen dieſes Dichters — in dieſem Zuſtande allein iſts moͤglich, die Denkart ſich vorzuſtellen, da K. empfand und dachte, und erfand, und mit ſeiner Sprache kaͤmpfte, und ſprach. — —
Jch habe mich mit Fleiß ſtatt der philo- ſophiſchen Kunſtwoͤrter, mit denen alles frei- lich ungleich deutlicher wuͤrde, der ſtreitigen Ausdruͤcke ſelbſt bedient: nun laſſe ich ein
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Vorſtellungsarten, moraliſch gewiſſe Empfin-
dungen, die nur jenen Wahrheiten der Phi-
loſophie und Offenbarung nicht widerſprechen
doͤrfen und muͤſſen. Und wie reich iſt K.
uͤberall an ſolchen neuen Gedanken, die ſeine
poetiſche Empfindung hervorgedraͤnget, in die
Sprache gezwungen, und die ſich in dieſer
Geſtalt in unſer Herz lagern. Meine Ein-
bildungskraft iſt viel zu kalt, um bei geſun-
dem Verſtande je ein Schwaͤrmer zu werden;
aber das weiß ich, daß manche einzelne Stel-
len aus K. ſo tiefe Eindruͤcke in mich ge-
macht, daß ſie Tagelang den Ton meiner
Seele haben ſtimmen koͤnnen; und bei dem
lebendigen Leſen dieſes Dichters — in dieſem
Zuſtande allein iſts moͤglich, die Denkart ſich
vorzuſtellen, da K. empfand und dachte, und
erfand, und mit ſeiner Sprache kaͤmpfte, und
ſprach. — —
Jch habe mich mit Fleiß ſtatt der philo-
ſophiſchen Kunſtwoͤrter, mit denen alles frei-
lich ungleich deutlicher wuͤrde, der ſtreitigen
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/323>, abgerufen am 21.11.2024.
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