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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767.

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IV.
Nachschrift.

Jch muß diese dritte Sammlung aus den
Handen lassen, ohne noch zu wissen, wie ihre
beide ältern Schwestern aufgenommen sind;
ich gebe ihr also einen Scheidebrief mit, den
vielleicht schon die erste hätte vorzeigen sollen.

Jch würde lachen, wenn man die erste
Sammlung für eine sehr unvollständige
deutsche Grammatik; die zweite für eine sehr
ungründliche Bibelerklärung, für eine sehr
mangelhafte Abbildung der griechischen Dicht-
kunst; und endlich diesen dritten Theil für gar
keine standesmäßige Anpreisung der Römer,
förmlich und feierlich erklärte. Das kann
ein jeder sehen, daß ich blos Stückwerke von
Materialien aufzeigen wollte, so fern die Ge-
legenheit es erlaubte, und eine Stelle es fo-
derte, um über sie urtheilen zu können. Sagt
man also: "meine Gesichtspunkte sind wahr,
"aber noch nicht einleuchtend gnug: sie sind
"nützlich, aber nicht vollständig, sie reizen,

"aber
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IV.
Nachſchrift.

Jch muß dieſe dritte Sammlung aus den
Handen laſſen, ohne noch zu wiſſen, wie ihre
beide aͤltern Schweſtern aufgenommen ſind;
ich gebe ihr alſo einen Scheidebrief mit, den
vielleicht ſchon die erſte haͤtte vorzeigen ſollen.

Jch wuͤrde lachen, wenn man die erſte
Sammlung fuͤr eine ſehr unvollſtaͤndige
deutſche Grammatik; die zweite fuͤr eine ſehr
ungruͤndliche Bibelerklaͤrung, fuͤr eine ſehr
mangelhafte Abbildung der griechiſchen Dicht-
kunſt; und endlich dieſen dritten Theil fuͤr gar
keine ſtandesmaͤßige Anpreiſung der Roͤmer,
foͤrmlich und feierlich erklaͤrte. Das kann
ein jeder ſehen, daß ich blos Stuͤckwerke von
Materialien aufzeigen wollte, ſo fern die Ge-
legenheit es erlaubte, und eine Stelle es fo-
derte, um uͤber ſie urtheilen zu koͤnnen. Sagt
man alſo: „meine Geſichtspunkte ſind wahr,
„aber noch nicht einleuchtend gnug: ſie ſind
„nuͤtzlich, aber nicht vollſtaͤndig, ſie reizen,

„aber
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[323/0331] IV. Nachſchrift. Jch muß dieſe dritte Sammlung aus den Handen laſſen, ohne noch zu wiſſen, wie ihre beide aͤltern Schweſtern aufgenommen ſind; ich gebe ihr alſo einen Scheidebrief mit, den vielleicht ſchon die erſte haͤtte vorzeigen ſollen. Jch wuͤrde lachen, wenn man die erſte Sammlung fuͤr eine ſehr unvollſtaͤndige deutſche Grammatik; die zweite fuͤr eine ſehr ungruͤndliche Bibelerklaͤrung, fuͤr eine ſehr mangelhafte Abbildung der griechiſchen Dicht- kunſt; und endlich dieſen dritten Theil fuͤr gar keine ſtandesmaͤßige Anpreiſung der Roͤmer, foͤrmlich und feierlich erklaͤrte. Das kann ein jeder ſehen, daß ich blos Stuͤckwerke von Materialien aufzeigen wollte, ſo fern die Ge- legenheit es erlaubte, und eine Stelle es fo- derte, um uͤber ſie urtheilen zu koͤnnen. Sagt man alſo: „meine Geſichtspunkte ſind wahr, „aber noch nicht einleuchtend gnug: ſie ſind „nuͤtzlich, aber nicht vollſtaͤndig, ſie reizen, „aber X 2

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/331>, abgerufen am 20.05.2024.