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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767.

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in der er erzogen ist. Verachtet er diese Mut-
ter: so muß er von ihr übel erzogen seyn,
daß die ersten Eindrücke der Bildung gar
nicht bei ihm zur Reife gekommen; denn
sonst sind die Spuren dieses frühen Gepräges
der Seele unauslöschlich. -- Wie viel ver-
liert ein Schriftsteller hiebei, dessen Geist nicht
durch seine Sprache mächtig geformt ist! alle
sein späteres Lernen bemahlt die Oberfläche
der Denkart: er irret in fremden Gegenden,
ohne Vaterland und Hausgötter: er kann nie
ein Originalschriftsteller werden, bei dem
Gedanke und Ausdruck sich zusammen
drängen, um ein vollständiges Bild seiner
Seele zu seyn.

Ein Originalschriftsteller im hohen Sin-
ne der Alten, ist, wenige Beispiele ausgenom-
men, beständig ein Nationalautor. Ein
Mann, dessen Seele, von Gedanken schwan-
ger, zu gebären ringet, denket nie darauf, wie
ein Aesthetischer Regelnschmid einst an ihm
sizzen wird, um Beispiele des Ausdrucks zu
seinen Schulgesezzen auszuklauben: und es
wird ihm also unmöglich, den Ausdruck
abgesondert vom Gedanken zu behandeln,

zu

in der er erzogen iſt. Verachtet er dieſe Mut-
ter: ſo muß er von ihr uͤbel erzogen ſeyn,
daß die erſten Eindruͤcke der Bildung gar
nicht bei ihm zur Reife gekommen; denn
ſonſt ſind die Spuren dieſes fruͤhen Gepraͤges
der Seele unausloͤſchlich. — Wie viel ver-
liert ein Schriftſteller hiebei, deſſen Geiſt nicht
durch ſeine Sprache maͤchtig geformt iſt! alle
ſein ſpaͤteres Lernen bemahlt die Oberflaͤche
der Denkart: er irret in fremden Gegenden,
ohne Vaterland und Hausgoͤtter: er kann nie
ein Originalſchriftſteller werden, bei dem
Gedanke und Ausdruck ſich zuſammen
draͤngen, um ein vollſtaͤndiges Bild ſeiner
Seele zu ſeyn.

Ein Originalſchriftſteller im hohen Sin-
ne der Alten, iſt, wenige Beiſpiele ausgenom-
men, beſtaͤndig ein Nationalautor. Ein
Mann, deſſen Seele, von Gedanken ſchwan-
ger, zu gebaͤren ringet, denket nie darauf, wie
ein Aeſthetiſcher Regelnſchmid einſt an ihm
ſizzen wird, um Beiſpiele des Ausdrucks zu
ſeinen Schulgeſezzen auszuklauben: und es
wird ihm alſo unmoͤglich, den Ausdruck
abgeſondert vom Gedanken zu behandeln,

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[79/0087] in der er erzogen iſt. Verachtet er dieſe Mut- ter: ſo muß er von ihr uͤbel erzogen ſeyn, daß die erſten Eindruͤcke der Bildung gar nicht bei ihm zur Reife gekommen; denn ſonſt ſind die Spuren dieſes fruͤhen Gepraͤges der Seele unausloͤſchlich. — Wie viel ver- liert ein Schriftſteller hiebei, deſſen Geiſt nicht durch ſeine Sprache maͤchtig geformt iſt! alle ſein ſpaͤteres Lernen bemahlt die Oberflaͤche der Denkart: er irret in fremden Gegenden, ohne Vaterland und Hausgoͤtter: er kann nie ein Originalſchriftſteller werden, bei dem Gedanke und Ausdruck ſich zuſammen draͤngen, um ein vollſtaͤndiges Bild ſeiner Seele zu ſeyn. Ein Originalſchriftſteller im hohen Sin- ne der Alten, iſt, wenige Beiſpiele ausgenom- men, beſtaͤndig ein Nationalautor. Ein Mann, deſſen Seele, von Gedanken ſchwan- ger, zu gebaͤren ringet, denket nie darauf, wie ein Aeſthetiſcher Regelnſchmid einſt an ihm ſizzen wird, um Beiſpiele des Ausdrucks zu ſeinen Schulgeſezzen auszuklauben: und es wird ihm alſo unmoͤglich, den Ausdruck abgeſondert vom Gedanken zu behandeln, zu

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/87>, abgerufen am 27.11.2024.