in der er erzogen ist. Verachtet er diese Mut- ter: so muß er von ihr übel erzogen seyn, daß die ersten Eindrücke der Bildung gar nicht bei ihm zur Reife gekommen; denn sonst sind die Spuren dieses frühen Gepräges der Seele unauslöschlich. -- Wie viel ver- liert ein Schriftsteller hiebei, dessen Geist nicht durch seine Sprache mächtig geformt ist! alle sein späteres Lernen bemahlt die Oberfläche der Denkart: er irret in fremden Gegenden, ohne Vaterland und Hausgötter: er kann nie ein Originalschriftsteller werden, bei dem Gedanke und Ausdruck sich zusammen drängen, um ein vollständiges Bild seiner Seele zu seyn.
Ein Originalschriftsteller im hohen Sin- ne der Alten, ist, wenige Beispiele ausgenom- men, beständig ein Nationalautor. Ein Mann, dessen Seele, von Gedanken schwan- ger, zu gebären ringet, denket nie darauf, wie ein Aesthetischer Regelnschmid einst an ihm sizzen wird, um Beispiele des Ausdrucks zu seinen Schulgesezzen auszuklauben: und es wird ihm also unmöglich, den Ausdruck abgesondert vom Gedanken zu behandeln,
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in der er erzogen iſt. Verachtet er dieſe Mut- ter: ſo muß er von ihr uͤbel erzogen ſeyn, daß die erſten Eindruͤcke der Bildung gar nicht bei ihm zur Reife gekommen; denn ſonſt ſind die Spuren dieſes fruͤhen Gepraͤges der Seele unausloͤſchlich. — Wie viel ver- liert ein Schriftſteller hiebei, deſſen Geiſt nicht durch ſeine Sprache maͤchtig geformt iſt! alle ſein ſpaͤteres Lernen bemahlt die Oberflaͤche der Denkart: er irret in fremden Gegenden, ohne Vaterland und Hausgoͤtter: er kann nie ein Originalſchriftſteller werden, bei dem Gedanke und Ausdruck ſich zuſammen draͤngen, um ein vollſtaͤndiges Bild ſeiner Seele zu ſeyn.
Ein Originalſchriftſteller im hohen Sin- ne der Alten, iſt, wenige Beiſpiele ausgenom- men, beſtaͤndig ein Nationalautor. Ein Mann, deſſen Seele, von Gedanken ſchwan- ger, zu gebaͤren ringet, denket nie darauf, wie ein Aeſthetiſcher Regelnſchmid einſt an ihm ſizzen wird, um Beiſpiele des Ausdrucks zu ſeinen Schulgeſezzen auszuklauben: und es wird ihm alſo unmoͤglich, den Ausdruck abgeſondert vom Gedanken zu behandeln,
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in der er erzogen iſt. Verachtet er dieſe Mut-
ter: ſo muß er von ihr uͤbel erzogen ſeyn,
daß die erſten Eindruͤcke der Bildung gar
nicht bei ihm zur Reife gekommen; denn
ſonſt ſind die Spuren dieſes fruͤhen Gepraͤges
der Seele unausloͤſchlich. — Wie viel ver-
liert ein Schriftſteller hiebei, deſſen Geiſt nicht
durch ſeine Sprache maͤchtig geformt iſt! alle
ſein ſpaͤteres Lernen bemahlt die Oberflaͤche
der Denkart: er irret in fremden Gegenden,
ohne Vaterland und Hausgoͤtter: er kann nie
ein Originalſchriftſteller werden, bei dem
Gedanke und Ausdruck ſich zuſammen
draͤngen, um ein vollſtaͤndiges Bild ſeiner
Seele zu ſeyn.
Ein Originalſchriftſteller im hohen Sin-
ne der Alten, iſt, wenige Beiſpiele ausgenom-
men, beſtaͤndig ein Nationalautor. Ein
Mann, deſſen Seele, von Gedanken ſchwan-
ger, zu gebaͤren ringet, denket nie darauf, wie
ein Aeſthetiſcher Regelnſchmid einſt an ihm
ſizzen wird, um Beiſpiele des Ausdrucks zu
ſeinen Schulgeſezzen auszuklauben: und es
wird ihm alſo unmoͤglich, den Ausdruck
abgeſondert vom Gedanken zu behandeln,
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/87>, abgerufen am 27.11.2024.
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