[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774.welche neue Welt! wie glücklich seiner Hände Werk in ihr genießen! Alles bis auf Erfin- dungen, Ergötzlichkeiten, Noth, Schicksal und Zufall, strebt uns über eine gewisse grö- bere Sinnlichkeit voriger Zeitalter zu erhe- ben, uns zu einer höhern Abstraktion im Den- ken, Wollen, Leben und Thun zu entwöh- nen, -- für uns nicht immer annehmlich, oft mißlich! Die Sinnlichkeit des Morgenlands, die schönere Sinnlichkeit Griechenlands -- die Stärke Roms hinüber: und wie elend trö- sten uns unsre leidige Abstraktionströster und Sentenzen, warum uns oft schon Beweg- gründe, Triebfedern und Glückseligkeiten bestehen müssen: das Kind wird auch von einer letzten Sinnlichkeit hart entwöhnet -- Aber sie- he das höhere Zeitalter, was vorwinkt. Kein Thor kanns leugnen, wenn die feinen Beweg- gründe, die höhere, himmlische Tugend, der abgezogenere Genuß irdischer Seligkeiten der menschlichen Natur möglich ist, äußerst erhe- bend und veredelnd ist sie! Vielleicht also, daß jetzt an dieser Klippe viele zu Grunde ge- hen! Vielleicht, und gewiß haben jetzt unend- lich wenigere diese fenelonsche Tugend, als jene Spartaner, Römer und Ritter die sinn- liche L 5
welche neue Welt! wie gluͤcklich ſeiner Haͤnde Werk in ihr genießen! Alles bis auf Erfin- dungen, Ergoͤtzlichkeiten, Noth, Schickſal und Zufall, ſtrebt uns uͤber eine gewiſſe groͤ- bere Sinnlichkeit voriger Zeitalter zu erhe- ben, uns zu einer hoͤhern Abſtraktion im Den- ken, Wollen, Leben und Thun zu entwoͤh- nen, — fuͤr uns nicht immer annehmlich, oft mißlich! Die Sinnlichkeit des Morgenlands, die ſchoͤnere Sinnlichkeit Griechenlands — die Staͤrke Roms hinuͤber: und wie elend troͤ- ſten uns unſre leidige Abſtraktionstroͤſter und Sentenzen, warum uns oft ſchon Beweg- gruͤnde, Triebfedern und Gluͤckſeligkeiten beſtehen muͤſſen: das Kind wird auch von einer letzten Sinnlichkeit hart entwoͤhnet — Aber ſie- he das hoͤhere Zeitalter, was vorwinkt. Kein Thor kanns leugnen, wenn die feinen Beweg- gruͤnde, die hoͤhere, himmliſche Tugend, der abgezogenere Genuß irdiſcher Seligkeiten der menſchlichen Natur moͤglich iſt, aͤußerſt erhe- bend und veredelnd iſt ſie! Vielleicht alſo, daß jetzt an dieſer Klippe viele zu Grunde ge- hen! Vielleicht, und gewiß haben jetzt unend- lich wenigere dieſe fenelonſche Tugend, als jene Spartaner, Roͤmer und Ritter die ſinn- liche L 5
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woher? wozu? — belebt — befruchtet —
welche neue Welt! wie gluͤcklich ſeiner Haͤnde
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dungen, Ergoͤtzlichkeiten, Noth, Schickſal
und Zufall, ſtrebt uns uͤber eine gewiſſe groͤ-
bere Sinnlichkeit voriger Zeitalter zu erhe-
ben, uns zu einer hoͤhern Abſtraktion im Den-
ken, Wollen, Leben und Thun zu entwoͤh-
nen, — fuͤr uns nicht immer annehmlich, oft
mißlich! Die Sinnlichkeit des Morgenlands,
die ſchoͤnere Sinnlichkeit Griechenlands —
die Staͤrke Roms hinuͤber: und wie elend troͤ-
ſten uns unſre leidige Abſtraktionstroͤſter und
Sentenzen, warum uns oft ſchon Beweg-
gruͤnde, Triebfedern und Gluͤckſeligkeiten
beſtehen muͤſſen: das Kind wird auch von einer
letzten Sinnlichkeit hart entwoͤhnet — Aber ſie-
he das hoͤhere Zeitalter, was vorwinkt. Kein
Thor kanns leugnen, wenn die feinen Beweg-
gruͤnde, die hoͤhere, himmliſche Tugend, der
abgezogenere Genuß irdiſcher Seligkeiten der
menſchlichen Natur moͤglich iſt, aͤußerſt erhe-
bend und veredelnd iſt ſie! Vielleicht alſo,
daß jetzt an dieſer Klippe viele zu Grunde ge-
hen! Vielleicht, und gewiß haben jetzt unend-
lich wenigere dieſe fenelonſche Tugend, als
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