[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774.von Lissabon bis Kamtschatka, von Zembla bis in die Kolonien von Jndien gelesen, ge- lernt, bewundert, und was noch mehr ist, befolgt -- mit seiner Sprache, mit seinen hundertfachen Talenten der Einkleidung, mit seiner Leichtigkeit, mit seinem Schwunge von Jdeen auf lauter Blumen -- am allermeisten dadurch, daß er auf der glücklichen Stelle geboren wurde, die Welt zu nützen, Vorgän- ger und Nebenbuhler zu nützen, Gelegenhei- ten, Anlässe, zumal Vorurtheile und Lieblings- schwächen seiner Zeit, zumal ja die nutzbar- sten Schwächen der schönsten Bräute seiner Zeit, der Regenten in ganz Europa zu nü- tzen -- dieser grosse Schriftsteller, was hat er nicht ohne Zweifel auch zum Besten des Jahr- hunderts gethan! Licht verbreitet, so genann- te Philosophie der Menschheit, Toleranz, Leichtigkeit im Selbstdenken, Schimmer der Tugend in hundert liebenswürdigen Gestal- ten, verdünnte und versüßte kleine mensch- liche Neigungen -- als Schriftsteller ohne Zweifel auf der größten Höhe des Jahrhun- derts! -- Aber nun zugleich damit, was für elenden Leichtsinn, Schwäche, Ungewißheit und Kälte! was für Seichtigkeit, Planlo- sigkeit,
von Liſſabon bis Kamtſchatka, von Zembla bis in die Kolonien von Jndien geleſen, ge- lernt, bewundert, und was noch mehr iſt, befolgt — mit ſeiner Sprache, mit ſeinen hundertfachen Talenten der Einkleidung, mit ſeiner Leichtigkeit, mit ſeinem Schwunge von Jdeen auf lauter Blumen — am allermeiſten dadurch, daß er auf der gluͤcklichen Stelle geboren wurde, die Welt zu nuͤtzen, Vorgaͤn- ger und Nebenbuhler zu nuͤtzen, Gelegenhei- ten, Anlaͤſſe, zumal Vorurtheile und Lieblings- ſchwaͤchen ſeiner Zeit, zumal ja die nutzbar- ſten Schwaͤchen der ſchoͤnſten Braͤute ſeiner Zeit, der Regenten in ganz Europa zu nuͤ- tzen — dieſer groſſe Schriftſteller, was hat er nicht ohne Zweifel auch zum Beſten des Jahr- hunderts gethan! Licht verbreitet, ſo genann- te Philoſophie der Menſchheit, Toleranz, Leichtigkeit im Selbſtdenken, Schimmer der Tugend in hundert liebenswuͤrdigen Geſtal- ten, verduͤnnte und verſuͤßte kleine menſch- liche Neigungen — als Schriftſteller ohne Zweifel auf der groͤßten Hoͤhe des Jahrhun- derts! — Aber nun zugleich damit, was fuͤr elenden Leichtſinn, Schwaͤche, Ungewißheit und Kaͤlte! was fuͤr Seichtigkeit, Planlo- ſigkeit,
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0188" n="184"/><fw place="top" type="header"><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/></fw><hi rendition="#b">narch</hi> auf ſein Jahrhundert gewuͤrkt hat —<lb/> von <hi rendition="#b">Liſſabon</hi> bis <hi rendition="#b">Kamtſchatka,</hi> von <hi rendition="#b">Zembla</hi><lb/> bis in die <hi rendition="#b">Kolonien</hi> von <hi rendition="#b">Jndien</hi> geleſen, ge-<lb/> lernt, bewundert, und was noch mehr iſt,<lb/><hi rendition="#b">befolgt</hi> — mit ſeiner <hi rendition="#b">Sprache,</hi> mit ſeinen<lb/> hundertfachen Talenten der <hi rendition="#b">Einkleidung,</hi> mit<lb/> ſeiner <hi rendition="#b">Leichtigkeit,</hi> mit ſeinem <hi rendition="#b">Schwunge von<lb/> Jdeen</hi> auf lauter Blumen — am allermeiſten<lb/> dadurch, daß er <hi rendition="#b">auf der gluͤcklichen Stelle</hi><lb/> geboren wurde, die Welt zu <hi rendition="#b">nuͤtzen,</hi> Vorgaͤn-<lb/> ger und Nebenbuhler zu <hi rendition="#b">nuͤtzen,</hi> Gelegenhei-<lb/> ten, Anlaͤſſe, zumal Vorurtheile und Lieblings-<lb/> ſchwaͤchen ſeiner Zeit, zumal ja die nutzbar-<lb/> ſten Schwaͤchen der ſchoͤnſten Braͤute ſeiner<lb/> Zeit, der <hi rendition="#b">Regenten</hi> in ganz Europa zu <hi rendition="#b">nuͤ-<lb/> tzen</hi> — dieſer groſſe Schriftſteller, was hat er<lb/> nicht ohne Zweifel auch <hi rendition="#b">zum Beſten des Jahr-<lb/> hunderts</hi> gethan! <hi rendition="#b">Licht</hi> verbreitet, ſo genann-<lb/> te <hi rendition="#b">Philoſophie der Menſchheit, Toleranz,<lb/> Leichtigkeit</hi> im <hi rendition="#b">Selbſtdenken, Schimmer der<lb/> Tugend</hi> in hundert liebenswuͤrdigen <hi rendition="#b">Geſtal-<lb/> ten, verduͤnnte</hi> und <hi rendition="#b">verſuͤßte kleine menſch-<lb/> liche Neigungen — als Schriftſteller ohne<lb/> Zweifel auf der groͤßten Hoͤhe</hi> des Jahrhun-<lb/> derts! — Aber nun zugleich damit, was fuͤr<lb/> elenden <hi rendition="#b">Leichtſinn, Schwaͤche, Ungewißheit</hi><lb/> und <hi rendition="#b">Kaͤlte!</hi> was fuͤr <hi rendition="#b">Seichtigkeit, Planlo-</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#b">ſigkeit,</hi></fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [184/0188]
narch auf ſein Jahrhundert gewuͤrkt hat —
von Liſſabon bis Kamtſchatka, von Zembla
bis in die Kolonien von Jndien geleſen, ge-
lernt, bewundert, und was noch mehr iſt,
befolgt — mit ſeiner Sprache, mit ſeinen
hundertfachen Talenten der Einkleidung, mit
ſeiner Leichtigkeit, mit ſeinem Schwunge von
Jdeen auf lauter Blumen — am allermeiſten
dadurch, daß er auf der gluͤcklichen Stelle
geboren wurde, die Welt zu nuͤtzen, Vorgaͤn-
ger und Nebenbuhler zu nuͤtzen, Gelegenhei-
ten, Anlaͤſſe, zumal Vorurtheile und Lieblings-
ſchwaͤchen ſeiner Zeit, zumal ja die nutzbar-
ſten Schwaͤchen der ſchoͤnſten Braͤute ſeiner
Zeit, der Regenten in ganz Europa zu nuͤ-
tzen — dieſer groſſe Schriftſteller, was hat er
nicht ohne Zweifel auch zum Beſten des Jahr-
hunderts gethan! Licht verbreitet, ſo genann-
te Philoſophie der Menſchheit, Toleranz,
Leichtigkeit im Selbſtdenken, Schimmer der
Tugend in hundert liebenswuͤrdigen Geſtal-
ten, verduͤnnte und verſuͤßte kleine menſch-
liche Neigungen — als Schriftſteller ohne
Zweifel auf der groͤßten Hoͤhe des Jahrhun-
derts! — Aber nun zugleich damit, was fuͤr
elenden Leichtſinn, Schwaͤche, Ungewißheit
und Kaͤlte! was fuͤr Seichtigkeit, Planlo-
ſigkeit,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |