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[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774.

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mern der Nationaldenkart jedes Volks durch-
drang:
mit der Zeit wurden die Bande immer
fester,
endlich sollte das ganze römische Reich
gleichsam nur Stadt Rom werden -- alle
Unterthanen Bürger -- bis es selbst sank.

Auf keine Weise noch von Vortheil oder
Nachtheil geredet, allein von Würkung.
Wenn alle Völker unter dem römischen Joche
gewissermaaße die Völker zu seyn aufhörten,
die sie waren, und also über die ganze Erde
eine Staatskunst, Kriegskunst
und Völker-
recht
eingeführt wurde, wovon voraus noch
kein Beyspiel gewesen war: da die Maschiene
stand, und da die Maschiene fiel, und da die
Trümmern alle Nationen der römischen Erde
bedeckten -- giebts in aller Geschichte der
Jahrhunderte einen größern Anblick! Alle
Nationen von- oder auf diesen Trümmern bau-
end!
Völlig neue Welt von Sprachen, Sit-
ten, Neigungen und Völkern -- es beginnet
eine andre Zeit -- Anblick, wie aufs weite
offenbare Meer neuer Nationen. -- Lasset
uns indessen noch vom Ufer einen Blick auf die
Völker werfen, deren Geschichte wir durch-
laufen sind.

I. Nie-



mern der Nationaldenkart jedes Volks durch-
drang:
mit der Zeit wurden die Bande immer
feſter,
endlich ſollte das ganze roͤmiſche Reich
gleichſam nur Stadt Rom werden — alle
Unterthanen Buͤrger — bis es ſelbſt ſank.

Auf keine Weiſe noch von Vortheil oder
Nachtheil geredet, allein von Wuͤrkung.
Wenn alle Voͤlker unter dem roͤmiſchen Joche
gewiſſermaaße die Voͤlker zu ſeyn aufhoͤrten,
die ſie waren, und alſo uͤber die ganze Erde
eine Staatskunſt, Kriegskunſt
und Voͤlker-
recht
eingefuͤhrt wurde, wovon voraus noch
kein Beyſpiel geweſen war: da die Maſchiene
ſtand, und da die Maſchiene fiel, und da die
Truͤmmern alle Nationen der roͤmiſchen Erde
bedeckten — giebts in aller Geſchichte der
Jahrhunderte einen groͤßern Anblick! Alle
Nationen von- oder auf dieſen Truͤmmern bau-
end!
Voͤllig neue Welt von Sprachen, Sit-
ten, Neigungen und Voͤlkern — es beginnet
eine andre Zeit — Anblick, wie aufs weite
offenbare Meer neuer Nationen. — Laſſet
uns indeſſen noch vom Ufer einen Blick auf die
Voͤlker werfen, deren Geſchichte wir durch-
laufen ſind.

I. Nie-
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[43/0047] mern der Nationaldenkart jedes Volks durch- drang: mit der Zeit wurden die Bande immer feſter, endlich ſollte das ganze roͤmiſche Reich gleichſam nur Stadt Rom werden — alle Unterthanen Buͤrger — bis es ſelbſt ſank. Auf keine Weiſe noch von Vortheil oder Nachtheil geredet, allein von Wuͤrkung. Wenn alle Voͤlker unter dem roͤmiſchen Joche gewiſſermaaße die Voͤlker zu ſeyn aufhoͤrten, die ſie waren, und alſo uͤber die ganze Erde eine Staatskunſt, Kriegskunſt und Voͤlker- recht eingefuͤhrt wurde, wovon voraus noch kein Beyſpiel geweſen war: da die Maſchiene ſtand, und da die Maſchiene fiel, und da die Truͤmmern alle Nationen der roͤmiſchen Erde bedeckten — giebts in aller Geſchichte der Jahrhunderte einen groͤßern Anblick! Alle Nationen von- oder auf dieſen Truͤmmern bau- end! Voͤllig neue Welt von Sprachen, Sit- ten, Neigungen und Voͤlkern — es beginnet eine andre Zeit — Anblick, wie aufs weite offenbare Meer neuer Nationen. — Laſſet uns indeſſen noch vom Ufer einen Blick auf die Voͤlker werfen, deren Geſchichte wir durch- laufen ſind. I. Nie-

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Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774/47>, abgerufen am 21.11.2024.