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[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774.

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che so viel Gräuel, Jrrthümer, Abge-
schmacktheiten
und Lästerungen vorhergehen,
alle die Jahrhunderte nach Verbesserung rin-
gen, schreyen
und streben mußten, ehe eure Re-
formation,
oder lichte, hellglänzende Deis-
mus
entstehen konnte. Die üble Staats-
kunst
mußte das Rad all ihrer Uebel und Ab-
scheulichkeiten durchlaufen, eh unsre "Staats-
kunst"
im ganzen Umfange des Worts, er-
scheinen durfte, wie die Morgensonne aus Nacht
und Nebel. -- Noch immer also schönes Ge-
mälde, Ordnung und Fortgang der Natur,
und du glänzender Philosoph ja allem auf
den Schultern!

Aber kein Ding im ganzen Reiche Gottes
kann ich mich doch überreden! ist allein Mit-
tel -- alles Mittel und Zweck zugleich, und
so gewiß auch diese Jahrhunderte. War die
Blüthe des Zeitgeistes, "der Rittersinn," an
sich schon ein Produkt der ganzen Vergan-
genheit, in der gediegenen Form des Nord-
lands:
war die Mischung von Begriffen der
Ehre
und der Liebe und der Treue und An-
dacht
und Tapferkeit und Keuschheit, die
jetzt Jdeal war, voraus unerhört gewesen;
siehe damit, gegen die alte Welt gehalten,

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che ſo viel Graͤuel, Jrrthuͤmer, Abge-
ſchmacktheiten
und Laͤſterungen vorhergehen,
alle die Jahrhunderte nach Verbeſſerung rin-
gen, ſchreyen
und ſtreben mußten, ehe eure Re-
formation,
oder lichte, hellglaͤnzende Deiſ-
mus
entſtehen konnte. Die uͤble Staats-
kunſt
mußte das Rad all ihrer Uebel und Ab-
ſcheulichkeiten durchlaufen, eh unſre „Staats-
kunſt„
im ganzen Umfange des Worts, er-
ſcheinen durfte, wie die Morgenſonne aus Nacht
und Nebel. — Noch immer alſo ſchoͤnes Ge-
maͤlde, Ordnung und Fortgang der Natur,
und du glaͤnzender Philoſoph ja allem auf
den Schultern!

Aber kein Ding im ganzen Reiche Gottes
kann ich mich doch uͤberreden! iſt allein Mit-
tel — alles Mittel und Zweck zugleich, und
ſo gewiß auch dieſe Jahrhunderte. War die
Bluͤthe des Zeitgeiſtes, „der Ritterſinn,„ an
ſich ſchon ein Produkt der ganzen Vergan-
genheit, in der gediegenen Form des Nord-
lands:
war die Miſchung von Begriffen der
Ehre
und der Liebe und der Treue und An-
dacht
und Tapferkeit und Keuſchheit, die
jetzt Jdeal war, voraus unerhoͤrt geweſen;
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[87/0091] che ſo viel Graͤuel, Jrrthuͤmer, Abge- ſchmacktheiten und Laͤſterungen vorhergehen, alle die Jahrhunderte nach Verbeſſerung rin- gen, ſchreyen und ſtreben mußten, ehe eure Re- formation, oder lichte, hellglaͤnzende Deiſ- mus entſtehen konnte. Die uͤble Staats- kunſt mußte das Rad all ihrer Uebel und Ab- ſcheulichkeiten durchlaufen, eh unſre „Staats- kunſt„ im ganzen Umfange des Worts, er- ſcheinen durfte, wie die Morgenſonne aus Nacht und Nebel. — Noch immer alſo ſchoͤnes Ge- maͤlde, Ordnung und Fortgang der Natur, und du glaͤnzender Philoſoph ja allem auf den Schultern! Aber kein Ding im ganzen Reiche Gottes kann ich mich doch uͤberreden! iſt allein Mit- tel — alles Mittel und Zweck zugleich, und ſo gewiß auch dieſe Jahrhunderte. War die Bluͤthe des Zeitgeiſtes, „der Ritterſinn,„ an ſich ſchon ein Produkt der ganzen Vergan- genheit, in der gediegenen Form des Nord- lands: war die Miſchung von Begriffen der Ehre und der Liebe und der Treue und An- dacht und Tapferkeit und Keuſchheit, die jetzt Jdeal war, voraus unerhoͤrt geweſen; ſiehe damit, gegen die alte Welt gehalten, da F 4

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Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774/91>, abgerufen am 24.11.2024.