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[Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778.

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leichter zu fassen, zu sammlen, zu ordnen wäre,
und zugleich so viel Mannichfaltigkeit und Ver-
schiedenheit darböte, als das schöne Zusammen-
stralen und Abwechseln
der Stirn
und der Augen,
der Nase
und der Wangen,
des Mundes

endlich, der auf dem Kinne ruhet. Eins unter-
stützt, hebt, trägt das andre, fast wirds dem ta-
stenden Gefühle schon, was es durchs Licht dem
Auge so unendlich mehr ist, Antlitz. Offenbar
nach eben dem Bau und den Gliedern derselben
Verhältniß ist der ganze Körper gebildet: daher
die Wilden sich abermals auf Brust und Knie
ein Menschenantlitz mahlen. Die beiden War-
zen der Brust über dem Nabel, der Unterleib
über den Füßen, wie die Brust unter den Fittigen
der Arme, sind Ein Verhältniß: jedes gehört zum
andern, als Eins oder Paar, und spricht zu und
mit ihm, was es sprechen soll. Die Anzahl und
Bildung der Finger, die wir aus einem halben
Kreise geschnitten, in einer Ordnung, die nicht
vermehrt und vermindert, nicht versetzt noch ver-
stümmelt werden kann, dastehn, bestätigt dasselbe;
kurz, überall eine einfache und harmonische Weis-
heit, die in und für uns gefühlt, gemessen, geord-

net,

leichter zu faſſen, zu ſammlen, zu ordnen waͤre,
und zugleich ſo viel Mannichfaltigkeit und Ver-
ſchiedenheit darboͤte, als das ſchoͤne Zuſammen-
ſtralen und Abwechſeln
der Stirn
und der Augen,
der Naſe
und der Wangen,
des Mundes

endlich, der auf dem Kinne ruhet. Eins unter-
ſtuͤtzt, hebt, traͤgt das andre, faſt wirds dem ta-
ſtenden Gefuͤhle ſchon, was es durchs Licht dem
Auge ſo unendlich mehr iſt, Antlitz. Offenbar
nach eben dem Bau und den Gliedern derſelben
Verhaͤltniß iſt der ganze Koͤrper gebildet: daher
die Wilden ſich abermals auf Bruſt und Knie
ein Menſchenantlitz mahlen. Die beiden War-
zen der Bruſt uͤber dem Nabel, der Unterleib
uͤber den Fuͤßen, wie die Bruſt unter den Fittigen
der Arme, ſind Ein Verhaͤltniß: jedes gehoͤrt zum
andern, als Eins oder Paar, und ſpricht zu und
mit ihm, was es ſprechen ſoll. Die Anzahl und
Bildung der Finger, die wir aus einem halben
Kreiſe geſchnitten, in einer Ordnung, die nicht
vermehrt und vermindert, nicht verſetzt noch ver-
ſtuͤmmelt werden kann, daſtehn, beſtaͤtigt daſſelbe;
kurz, uͤberall eine einfache und harmoniſche Weis-
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[111/0114] leichter zu faſſen, zu ſammlen, zu ordnen waͤre, und zugleich ſo viel Mannichfaltigkeit und Ver- ſchiedenheit darboͤte, als das ſchoͤne Zuſammen- ſtralen und Abwechſeln der Stirn und der Augen, der Naſe und der Wangen, des Mundes endlich, der auf dem Kinne ruhet. Eins unter- ſtuͤtzt, hebt, traͤgt das andre, faſt wirds dem ta- ſtenden Gefuͤhle ſchon, was es durchs Licht dem Auge ſo unendlich mehr iſt, Antlitz. Offenbar nach eben dem Bau und den Gliedern derſelben Verhaͤltniß iſt der ganze Koͤrper gebildet: daher die Wilden ſich abermals auf Bruſt und Knie ein Menſchenantlitz mahlen. Die beiden War- zen der Bruſt uͤber dem Nabel, der Unterleib uͤber den Fuͤßen, wie die Bruſt unter den Fittigen der Arme, ſind Ein Verhaͤltniß: jedes gehoͤrt zum andern, als Eins oder Paar, und ſpricht zu und mit ihm, was es ſprechen ſoll. Die Anzahl und Bildung der Finger, die wir aus einem halben Kreiſe geſchnitten, in einer Ordnung, die nicht vermehrt und vermindert, nicht verſetzt noch ver- ſtuͤmmelt werden kann, daſtehn, beſtaͤtigt daſſelbe; kurz, uͤberall eine einfache und harmoniſche Weis- heit, die in und fuͤr uns gefuͤhlt, gemeſſen, geord- net,

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Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_plastik_1778/114>, abgerufen am 23.11.2024.