[Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778.Mögen andre Künste dies bemerken und inson- Die bildende Natur hasset Abstracta: sie Wenn
Moͤgen andre Kuͤnſte dies bemerken und inſon- Die bildende Natur haſſet Abſtracta: ſie Wenn
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0133" n="130"/> Moͤgen andre Kuͤnſte dies bemerken und inſon-<lb/> derheit der <hi rendition="#fr">Hauch</hi>, die <hi rendition="#fr">Rede</hi>, den fluͤchtigen<lb/> Schmetterling von Witz und Abſtraktion ha-<lb/> ſchen; die <hi rendition="#fr">Statue</hi> iſt dazu zu <hi rendition="#fr">Wahr</hi>, zu <hi rendition="#fr">Ganz</hi>,<lb/> zu ſehr <hi rendition="#fr">Eins</hi>, zu <hi rendition="#fr">Heilig</hi>.</p><lb/> <p>Die bildende Natur haſſet Abſtracta: ſie<lb/> gab nie Einem Alles und jedem das Seinige<lb/> auf die <hi rendition="#fr"><choice><sic>ſeineſte</sic><corr>feineſte</corr></choice></hi> Weiſe. Die bildende Kunſt,<lb/> die ihr nacheifert, muß es auch thun, oder ſie<lb/> iſt ihres Namens nicht werth. Sie bildet nicht<lb/> Abſtrakta, ſondern <hi rendition="#fr">Perſonen</hi>; jetzt <hi rendition="#fr">die</hi> Per-<lb/> ſon, in <hi rendition="#fr">dem</hi> Charakter, und <hi rendition="#fr">den</hi> Charakter in<lb/><hi rendition="#fr">jedem</hi> Gliede und in Ort und <hi rendition="#fr">Stellung</hi> als ob<lb/> ſie nur der Zauberſtab beruͤhrt und lebend in<lb/> Stein geſenkt haͤtte. Es iſt nicht die abſtrakte<lb/><hi rendition="#fr">Liebe</hi>, die daſteht, ſondern der <hi rendition="#fr">Gott</hi>, die<lb/><hi rendition="#fr">Goͤttin</hi> der Liebe: nicht die Frau <hi rendition="#fr">Gottheit</hi> und<lb/> die Jungfrau <hi rendition="#fr">Tugend</hi>, ſondern <hi rendition="#fr">Minerva,<lb/> Juno, Venus, Apollo</hi> und wie die <hi rendition="#fr">hoͤchſtbe-<lb/> ſtimmten</hi> Namen, Gebilde und Perſonen fer-<lb/> ner lauten. Dem muͤßigen Kopf, der den Red-<lb/> ner, den Dichter, den Mahler allegoriſirt, kann<lb/> ichs vergeben; der mir aber hier bei der Bild-<lb/> ſaͤule, wo im hoͤchſten Grad alles <hi rendition="#fr">ſubſtanziell,<lb/> wahr</hi> und <hi rendition="#fr">beſtimmt</hi> iſt, Fledermaͤuſe haſcht,<lb/> die nicht Kunſt ſind noch Dichtkunſt, weder<lb/> Seele noch Koͤrper; dem mags von den allego-<lb/> riſirten Goͤttern ſelbſt vergeben werden.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Wenn</fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [130/0133]
Moͤgen andre Kuͤnſte dies bemerken und inſon-
derheit der Hauch, die Rede, den fluͤchtigen
Schmetterling von Witz und Abſtraktion ha-
ſchen; die Statue iſt dazu zu Wahr, zu Ganz,
zu ſehr Eins, zu Heilig.
Die bildende Natur haſſet Abſtracta: ſie
gab nie Einem Alles und jedem das Seinige
auf die feineſte Weiſe. Die bildende Kunſt,
die ihr nacheifert, muß es auch thun, oder ſie
iſt ihres Namens nicht werth. Sie bildet nicht
Abſtrakta, ſondern Perſonen; jetzt die Per-
ſon, in dem Charakter, und den Charakter in
jedem Gliede und in Ort und Stellung als ob
ſie nur der Zauberſtab beruͤhrt und lebend in
Stein geſenkt haͤtte. Es iſt nicht die abſtrakte
Liebe, die daſteht, ſondern der Gott, die
Goͤttin der Liebe: nicht die Frau Gottheit und
die Jungfrau Tugend, ſondern Minerva,
Juno, Venus, Apollo und wie die hoͤchſtbe-
ſtimmten Namen, Gebilde und Perſonen fer-
ner lauten. Dem muͤßigen Kopf, der den Red-
ner, den Dichter, den Mahler allegoriſirt, kann
ichs vergeben; der mir aber hier bei der Bild-
ſaͤule, wo im hoͤchſten Grad alles ſubſtanziell,
wahr und beſtimmt iſt, Fledermaͤuſe haſcht,
die nicht Kunſt ſind noch Dichtkunſt, weder
Seele noch Koͤrper; dem mags von den allego-
riſirten Goͤttern ſelbſt vergeben werden.
Wenn
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |