den Riesen stehende mittlere Mensch etwas kleiner erschiene als der gleich große bei den Zwergen stehende; undenkbar aber ist es, daß dieser scheinbare Größenunterschied der beiden gleich großen mittleren Menschen größer werden könne, als der wirk- liche Größenunterschied zwischen den Riesen und Zwergen selbst, und daß also der neben den Zwergen stehende mittlere Mensch im Contraste zu diesen noch größer erscheinen könne als die nicht weit davon befindlichen Riesen, und der neben letzteren stehende mittlere Mensch noch kleiner als die Zwerge. Vom Standpunkte der psychologischen Theorie ist es durchaus ge- stattet, diese Parallele zwischen Größencontrasten und Hellig- keitscontrasten zu ziehen, denn jene Theorie erklärt ja beide aus demselben psychologischen Gesetze.
Vollends aber wird der psychologischen Erklärung aller Boden durch folgende Thatsache entzogen.
Wenn die Lebhaftigkeit des Nachbildes schon etwas nach- gelassen hat, tritt ein- oder mehrmal eine Phase desselben ein, bei welcher die Helligkeitsdifferenz der Grundhälften ganz ver- schwindet, doch aber die beiden Streifennachbilder ganz deutlich erscheinen, und zwar das eine heller und das andere dunkler als der rechts und links gleichhelle Grund. Hier kann also von Contrastwirkung überhaupt nicht mehr die Rede sein, weil die conditio sine qua non derselben, nämlich die verschiedene Helligkeit des Grundes gar nicht mehr vorhanden ist.
Dies beweist nun, daß die verschiedene Helligkeit der Streifennachbilder ihren Grund in einem verschiedenen Erre- gungszustande der entsprechenden Netzhautstellen haben muß, und hieraus folgt wieder, daß diese beiden Netzhautstellen auch während der Betrachtung des Vorbildes verschieden erregt wur- den; denn die verschiedene Nachwirkung fordert hier auch eine verschiedene Vorwirkung, und es wäre durchaus nicht einzu- sehen, warum die beiden Netzhautstellen, wenn sie durch das Vorbild ganz gleich erregt worden wären, im Nachbilde eine so verschiedene Erregung und zwar in ganz gesetzmäßiger Weise zeigen sollten. Somit kommen wir schließlich zu dem Ergebniß, daß im Vorbilde die objectiv gleichen Streifen des- halb verschieden hell erscheinen, weil die beiden
den Riesen stehende mittlere Mensch etwas kleiner erschiene als der gleich große bei den Zwergen stehende; undenkbar aber ist es, daß dieser scheinbare Größenunterschied der beiden gleich großen mittleren Menschen größer werden könne, als der wirk- liche Größenunterschied zwischen den Riesen und Zwergen selbst, und daß also der neben den Zwergen stehende mittlere Mensch im Contraste zu diesen noch größer erscheinen könne als die nicht weit davon befindlichen Riesen, und der neben letzteren stehende mittlere Mensch noch kleiner als die Zwerge. Vom Standpunkte der psychologischen Theorie ist es durchaus ge- stattet, diese Parallele zwischen Größencontrasten und Hellig- keitscontrasten zu ziehen, denn jene Theorie erklärt ja beide aus demselben psychologischen Gesetze.
Vollends aber wird der psychologischen Erklärung aller Boden durch folgende Thatsache entzogen.
Wenn die Lebhaftigkeit des Nachbildes schon etwas nach- gelassen hat, tritt ein- oder mehrmal eine Phase desselben ein, bei welcher die Helligkeitsdifferenz der Grundhälften ganz ver- schwindet, doch aber die beiden Streifennachbilder ganz deutlich erscheinen, und zwar das eine heller und das andere dunkler als der rechts und links gleichhelle Grund. Hier kann also von Contrastwirkung überhaupt nicht mehr die Rede sein, weil die conditio sine qua non derselben, nämlich die verschiedene Helligkeit des Grundes gar nicht mehr vorhanden ist.
Dies beweist nun, daß die verschiedene Helligkeit der Streifennachbilder ihren Grund in einem verschiedenen Erre- gungszustande der entsprechenden Netzhautstellen haben muß, und hieraus folgt wieder, daß diese beiden Netzhautstellen auch während der Betrachtung des Vorbildes verschieden erregt wur- den; denn die verschiedene Nachwirkung fordert hier auch eine verschiedene Vorwirkung, und es wäre durchaus nicht einzu- sehen, warum die beiden Netzhautstellen, wenn sie durch das Vorbild ganz gleich erregt worden wären, im Nachbilde eine so verschiedene Erregung und zwar in ganz gesetzmäßiger Weise zeigen sollten. Somit kommen wir schließlich zu dem Ergebniß, daß im Vorbilde die objectiv gleichen Streifen des- halb verschieden hell erscheinen, weil die beiden
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den Riesen stehende mittlere Mensch etwas kleiner erschiene als
der gleich große bei den Zwergen stehende; undenkbar aber ist
es, daß dieser scheinbare Größenunterschied der beiden gleich
großen mittleren Menschen größer werden könne, als der wirk-
liche Größenunterschied zwischen den Riesen und Zwergen selbst,
und daß also der neben den Zwergen stehende mittlere Mensch
im Contraste zu diesen noch größer erscheinen könne als die
nicht weit davon befindlichen Riesen, und der neben letzteren
stehende mittlere Mensch noch kleiner als die Zwerge. Vom
Standpunkte der psychologischen Theorie ist es durchaus ge-
stattet, diese Parallele zwischen Größencontrasten und Hellig-
keitscontrasten zu ziehen, denn jene Theorie erklärt ja beide aus
demselben psychologischen Gesetze.
Vollends aber wird der psychologischen Erklärung aller
Boden durch folgende Thatsache entzogen.
Wenn die Lebhaftigkeit des Nachbildes schon etwas nach-
gelassen hat, tritt ein- oder mehrmal eine Phase desselben ein,
bei welcher die Helligkeitsdifferenz der Grundhälften ganz ver-
schwindet, doch aber die beiden Streifennachbilder ganz deutlich
erscheinen, und zwar das eine heller und das andere
dunkler als der rechts und links gleichhelle Grund.
Hier kann also von Contrastwirkung überhaupt nicht
mehr die Rede sein, weil die conditio sine qua non
derselben, nämlich die verschiedene Helligkeit des
Grundes gar nicht mehr vorhanden ist.
Dies beweist nun, daß die verschiedene Helligkeit der
Streifennachbilder ihren Grund in einem verschiedenen Erre-
gungszustande der entsprechenden Netzhautstellen haben muß,
und hieraus folgt wieder, daß diese beiden Netzhautstellen auch
während der Betrachtung des Vorbildes verschieden erregt wur-
den; denn die verschiedene Nachwirkung fordert hier auch eine
verschiedene Vorwirkung, und es wäre durchaus nicht einzu-
sehen, warum die beiden Netzhautstellen, wenn sie durch das
Vorbild ganz gleich erregt worden wären, im Nachbilde eine
so verschiedene Erregung und zwar in ganz gesetzmäßiger Weise
zeigen sollten. Somit kommen wir schließlich zu dem Ergebniß,
daß im Vorbilde die objectiv gleichen Streifen des-
halb verschieden hell erscheinen, weil die beiden
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Aus pragmatischen Gründen wurde für das DTA die z… [mehr]
Aus pragmatischen Gründen wurde für das DTA die zweite, unveränderte Auflage von 1878 zugrunde gelegt. Diese enthält Herings insgesamt sechs zwischen 1872 und 1876 erschienenen "Mittheilungen" "Zur Lehre vom Lichtsinne" aus den Sitzungsberichten der Akademie der Wissenschaften in Wien, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse.
Hering, Ewald: Zur Lehre vom Lichtsinne. Zweiter, unveränderter Abdruck. Wien, 1878, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hering_lichtsinn_1878/35>, abgerufen am 16.07.2024.
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