Hering, Ewald: Zur Lehre vom Lichtsinne. Zweiter, unveränderter Abdruck. Wien, 1878.dingungen anzugeben, unter welchen man diese reinsten Empfin- Theoretisch genommen, muß es ein Grau geben, welches dingungen anzugeben, unter welchen man diese reinsten Empfin- Theoretisch genommen, muß es ein Grau geben, welches <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0066" n="58"/> dingungen anzugeben, unter welchen man diese reinsten Empfin-<lb/> dungen wirklich hat. Scharfe reale Grenzen für die schwarz-<lb/> weiße Empfindungsreihe gibt es also nicht, ebensowenig wie man<lb/> beim süßesten Geschmacke wissen kann, ob nicht vielleicht ein<lb/> noch süßerer möglich wäre.</p><lb/> <p>Theoretisch genommen, muß es ein Grau geben, welches<lb/> von dem idealen, absolut reinen Schwarz und Weiß gleichweit<lb/> entfernt ist, mit beiden gleich sehr verwandt erscheint, vom einen<lb/> ebensoviel enthält als vom andern. Dies ist denknothwendig.<lb/> Wir könnten dieses Grau als das mittlere oder neutrale Grau be-<lb/> zeichnen, als ein Grau von gleicher Helligkeit und Dunkelheit.<lb/> Auch ist ersichtlich, <hi rendition="#g">daß</hi> ein solches Grau wirklich unter unsern<lb/> Empfindungen vorkommen muß und daß es nicht wie das ab-<lb/> solut reine Schwarz oder Weiß nur gedacht werden kann. Frei-<lb/> lich aufzeigbar ist dieses bestimmte Grau vor der Hand noch<lb/> nicht, und wir können vorerst noch nicht die Bedingungen an-<lb/> geben, unter welchen die Empfindung gerade von diesem Grau<lb/> entstehen muß, ebensowenig wie man genau dasjenige Mischungs-<lb/> verhältniß eines süßen und eines sauren Stoffes angeben kann,<lb/> bei welchem der saure Geschmack gerade ebenso stark ist als<lb/> der süße. Aber dieses unser Unvermögen der genauen Bestim-<lb/> mung des Grades der Reinheit, oder, wenn man so will, des<lb/> Mischungsverhältnisses der Empfindungen beweist nichts gegen<lb/> das wirkliche Vorkommen solcher Empfindungen, in welchen Süß<lb/> und Sauer oder Schwarz und Weiß gleich deutlich oder undeut-<lb/> lich enthalten sind. Denn der rein saure Geschmack läßt sich<lb/> durch stetige <choice><sic>Verändernng</sic><corr>Veränderung</corr></choice> des Verhältnisses, in welchem man<lb/> Süßes und Saures mischt, mehr und mehr in einen erst süßlich<lb/> sauren, dann säuerlichsüßen und endlich rein süßen überführen,<lb/> womit schon gesagt ist, daß es eine Mittelstufe geben muß,<lb/> auf welcher Süß und Sauer gleich stark in der Empfindung ent-<lb/> halten sind, wenn wir auch diese Stufe nicht genau, sondern<lb/> nur annähernd zu bestimmen vermögen. So gibt es auch schwarz-<lb/> weiße Empfindungen, von welchen jeder sofort sagen wird, daß<lb/> sie dem Schwarzen näher stehen als dem Weißen, und andere,<lb/> von denen Jeder meint, daß sie dem Weißen näher verwandt<lb/> sind als dem Schwarzen, und hieraus folgt, daß es auch eine<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [58/0066]
dingungen anzugeben, unter welchen man diese reinsten Empfin-
dungen wirklich hat. Scharfe reale Grenzen für die schwarz-
weiße Empfindungsreihe gibt es also nicht, ebensowenig wie man
beim süßesten Geschmacke wissen kann, ob nicht vielleicht ein
noch süßerer möglich wäre.
Theoretisch genommen, muß es ein Grau geben, welches
von dem idealen, absolut reinen Schwarz und Weiß gleichweit
entfernt ist, mit beiden gleich sehr verwandt erscheint, vom einen
ebensoviel enthält als vom andern. Dies ist denknothwendig.
Wir könnten dieses Grau als das mittlere oder neutrale Grau be-
zeichnen, als ein Grau von gleicher Helligkeit und Dunkelheit.
Auch ist ersichtlich, daß ein solches Grau wirklich unter unsern
Empfindungen vorkommen muß und daß es nicht wie das ab-
solut reine Schwarz oder Weiß nur gedacht werden kann. Frei-
lich aufzeigbar ist dieses bestimmte Grau vor der Hand noch
nicht, und wir können vorerst noch nicht die Bedingungen an-
geben, unter welchen die Empfindung gerade von diesem Grau
entstehen muß, ebensowenig wie man genau dasjenige Mischungs-
verhältniß eines süßen und eines sauren Stoffes angeben kann,
bei welchem der saure Geschmack gerade ebenso stark ist als
der süße. Aber dieses unser Unvermögen der genauen Bestim-
mung des Grades der Reinheit, oder, wenn man so will, des
Mischungsverhältnisses der Empfindungen beweist nichts gegen
das wirkliche Vorkommen solcher Empfindungen, in welchen Süß
und Sauer oder Schwarz und Weiß gleich deutlich oder undeut-
lich enthalten sind. Denn der rein saure Geschmack läßt sich
durch stetige Veränderung des Verhältnisses, in welchem man
Süßes und Saures mischt, mehr und mehr in einen erst süßlich
sauren, dann säuerlichsüßen und endlich rein süßen überführen,
womit schon gesagt ist, daß es eine Mittelstufe geben muß,
auf welcher Süß und Sauer gleich stark in der Empfindung ent-
halten sind, wenn wir auch diese Stufe nicht genau, sondern
nur annähernd zu bestimmen vermögen. So gibt es auch schwarz-
weiße Empfindungen, von welchen jeder sofort sagen wird, daß
sie dem Schwarzen näher stehen als dem Weißen, und andere,
von denen Jeder meint, daß sie dem Weißen näher verwandt
sind als dem Schwarzen, und hieraus folgt, daß es auch eine
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