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[Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 1. Zürich u. a., 1841.

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Ich möchte hingehn wie der Thau im Thal,
Wenn durstig ihm des Morgens Feuer winken;
O wollte Gott, wie ihn der Sonnenstrahl,
Auch meine lebensmüde Seele trinken!
Ich möchte hingehn wie der bange Ton,
Der aus den Saiten einer Harfe dringet,
Und, kaum dem irdischen Metall entflohn,
Ein Wohllaut in des Schöpfers Brust verklinget.
Du wirst nicht hingehn wie das Abendrot,
Du wirst nicht stille wie der Stern versinken,
Du stirbst nicht einer Blume leichten Tod,
Kein Morgenstrahl wird Deine Seele trinken.
Wohl wirst Du hingehn, hingehn ohne Spur,
Doch wird das Elend Deine Kraft erst schwächen,
Sanft stirbt es einzig sich in der Natur,
Das arme Menschenherz muß stückweis brechen.
Ich möchte hingehn wie der Thau im Thal,
Wenn durſtig ihm des Morgens Feuer winken;
O wollte Gott, wie ihn der Sonnenſtrahl,
Auch meine lebensmüde Seele trinken!
Ich möchte hingehn wie der bange Ton,
Der aus den Saiten einer Harfe dringet,
Und, kaum dem irdiſchen Metall entflohn,
Ein Wohllaut in des Schöpfers Bruſt verklinget.
Du wirſt nicht hingehn wie das Abendrot,
Du wirſt nicht ſtille wie der Stern verſinken,
Du ſtirbſt nicht einer Blume leichten Tod,
Kein Morgenſtrahl wird Deine Seele trinken.
Wohl wirſt Du hingehn, hingehn ohne Spur,
Doch wird das Elend Deine Kraft erſt ſchwächen,
Sanft ſtirbt es einzig ſich in der Natur,
Das arme Menſchenherz muß ſtückweis brechen.
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[101/0107] Ich möchte hingehn wie der Thau im Thal, Wenn durſtig ihm des Morgens Feuer winken; O wollte Gott, wie ihn der Sonnenſtrahl, Auch meine lebensmüde Seele trinken! Ich möchte hingehn wie der bange Ton, Der aus den Saiten einer Harfe dringet, Und, kaum dem irdiſchen Metall entflohn, Ein Wohllaut in des Schöpfers Bruſt verklinget. Du wirſt nicht hingehn wie das Abendrot, Du wirſt nicht ſtille wie der Stern verſinken, Du ſtirbſt nicht einer Blume leichten Tod, Kein Morgenſtrahl wird Deine Seele trinken. Wohl wirſt Du hingehn, hingehn ohne Spur, Doch wird das Elend Deine Kraft erſt ſchwächen, Sanft ſtirbt es einzig ſich in der Natur, Das arme Menſchenherz muß ſtückweis brechen.

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Zitationshilfe: [Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 1. Zürich u. a., 1841, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herwegh_gedichte01_1841/107>, abgerufen am 22.12.2024.