Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 1. Zürich u. a., 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

Da wird der Fürst von jähem Schlag getroffen;
Der Jugend fehlt ein Führer in die Schlacht,
Um einen Frühling ist die Welt gebracht;
Die Glocke, die im Sturm so rein geklungen,
Ist, da sie Frieden lauten wollt', zersprungen.

Wer weint mit mir? Nein, -- Ihr begreift es nicht,
Wie zehnfach stets das Herz des Dichters bricht,
Wie blutend, gleich der Sonne, nur sich reißt
Von dieser Erde -- stets ein Dichtergeist,
Wie immer, wo er von dem Leib sich löste;
Sein eigner Schmerz beim Scheiden war der größte.
Ein Scepter kann man ruhig fallen sehn,
Wenn einmal nur mit ihm die Hand gespielt,
Von einem Weibe kann man lächelnd gehn,
Wenn man's nur einmal in den Armen hielt;
Der Todesstunde Qual sind jene Schemen,
Die wir mit uns in unsre Grube nehmen,
Die Geister, die am Sterbebette stehn,
Und uns um Leben und Gestaltung flehn,
Die schon die junge Morgenröte wittern
Und ihrem Werden bang entgegen zittern,

Da wird der Fürſt von jähem Schlag getroffen;
Der Jugend fehlt ein Führer in die Schlacht,
Um einen Frühling iſt die Welt gebracht;
Die Glocke, die im Sturm ſo rein geklungen,
Iſt, da ſie Frieden lauten wollt', zerſprungen.

Wer weint mit mir? Nein, — Ihr begreift es nicht,
Wie zehnfach ſtets das Herz des Dichters bricht,
Wie blutend, gleich der Sonne, nur ſich reißt
Von dieſer Erde — ſtets ein Dichtergeiſt,
Wie immer, wo er von dem Leib ſich löſte;
Sein eigner Schmerz beim Scheiden war der größte.
Ein Scepter kann man ruhig fallen ſehn,
Wenn einmal nur mit ihm die Hand geſpielt,
Von einem Weibe kann man lächelnd gehn,
Wenn man's nur einmal in den Armen hielt;
Der Todesſtunde Qual ſind jene Schemen,
Die wir mit uns in unſre Grube nehmen,
Die Geiſter, die am Sterbebette ſtehn,
Und uns um Leben und Geſtaltung flehn,
Die ſchon die junge Morgenröte wittern
Und ihrem Werden bang entgegen zittern,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="2">
              <pb facs="#f0192" n="186"/>
              <l>Da wird der Für&#x017F;t von jähem Schlag getroffen;</l><lb/>
              <l>Der Jugend fehlt ein Führer in die Schlacht,</l><lb/>
              <l>Um einen Frühling i&#x017F;t die Welt gebracht;</l><lb/>
              <l>Die Glocke, die im Sturm &#x017F;o rein geklungen,</l><lb/>
              <l>I&#x017F;t, da &#x017F;ie Frieden lauten wollt', zer&#x017F;prungen.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l>Wer weint mit mir? Nein, &#x2014; Ihr begreift es nicht,</l><lb/>
              <l>Wie zehnfach &#x017F;tets das Herz des Dichters bricht,</l><lb/>
              <l>Wie blutend, gleich der Sonne, nur &#x017F;ich reißt</l><lb/>
              <l>Von die&#x017F;er Erde &#x2014; &#x017F;tets ein Dichtergei&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>Wie immer, wo er von dem Leib &#x017F;ich lö&#x017F;te;</l><lb/>
              <l>Sein eigner Schmerz beim Scheiden war der größte.</l><lb/>
              <l>Ein Scepter kann man ruhig fallen &#x017F;ehn,</l><lb/>
              <l>Wenn einmal nur mit ihm die Hand ge&#x017F;pielt,</l><lb/>
              <l>Von einem Weibe kann man lächelnd gehn,</l><lb/>
              <l>Wenn man's nur einmal in den Armen hielt;</l><lb/>
              <l>Der Todes&#x017F;tunde Qual &#x017F;ind jene Schemen,</l><lb/>
              <l>Die wir mit uns in un&#x017F;re Grube nehmen,</l><lb/>
              <l>Die Gei&#x017F;ter, die am Sterbebette &#x017F;tehn,</l><lb/>
              <l>Und uns um Leben und Ge&#x017F;taltung flehn,</l><lb/>
              <l>Die &#x017F;chon die junge Morgenröte wittern</l><lb/>
              <l>Und ihrem Werden bang entgegen zittern,</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[186/0192] Da wird der Fürſt von jähem Schlag getroffen; Der Jugend fehlt ein Führer in die Schlacht, Um einen Frühling iſt die Welt gebracht; Die Glocke, die im Sturm ſo rein geklungen, Iſt, da ſie Frieden lauten wollt', zerſprungen. Wer weint mit mir? Nein, — Ihr begreift es nicht, Wie zehnfach ſtets das Herz des Dichters bricht, Wie blutend, gleich der Sonne, nur ſich reißt Von dieſer Erde — ſtets ein Dichtergeiſt, Wie immer, wo er von dem Leib ſich löſte; Sein eigner Schmerz beim Scheiden war der größte. Ein Scepter kann man ruhig fallen ſehn, Wenn einmal nur mit ihm die Hand geſpielt, Von einem Weibe kann man lächelnd gehn, Wenn man's nur einmal in den Armen hielt; Der Todesſtunde Qual ſind jene Schemen, Die wir mit uns in unſre Grube nehmen, Die Geiſter, die am Sterbebette ſtehn, Und uns um Leben und Geſtaltung flehn, Die ſchon die junge Morgenröte wittern Und ihrem Werden bang entgegen zittern,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herwegh_gedichte01_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herwegh_gedichte01_1841/192
Zitationshilfe: [Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 1. Zürich u. a., 1841, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herwegh_gedichte01_1841/192>, abgerufen am 22.12.2024.