Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 1. Zürich u. a., 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

Und seine Träume müssen Träume bleiben;
Ein unvollendet Lied sinkt er in's Grab,
Der Verse schönsten nimmt er mit hinab.

Du flammst nun wieder nach durchbrochner Schranke
In Gottes Haubt ein leuchtender Gedanke;
Am kalten Herde sitzen wir allein,
Und weinen in die Asche still hinein.
O, mein Jahrhundert, sammle sie geschwind, --
Er war ein Held, und mehr: Er war Dein Kind!
An Deiner Brust hast Du ihn aufgesäugt,
Dein Banner einzig hat er ja geschwenkt;
Vor Dir allein hat er sein Knie gebeugt,
Vor Dir, vor Dir allein sein Schwert gesenkt;
Für Dich und mit Dir hat er kühn gestritten,
Für Dich und mit Dir hat er treu gelitten;
Um Deinetwillen stieß sein Vaterland
Ihn aus, gleich wie der Mutterborn die Welle,
Daß sie am fremden, freudenlosen Strand
Mit allen Himmeln in der Brust zerschelle.
An fremdem, freudenlosem Strande, ja!
Denn wessen Herz stand hier dem seinen nah?

Und ſeine Träume müſſen Träume bleiben;
Ein unvollendet Lied ſinkt er in's Grab,
Der Verſe ſchönſten nimmt er mit hinab.

Du flammſt nun wieder nach durchbrochner Schranke
In Gottes Haubt ein leuchtender Gedanke;
Am kalten Herde ſitzen wir allein,
Und weinen in die Aſche ſtill hinein.
O, mein Jahrhundert, ſammle ſie geſchwind, —
Er war ein Held, und mehr: Er war Dein Kind!
An Deiner Bruſt haſt Du ihn aufgeſäugt,
Dein Banner einzig hat er ja geſchwenkt;
Vor Dir allein hat er ſein Knie gebeugt,
Vor Dir, vor Dir allein ſein Schwert geſenkt;
Für Dich und mit Dir hat er kühn geſtritten,
Für Dich und mit Dir hat er treu gelitten;
Um Deinetwillen ſtieß ſein Vaterland
Ihn aus, gleich wie der Mutterborn die Welle,
Daß ſie am fremden, freudenloſen Strand
Mit allen Himmeln in der Bruſt zerſchelle.
An fremdem, freudenloſem Strande, ja!
Denn weſſen Herz ſtand hier dem ſeinen nah?
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="4">
              <pb facs="#f0194" n="188"/>
              <l>Und &#x017F;eine Träume mü&#x017F;&#x017F;en Träume bleiben;</l><lb/>
              <l>Ein unvollendet Lied &#x017F;inkt er in's Grab,</l><lb/>
              <l>Der Ver&#x017F;e &#x017F;chön&#x017F;ten nimmt er mit hinab.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="5">
              <l>Du flamm&#x017F;t nun wieder nach durchbrochner Schranke</l><lb/>
              <l>In Gottes Haubt ein leuchtender Gedanke;</l><lb/>
              <l>Am kalten Herde &#x017F;itzen wir allein,</l><lb/>
              <l>Und weinen in die A&#x017F;che &#x017F;till hinein.</l><lb/>
              <l>O, mein Jahrhundert, &#x017F;ammle &#x017F;ie ge&#x017F;chwind, &#x2014;</l><lb/>
              <l>Er war ein Held, und mehr: Er war Dein Kind!</l><lb/>
              <l>An Deiner Bru&#x017F;t ha&#x017F;t Du ihn aufge&#x017F;äugt,</l><lb/>
              <l>Dein Banner einzig hat er ja ge&#x017F;chwenkt;</l><lb/>
              <l>Vor Dir allein hat er &#x017F;ein Knie gebeugt,</l><lb/>
              <l>Vor Dir, vor Dir allein &#x017F;ein Schwert ge&#x017F;enkt;</l><lb/>
              <l>Für Dich und mit Dir hat er kühn ge&#x017F;tritten,</l><lb/>
              <l>Für Dich und mit Dir hat er treu gelitten;</l><lb/>
              <l>Um Deinetwillen &#x017F;tieß &#x017F;ein Vaterland</l><lb/>
              <l>Ihn aus, gleich wie der Mutterborn die Welle,</l><lb/>
              <l>Daß &#x017F;ie am fremden, freudenlo&#x017F;en Strand</l><lb/>
              <l>Mit allen Himmeln in der Bru&#x017F;t zer&#x017F;chelle.</l><lb/>
              <l>An fremdem, freudenlo&#x017F;em Strande, ja!</l><lb/>
              <l>Denn we&#x017F;&#x017F;en Herz &#x017F;tand hier dem &#x017F;einen nah?</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[188/0194] Und ſeine Träume müſſen Träume bleiben; Ein unvollendet Lied ſinkt er in's Grab, Der Verſe ſchönſten nimmt er mit hinab. Du flammſt nun wieder nach durchbrochner Schranke In Gottes Haubt ein leuchtender Gedanke; Am kalten Herde ſitzen wir allein, Und weinen in die Aſche ſtill hinein. O, mein Jahrhundert, ſammle ſie geſchwind, — Er war ein Held, und mehr: Er war Dein Kind! An Deiner Bruſt haſt Du ihn aufgeſäugt, Dein Banner einzig hat er ja geſchwenkt; Vor Dir allein hat er ſein Knie gebeugt, Vor Dir, vor Dir allein ſein Schwert geſenkt; Für Dich und mit Dir hat er kühn geſtritten, Für Dich und mit Dir hat er treu gelitten; Um Deinetwillen ſtieß ſein Vaterland Ihn aus, gleich wie der Mutterborn die Welle, Daß ſie am fremden, freudenloſen Strand Mit allen Himmeln in der Bruſt zerſchelle. An fremdem, freudenloſem Strande, ja! Denn weſſen Herz ſtand hier dem ſeinen nah?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herwegh_gedichte01_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herwegh_gedichte01_1841/194
Zitationshilfe: [Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 1. Zürich u. a., 1841, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herwegh_gedichte01_1841/194>, abgerufen am 22.12.2024.