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Herzl, Theodor: Der Judenstaat. Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage. Leipzig u. a., 1896.

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Palästina oder Argentinien?

Ist Palästina oder Argentinien vorzuziehen? Die Society
wird nehmen, was man ihr gibt und wofür sich die öffentliche
Meinung des Judenvolkes erklärt. Die Society wird beides
feststellen.

Argentinien ist eines der natürlich reichsten Länder der
Erde, von riesigem Flächeninhalt, mit schwacher Bevölkerung
und gemässigtem Klima. Die argentinische Republik hätte das
grösste Interesse daran, uns ein Stück Territorium abzutreten.
Die jetzige Judeninfiltration hat freilich dort Verstimmung erzeugt;
man müsste Argentinien über die wesentliche Verschiedenheit
der neuen Judenwanderung aufklären.

Palästina ist unsere unvergessliche historische Heimat. Dieser
Name allein wäre ein gewaltig ergreifender Sammelruf für unser
Volk. Wenn Seine Majestät der Sultan uns Palästina gäbe, könnten
wir uns dafür anheischig machen, die Finanzen der Türkei
gänzlich zu regeln. Für Europa würden wir dort ein Stück des
Walles gegen Asien bilden, wir würden den Vorpostendienst
der Cultur gegen die Barbarei besorgen. Wir würden als
neutraler Staat im Zusammenhange bleiben mit ganz Europa,
das unsere Existenz garantiren müsste. Für die heiligen Stätten
der Christenheit liesse sich eine völkerrechtliche Form der
Exterritorialisirung finden. Wir würden die Ehrenwache um die
heiligen Stätten bilden, und mit unserer Existenz für die Erfüllung
dieser Pflicht haften. Diese Ehrenwacht wäre das grosse
Symbol für die Lösung der Judenfrage nach achtzehn für uns
qualvollen Jahrhunderten.



Bedürfniss, Organ, Verkehr.

Im vorletzten Capitel sagte ich: "Die Jewish Company
organisirt im neuen Lande den wirthschaftlichen Verkehr".

Ich glaube, hierzu einige Erläuterungen einschalten zu
sollen. Ein Entwurf, wie der vorliegende, ist in seinen Grundfesten
bedroht, wenn sich die "praktischen" Leute dagegen
aussprechen. Nun sind die praktischen Leute wohl in der Regel
nur Routiniers, unfähig aus einem engen Kreis alter Vorstellungen
herauszutreten. Aber ihr Widerspruch gilt und vermag dem

Palästina oder Argentinien?

Ist Palästina oder Argentinien vorzuziehen? Die Society
wird nehmen, was man ihr gibt und wofür sich die öffentliche
Meinung des Judenvolkes erklärt. Die Society wird beides
feststellen.

Argentinien ist eines der natürlich reichsten Länder der
Erde, von riesigem Flächeninhalt, mit schwacher Bevölkerung
und gemässigtem Klima. Die argentinische Republik hätte das
grösste Interesse daran, uns ein Stück Territorium abzutreten.
Die jetzige Judeninfiltration hat freilich dort Verstimmung erzeugt;
man müsste Argentinien über die wesentliche Verschiedenheit
der neuen Judenwanderung aufklären.

Palästina ist unsere unvergessliche historische Heimat. Dieser
Name allein wäre ein gewaltig ergreifender Sammelruf für unser
Volk. Wenn Seine Majestät der Sultan uns Palästina gäbe, könnten
wir uns dafür anheischig machen, die Finanzen der Türkei
gänzlich zu regeln. Für Europa würden wir dort ein Stück des
Walles gegen Asien bilden, wir würden den Vorpostendienst
der Cultur gegen die Barbarei besorgen. Wir würden als
neutraler Staat im Zusammenhange bleiben mit ganz Europa,
das unsere Existenz garantiren müsste. Für die heiligen Stätten
der Christenheit liesse sich eine völkerrechtliche Form der
Exterritorialisirung finden. Wir würden die Ehrenwache um die
heiligen Stätten bilden, und mit unserer Existenz für die Erfüllung
dieser Pflicht haften. Diese Ehrenwacht wäre das grosse
Symbol für die Lösung der Judenfrage nach achtzehn für uns
qualvollen Jahrhunderten.



Bedürfniss, Organ, Verkehr.

Im vorletzten Capitel sagte ich: „Die Jewish Company
organisirt im neuen Lande den wirthschaftlichen Verkehr“.

Ich glaube, hierzu einige Erläuterungen einschalten zu
sollen. Ein Entwurf, wie der vorliegende, ist in seinen Grundfesten
bedroht, wenn sich die „praktischen“ Leute dagegen
aussprechen. Nun sind die praktischen Leute wohl in der Regel
nur Routiniers, unfähig aus einem engen Kreis alter Vorstellungen
herauszutreten. Aber ihr Widerspruch gilt und vermag dem

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[0029] Palästina oder Argentinien? Ist Palästina oder Argentinien vorzuziehen? Die Society wird nehmen, was man ihr gibt und wofür sich die öffentliche Meinung des Judenvolkes erklärt. Die Society wird beides feststellen. Argentinien ist eines der natürlich reichsten Länder der Erde, von riesigem Flächeninhalt, mit schwacher Bevölkerung und gemässigtem Klima. Die argentinische Republik hätte das grösste Interesse daran, uns ein Stück Territorium abzutreten. Die jetzige Judeninfiltration hat freilich dort Verstimmung erzeugt; man müsste Argentinien über die wesentliche Verschiedenheit der neuen Judenwanderung aufklären. Palästina ist unsere unvergessliche historische Heimat. Dieser Name allein wäre ein gewaltig ergreifender Sammelruf für unser Volk. Wenn Seine Majestät der Sultan uns Palästina gäbe, könnten wir uns dafür anheischig machen, die Finanzen der Türkei gänzlich zu regeln. Für Europa würden wir dort ein Stück des Walles gegen Asien bilden, wir würden den Vorpostendienst der Cultur gegen die Barbarei besorgen. Wir würden als neutraler Staat im Zusammenhange bleiben mit ganz Europa, das unsere Existenz garantiren müsste. Für die heiligen Stätten der Christenheit liesse sich eine völkerrechtliche Form der Exterritorialisirung finden. Wir würden die Ehrenwache um die heiligen Stätten bilden, und mit unserer Existenz für die Erfüllung dieser Pflicht haften. Diese Ehrenwacht wäre das grosse Symbol für die Lösung der Judenfrage nach achtzehn für uns qualvollen Jahrhunderten. Bedürfniss, Organ, Verkehr. Im vorletzten Capitel sagte ich: „Die Jewish Company organisirt im neuen Lande den wirthschaftlichen Verkehr“. Ich glaube, hierzu einige Erläuterungen einschalten zu sollen. Ein Entwurf, wie der vorliegende, ist in seinen Grundfesten bedroht, wenn sich die „praktischen“ Leute dagegen aussprechen. Nun sind die praktischen Leute wohl in der Regel nur Routiniers, unfähig aus einem engen Kreis alter Vorstellungen herauszutreten. Aber ihr Widerspruch gilt und vermag dem

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Zitationshilfe: Herzl, Theodor: Der Judenstaat. Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage. Leipzig u. a., 1896, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herzl_judenstaat_1896/29>, abgerufen am 23.11.2024.