Herzl, Theodor: Der Judenstaat. Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage. Leipzig u. a., 1896.Die volkswirthschaftliche Einsicht von Männern, die mitten Die Arbeit ohne Unternehmungsgeist ist die stationäre, Die volkswirthschaftliche Einsicht von Männern, die mitten Die Arbeit ohne Unternehmungsgeist ist die stationäre, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0009"/> <p><hi rendition="#in">D</hi>ie volkswirthschaftliche Einsicht von Männern, die mitten<lb/> im praktischen Leben stehen, ist oft verblüffend gering.<lb/> Nur so lässt sich erklären, dass auch Juden das Schlagwort der Antisemiten<lb/> gläubig nachsagen: wir lebten von den „Wirthsvölkern“,<lb/> und wenn wir kein „Wirthsvolk“ um uns hätten, müssten wir<lb/> verhungern. Das ist einer der Punkte, auf denen sich die<lb/> Schwächung unseres Selbstbewusstseins durch die ungerechten<lb/> Anklagen zeigt. Wie verhält es sich mit dem „Wirthsvolklichen“<lb/> in Wahrheit? Soweit das nicht die alte physiokratische Beschränktheit<lb/> enthält, beruht es auf dem kindlichen Irrthum,<lb/> dass im Güterleben immer dieselben Sachen rundlaufen. Nun<lb/> müssen wir nicht erst, wie Rip van Winkle, aus vieljährigem<lb/> Schlafe erwachen, um zu erkennen, dass die Welt sich durch<lb/> das unaufhörliche Entstehen neuer Güter verändert. In unserer<lb/> vermöge der technischen Fortschritte wunderbaren Zeit sieht<lb/> auch der geistig Aermste mit seinen verklebten Augen rings<lb/> um sich her neue Güter auftauchen. Der Unternehmungsgeist<lb/> hat sie geschaffen.<lb/></p> <p>Die Arbeit ohne Unternehmungsgeist ist die stationäre,<lb/> alte; ihr typisches Beispiel die des Ackerbauers, der noch genau<lb/> dort steht, wo sein Urvater vor tausend Jahren stand. Alle<lb/> materielle Wohlfahrt ist durch Unternehmer verwirklicht worden.<lb/> Man schämt sich beinahe, eine solche Banalität niederzuschreiben.<lb/> Selbst wenn wir also ausschliesslich Unternehmer<lb/> wären – wie die thörichte Uebertreibung behauptet – brauchten<lb/> wir kein „Wirthsvolk“. Wir sind nicht auf einen Rundlauf<lb/> immer gleicher Güter angewiesen, weil wir neue Güter erzeugen.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0009]
Die volkswirthschaftliche Einsicht von Männern, die mitten
im praktischen Leben stehen, ist oft verblüffend gering.
Nur so lässt sich erklären, dass auch Juden das Schlagwort der Antisemiten
gläubig nachsagen: wir lebten von den „Wirthsvölkern“,
und wenn wir kein „Wirthsvolk“ um uns hätten, müssten wir
verhungern. Das ist einer der Punkte, auf denen sich die
Schwächung unseres Selbstbewusstseins durch die ungerechten
Anklagen zeigt. Wie verhält es sich mit dem „Wirthsvolklichen“
in Wahrheit? Soweit das nicht die alte physiokratische Beschränktheit
enthält, beruht es auf dem kindlichen Irrthum,
dass im Güterleben immer dieselben Sachen rundlaufen. Nun
müssen wir nicht erst, wie Rip van Winkle, aus vieljährigem
Schlafe erwachen, um zu erkennen, dass die Welt sich durch
das unaufhörliche Entstehen neuer Güter verändert. In unserer
vermöge der technischen Fortschritte wunderbaren Zeit sieht
auch der geistig Aermste mit seinen verklebten Augen rings
um sich her neue Güter auftauchen. Der Unternehmungsgeist
hat sie geschaffen.
Die Arbeit ohne Unternehmungsgeist ist die stationäre,
alte; ihr typisches Beispiel die des Ackerbauers, der noch genau
dort steht, wo sein Urvater vor tausend Jahren stand. Alle
materielle Wohlfahrt ist durch Unternehmer verwirklicht worden.
Man schämt sich beinahe, eine solche Banalität niederzuschreiben.
Selbst wenn wir also ausschliesslich Unternehmer
wären – wie die thörichte Uebertreibung behauptet – brauchten
wir kein „Wirthsvolk“. Wir sind nicht auf einen Rundlauf
immer gleicher Güter angewiesen, weil wir neue Güter erzeugen.
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