Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heyden, Friedrich von: Der graue John. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

anzugehören schien? -- Da die Phantasie bei unsern jungen Landsleuten ohnehin nicht der schwächste Theil war, so kreuzten sich bald die wunderlichsten Vorstellungen in ihren Köpfen. Sie vermutheten in dem Manne von gestern Gott weiß wen. Sie glaubten die Wiederkehr jener Tage zu erleben, da der Kalif Harun al Raschid, wenigstens den arabischen Märchen nach, die Straßen des kaiserlichen Bagdad bei nächtlicher Weile in unscheinbaren, oder ärmlichen Verkleidungen durchstreifte. Indeß auch ihre Einbildungskraft mußte Vernunft annehmen, daß des Prinzen Regenten Königliche Hoheit andere Dinge zu thun habe, und der räthselhafte John den Ring gestohlen oder gefunden haben könne und ihn weggeschenkt habe, weil er seinen Werth nicht gekannt.

Sie gingen daher sofort, um der Polizei von dem Vorfalle Kenntniß zu geben, den Ring vorzuzeigen und sich zu erbitten, ihn Dem zurückgeben zu wollen, der sich als Eigenthümer erweise. Die Polizei in London indessen ist, für solche Fälle besonders, so gut als gar keine. Man lachte die beiden Fremden aus, als sie ihre Geschichte vom grauen John auf äußerst romantische Weise überlieferten, gab zu verstehen, der Bericht sei mindestens höchst übertrieben, und was den Ring betreffe, so werde man bekannt machen lassen, daß er sich bei den beiden Herren befinde und ihn der Eigenthümer dort in Empfang nehmen könne. Einstweilen möchten sie aber den Ring nur behalten, da

anzugehören schien? — Da die Phantasie bei unsern jungen Landsleuten ohnehin nicht der schwächste Theil war, so kreuzten sich bald die wunderlichsten Vorstellungen in ihren Köpfen. Sie vermutheten in dem Manne von gestern Gott weiß wen. Sie glaubten die Wiederkehr jener Tage zu erleben, da der Kalif Harun al Raschid, wenigstens den arabischen Märchen nach, die Straßen des kaiserlichen Bagdad bei nächtlicher Weile in unscheinbaren, oder ärmlichen Verkleidungen durchstreifte. Indeß auch ihre Einbildungskraft mußte Vernunft annehmen, daß des Prinzen Regenten Königliche Hoheit andere Dinge zu thun habe, und der räthselhafte John den Ring gestohlen oder gefunden haben könne und ihn weggeschenkt habe, weil er seinen Werth nicht gekannt.

Sie gingen daher sofort, um der Polizei von dem Vorfalle Kenntniß zu geben, den Ring vorzuzeigen und sich zu erbitten, ihn Dem zurückgeben zu wollen, der sich als Eigenthümer erweise. Die Polizei in London indessen ist, für solche Fälle besonders, so gut als gar keine. Man lachte die beiden Fremden aus, als sie ihre Geschichte vom grauen John auf äußerst romantische Weise überlieferten, gab zu verstehen, der Bericht sei mindestens höchst übertrieben, und was den Ring betreffe, so werde man bekannt machen lassen, daß er sich bei den beiden Herren befinde und ihn der Eigenthümer dort in Empfang nehmen könne. Einstweilen möchten sie aber den Ring nur behalten, da

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0016"/>
anzugehören schien? &#x2014; Da die Phantasie bei unsern jungen Landsleuten ohnehin nicht                der schwächste Theil war, so kreuzten sich bald die wunderlichsten Vorstellungen in                ihren Köpfen. Sie vermutheten in dem Manne von gestern Gott weiß wen. Sie glaubten                die Wiederkehr jener Tage zu erleben, da der Kalif Harun al Raschid, wenigstens den                arabischen Märchen nach, die Straßen des kaiserlichen Bagdad bei nächtlicher Weile in                unscheinbaren, oder ärmlichen Verkleidungen durchstreifte. Indeß auch ihre                Einbildungskraft mußte Vernunft annehmen, daß des Prinzen Regenten Königliche Hoheit                andere Dinge zu thun habe, und der räthselhafte John den Ring gestohlen oder gefunden                haben könne und ihn weggeschenkt habe, weil er seinen Werth nicht gekannt.</p><lb/>
        <p>Sie gingen daher sofort, um der Polizei von dem Vorfalle Kenntniß zu geben, den Ring                vorzuzeigen und sich zu erbitten, ihn Dem zurückgeben zu wollen, der sich als                Eigenthümer erweise. Die Polizei in London indessen ist, für solche Fälle besonders,                so gut als gar keine. Man lachte die beiden Fremden aus, als sie ihre Geschichte vom                grauen John auf äußerst romantische Weise überlieferten, gab zu verstehen, der                Bericht sei mindestens höchst übertrieben, und was den Ring betreffe, so werde man                bekannt machen lassen, daß er sich bei den beiden Herren befinde und ihn der                Eigenthümer dort in Empfang nehmen könne. Einstweilen möchten sie aber den Ring nur                behalten, da<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0016] anzugehören schien? — Da die Phantasie bei unsern jungen Landsleuten ohnehin nicht der schwächste Theil war, so kreuzten sich bald die wunderlichsten Vorstellungen in ihren Köpfen. Sie vermutheten in dem Manne von gestern Gott weiß wen. Sie glaubten die Wiederkehr jener Tage zu erleben, da der Kalif Harun al Raschid, wenigstens den arabischen Märchen nach, die Straßen des kaiserlichen Bagdad bei nächtlicher Weile in unscheinbaren, oder ärmlichen Verkleidungen durchstreifte. Indeß auch ihre Einbildungskraft mußte Vernunft annehmen, daß des Prinzen Regenten Königliche Hoheit andere Dinge zu thun habe, und der räthselhafte John den Ring gestohlen oder gefunden haben könne und ihn weggeschenkt habe, weil er seinen Werth nicht gekannt. Sie gingen daher sofort, um der Polizei von dem Vorfalle Kenntniß zu geben, den Ring vorzuzeigen und sich zu erbitten, ihn Dem zurückgeben zu wollen, der sich als Eigenthümer erweise. Die Polizei in London indessen ist, für solche Fälle besonders, so gut als gar keine. Man lachte die beiden Fremden aus, als sie ihre Geschichte vom grauen John auf äußerst romantische Weise überlieferten, gab zu verstehen, der Bericht sei mindestens höchst übertrieben, und was den Ring betreffe, so werde man bekannt machen lassen, daß er sich bei den beiden Herren befinde und ihn der Eigenthümer dort in Empfang nehmen könne. Einstweilen möchten sie aber den Ring nur behalten, da

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:12:58Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:12:58Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heyden_john_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heyden_john_1910/16
Zitationshilfe: Heyden, Friedrich von: Der graue John. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyden_john_1910/16>, abgerufen am 21.11.2024.