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Heyden, Friedrich von: Der graue John. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Gewissen. Das Niedrigste, Erbärmlichste am Menschen ist die sogenannte Schönthuerei. Es giebt auch eine Schönthuerei mit Buße und Zerknirschung, die eine eben so arge Sünde ist als die Schuld, auf deren ursprünglichen Anlaß sie bethätigt wird; -- oft noch eine viel ärgere. -- Besserung, aber ohne prahlerischen Lärm, und kindliches Vertrauen auf Gott, nur diese allein gewähren das zuverlässige Pfand himmlischer Vergebung.

Ich kann Ihrer Meinung nicht sein, sagte Williams. Es giebt Vergehen, welche die Selbstpeinigung rechtfertigen.

Ich kann mir, behauptete Eduard, solche Vergehen nicht vorstellen und möchte um Beispiele bitten.

Mir fällt eine Geschichte dieser Art bei, die ich zu Madras gehört habe, fuhr Williams fort, und ich will sie Ihnen erzählen. Prüfen Sie dieselbe, und treten Sie meiner Meinung bei.

Robert S. war der Sohn eines ehemals reichen, durch Ungerechtigkeiten um sein Vermögen betrogenen Kaufmannes in Schottland, der wegen Mangels an Mitteln seine Studien, denen er fleißig in Edinburg obgelegen, nicht beendigen konnte, sondern sich bequemen mußte, nach hundert Zurücksetzungen die Handlung zu erlernen. Indeß seine Armuth wies ihm auch hier eine untergeordnete, dienende Stelle an, die sein stolzer Sinn nur mit heimlichem Ingrimme ertrug. Er hoffte

Gewissen. Das Niedrigste, Erbärmlichste am Menschen ist die sogenannte Schönthuerei. Es giebt auch eine Schönthuerei mit Buße und Zerknirschung, die eine eben so arge Sünde ist als die Schuld, auf deren ursprünglichen Anlaß sie bethätigt wird; — oft noch eine viel ärgere. — Besserung, aber ohne prahlerischen Lärm, und kindliches Vertrauen auf Gott, nur diese allein gewähren das zuverlässige Pfand himmlischer Vergebung.

Ich kann Ihrer Meinung nicht sein, sagte Williams. Es giebt Vergehen, welche die Selbstpeinigung rechtfertigen.

Ich kann mir, behauptete Eduard, solche Vergehen nicht vorstellen und möchte um Beispiele bitten.

Mir fällt eine Geschichte dieser Art bei, die ich zu Madras gehört habe, fuhr Williams fort, und ich will sie Ihnen erzählen. Prüfen Sie dieselbe, und treten Sie meiner Meinung bei.

Robert S. war der Sohn eines ehemals reichen, durch Ungerechtigkeiten um sein Vermögen betrogenen Kaufmannes in Schottland, der wegen Mangels an Mitteln seine Studien, denen er fleißig in Edinburg obgelegen, nicht beendigen konnte, sondern sich bequemen mußte, nach hundert Zurücksetzungen die Handlung zu erlernen. Indeß seine Armuth wies ihm auch hier eine untergeordnete, dienende Stelle an, die sein stolzer Sinn nur mit heimlichem Ingrimme ertrug. Er hoffte

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[0034] Gewissen. Das Niedrigste, Erbärmlichste am Menschen ist die sogenannte Schönthuerei. Es giebt auch eine Schönthuerei mit Buße und Zerknirschung, die eine eben so arge Sünde ist als die Schuld, auf deren ursprünglichen Anlaß sie bethätigt wird; — oft noch eine viel ärgere. — Besserung, aber ohne prahlerischen Lärm, und kindliches Vertrauen auf Gott, nur diese allein gewähren das zuverlässige Pfand himmlischer Vergebung. Ich kann Ihrer Meinung nicht sein, sagte Williams. Es giebt Vergehen, welche die Selbstpeinigung rechtfertigen. Ich kann mir, behauptete Eduard, solche Vergehen nicht vorstellen und möchte um Beispiele bitten. Mir fällt eine Geschichte dieser Art bei, die ich zu Madras gehört habe, fuhr Williams fort, und ich will sie Ihnen erzählen. Prüfen Sie dieselbe, und treten Sie meiner Meinung bei. Robert S. war der Sohn eines ehemals reichen, durch Ungerechtigkeiten um sein Vermögen betrogenen Kaufmannes in Schottland, der wegen Mangels an Mitteln seine Studien, denen er fleißig in Edinburg obgelegen, nicht beendigen konnte, sondern sich bequemen mußte, nach hundert Zurücksetzungen die Handlung zu erlernen. Indeß seine Armuth wies ihm auch hier eine untergeordnete, dienende Stelle an, die sein stolzer Sinn nur mit heimlichem Ingrimme ertrug. Er hoffte

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:12:58Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:12:58Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Heyden, Friedrich von: Der graue John. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyden_john_1910/34>, abgerufen am 21.11.2024.