Heyden, Friedrich von: Der graue John. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.zu berauben. Ohnedies kann, darf und will ich noch nicht, was du forderst. Lebewohl, theure Betty. -- Er riß sich los und eilte davon. Dieser Abschied hatte der jungen Frau ihre alten Vorsätze wiedergegeben. Sie wirft eilig ihre gewöhnliche Kleidung ab, um die einer Bäuerin anzulegen. Sie nimmt einen großen Korb mit feinem, für die Jahreszeit noch seltenem Obste auf den Arm, wie es zu London von den Bäuerinnen der Umgegend gewöhnlich zu hohen Preisen ausgeboten wird, und folgt Williams in so weiter Entfernung, daß sie ihn zwar nicht aus den Augen verlieren, aber nicht von ihm bemerkt oder erkannt werden kann. -- Er nimmt den gewöhnlichen Weg durch den Park des Herzogs von D., aber er weicht diesmal nicht von dem großen Pfade ab, der ihn unmittelbar in die Straßen der Hauptstadt führt. Da es früh ist für London, so zeigen sich in dem Gewühle noch wenig vornehm gekleidete Personen, und Betty kann ihren Mann, ungeachtet der Menge, stets im Auge behalten. Er eilte rastlos vor ihr her, ohne sich umzusehen. Mit klopfendem Herzen folgt sie ihm von Straße zu Straße. Er scheint absichtlich ein Stadtviertel nach dem andern in Kreuz- und Querzügen zu durchwandeln, um nicht zu lange in einer Straße den Blicken der Vorübergehenden ausgesetzt zu bleiben. -- Wird er nicht endlich sein Ziel finden? Ein Zehntheil von London hat er schon durchstrichen. Betty achtet ihre zunehmende Müdigkeit nicht, zu berauben. Ohnedies kann, darf und will ich noch nicht, was du forderst. Lebewohl, theure Betty. — Er riß sich los und eilte davon. Dieser Abschied hatte der jungen Frau ihre alten Vorsätze wiedergegeben. Sie wirft eilig ihre gewöhnliche Kleidung ab, um die einer Bäuerin anzulegen. Sie nimmt einen großen Korb mit feinem, für die Jahreszeit noch seltenem Obste auf den Arm, wie es zu London von den Bäuerinnen der Umgegend gewöhnlich zu hohen Preisen ausgeboten wird, und folgt Williams in so weiter Entfernung, daß sie ihn zwar nicht aus den Augen verlieren, aber nicht von ihm bemerkt oder erkannt werden kann. — Er nimmt den gewöhnlichen Weg durch den Park des Herzogs von D., aber er weicht diesmal nicht von dem großen Pfade ab, der ihn unmittelbar in die Straßen der Hauptstadt führt. Da es früh ist für London, so zeigen sich in dem Gewühle noch wenig vornehm gekleidete Personen, und Betty kann ihren Mann, ungeachtet der Menge, stets im Auge behalten. Er eilte rastlos vor ihr her, ohne sich umzusehen. Mit klopfendem Herzen folgt sie ihm von Straße zu Straße. Er scheint absichtlich ein Stadtviertel nach dem andern in Kreuz- und Querzügen zu durchwandeln, um nicht zu lange in einer Straße den Blicken der Vorübergehenden ausgesetzt zu bleiben. — Wird er nicht endlich sein Ziel finden? Ein Zehntheil von London hat er schon durchstrichen. Betty achtet ihre zunehmende Müdigkeit nicht, <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0051"/> zu berauben. Ohnedies kann, darf und will ich noch nicht, was du forderst. Lebewohl, theure Betty. — Er riß sich los und eilte davon.</p><lb/> <p>Dieser Abschied hatte der jungen Frau ihre alten Vorsätze wiedergegeben. Sie wirft eilig ihre gewöhnliche Kleidung ab, um die einer Bäuerin anzulegen. Sie nimmt einen großen Korb mit feinem, für die Jahreszeit noch seltenem Obste auf den Arm, wie es zu London von den Bäuerinnen der Umgegend gewöhnlich zu hohen Preisen ausgeboten wird, und folgt Williams in so weiter Entfernung, daß sie ihn zwar nicht aus den Augen verlieren, aber nicht von ihm bemerkt oder erkannt werden kann. — Er nimmt den gewöhnlichen Weg durch den Park des Herzogs von D., aber er weicht diesmal nicht von dem großen Pfade ab, der ihn unmittelbar in die Straßen der Hauptstadt führt. Da es früh ist für London, so zeigen sich in dem Gewühle noch wenig vornehm gekleidete Personen, und Betty kann ihren Mann, ungeachtet der Menge, stets im Auge behalten. Er eilte rastlos vor ihr her, ohne sich umzusehen. Mit klopfendem Herzen folgt sie ihm von Straße zu Straße. Er scheint absichtlich ein Stadtviertel nach dem andern in Kreuz- und Querzügen zu durchwandeln, um nicht zu lange in einer Straße den Blicken der Vorübergehenden ausgesetzt zu bleiben. — Wird er nicht endlich sein Ziel finden? Ein Zehntheil von London hat er schon durchstrichen. Betty achtet ihre zunehmende Müdigkeit nicht,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0051]
zu berauben. Ohnedies kann, darf und will ich noch nicht, was du forderst. Lebewohl, theure Betty. — Er riß sich los und eilte davon.
Dieser Abschied hatte der jungen Frau ihre alten Vorsätze wiedergegeben. Sie wirft eilig ihre gewöhnliche Kleidung ab, um die einer Bäuerin anzulegen. Sie nimmt einen großen Korb mit feinem, für die Jahreszeit noch seltenem Obste auf den Arm, wie es zu London von den Bäuerinnen der Umgegend gewöhnlich zu hohen Preisen ausgeboten wird, und folgt Williams in so weiter Entfernung, daß sie ihn zwar nicht aus den Augen verlieren, aber nicht von ihm bemerkt oder erkannt werden kann. — Er nimmt den gewöhnlichen Weg durch den Park des Herzogs von D., aber er weicht diesmal nicht von dem großen Pfade ab, der ihn unmittelbar in die Straßen der Hauptstadt führt. Da es früh ist für London, so zeigen sich in dem Gewühle noch wenig vornehm gekleidete Personen, und Betty kann ihren Mann, ungeachtet der Menge, stets im Auge behalten. Er eilte rastlos vor ihr her, ohne sich umzusehen. Mit klopfendem Herzen folgt sie ihm von Straße zu Straße. Er scheint absichtlich ein Stadtviertel nach dem andern in Kreuz- und Querzügen zu durchwandeln, um nicht zu lange in einer Straße den Blicken der Vorübergehenden ausgesetzt zu bleiben. — Wird er nicht endlich sein Ziel finden? Ein Zehntheil von London hat er schon durchstrichen. Betty achtet ihre zunehmende Müdigkeit nicht,
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