Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heyden, Friedrich von: Der graue John. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

einen ländlichen Reiz auszeichnen, dessen Ruhe und Abgeschlossenheit oft nichts weniger ahnen lassen, als die Nähe der geräuschvollsten Stadt Europa's, konnten die beiden jungen Leute nicht müde werden, im Umkreise von mehreren englischen Meilen alle die anmuthigen Plätze, Dörfer, Meiereien, Parks und gothischen Ueberreste zu besuchen, welche dort so mannichfach anzutreffen sind. Da sie gern in irgend einem Dorfwirthshause ihre Abendmahlzeit einnahmen, statt zur nämlichen Zeit in Bondstreet zu Mittage zu essen, so wurde es oft sehr spät, ehe sie sich wieder in der Nähe ihrer Wohnung unweit der Paulskirche befanden.

Eines Tages, gerade zu Anfange des Mai's, hatten sie eine sehr einsame Gegend zu ihrer Wanderung erwählt und sich, da ohnedies das Wetter bezaubernd war, so lange bei dem Genusse ländlicher Naturschönheiten verweilt, daß die Finsterniß beinahe völlig einbrach, ehe sie sich bei den ersten Häusern der eigentlichen Vorstadt befanden. Dieser Bezirk war sehr abgelegen, bei Nacht wenig besucht und daher übel berüchtigt; die beiden Fremden beeiferten sich daher, ihm so schnell als möglich zu entkommen und besuchtere Gegenden zu erreichen. Es lag aber ein Gewirre von Straßen vor ihnen, welche ihnen wenig bekannt waren bei Tage: kein Wunder daher, wenn sie bei Nacht sich dergestalt darin verirrten, daß sie ohne alle Richtung umherliefen, bis sie endlich in eine Gegend geriethen, wo sich gar keine Wohnungen

einen ländlichen Reiz auszeichnen, dessen Ruhe und Abgeschlossenheit oft nichts weniger ahnen lassen, als die Nähe der geräuschvollsten Stadt Europa's, konnten die beiden jungen Leute nicht müde werden, im Umkreise von mehreren englischen Meilen alle die anmuthigen Plätze, Dörfer, Meiereien, Parks und gothischen Ueberreste zu besuchen, welche dort so mannichfach anzutreffen sind. Da sie gern in irgend einem Dorfwirthshause ihre Abendmahlzeit einnahmen, statt zur nämlichen Zeit in Bondstreet zu Mittage zu essen, so wurde es oft sehr spät, ehe sie sich wieder in der Nähe ihrer Wohnung unweit der Paulskirche befanden.

Eines Tages, gerade zu Anfange des Mai's, hatten sie eine sehr einsame Gegend zu ihrer Wanderung erwählt und sich, da ohnedies das Wetter bezaubernd war, so lange bei dem Genusse ländlicher Naturschönheiten verweilt, daß die Finsterniß beinahe völlig einbrach, ehe sie sich bei den ersten Häusern der eigentlichen Vorstadt befanden. Dieser Bezirk war sehr abgelegen, bei Nacht wenig besucht und daher übel berüchtigt; die beiden Fremden beeiferten sich daher, ihm so schnell als möglich zu entkommen und besuchtere Gegenden zu erreichen. Es lag aber ein Gewirre von Straßen vor ihnen, welche ihnen wenig bekannt waren bei Tage: kein Wunder daher, wenn sie bei Nacht sich dergestalt darin verirrten, daß sie ohne alle Richtung umherliefen, bis sie endlich in eine Gegend geriethen, wo sich gar keine Wohnungen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0008"/>
einen ländlichen Reiz auszeichnen, dessen Ruhe und                Abgeschlossenheit oft nichts weniger ahnen lassen, als die Nähe der geräuschvollsten                Stadt Europa's, konnten die beiden jungen Leute nicht müde werden, im Umkreise von                mehreren englischen Meilen alle die anmuthigen Plätze, Dörfer, Meiereien, Parks und                gothischen Ueberreste zu besuchen, welche dort so mannichfach anzutreffen sind. Da                sie gern in irgend einem Dorfwirthshause ihre Abendmahlzeit einnahmen, statt zur                nämlichen Zeit in Bondstreet zu Mittage zu essen, so wurde es oft sehr spät, ehe sie                sich wieder in der Nähe ihrer Wohnung unweit der Paulskirche befanden.</p><lb/>
        <p>Eines Tages, gerade zu Anfange des Mai's, hatten sie eine sehr einsame Gegend zu                ihrer Wanderung erwählt und sich, da ohnedies das Wetter bezaubernd war, so lange bei                dem Genusse ländlicher Naturschönheiten verweilt, daß die Finsterniß beinahe völlig                einbrach, ehe sie sich bei den ersten Häusern der eigentlichen Vorstadt befanden.                Dieser Bezirk war sehr abgelegen, bei Nacht wenig besucht und daher übel berüchtigt;                die beiden Fremden beeiferten sich daher, ihm so schnell als möglich zu entkommen und                besuchtere Gegenden zu erreichen. Es lag aber ein Gewirre von Straßen vor ihnen,                welche ihnen wenig bekannt waren bei Tage: kein Wunder daher, wenn sie bei Nacht sich                dergestalt darin verirrten, daß sie ohne alle Richtung umherliefen, bis sie endlich                in eine Gegend geriethen, wo sich gar keine Wohnungen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0008] einen ländlichen Reiz auszeichnen, dessen Ruhe und Abgeschlossenheit oft nichts weniger ahnen lassen, als die Nähe der geräuschvollsten Stadt Europa's, konnten die beiden jungen Leute nicht müde werden, im Umkreise von mehreren englischen Meilen alle die anmuthigen Plätze, Dörfer, Meiereien, Parks und gothischen Ueberreste zu besuchen, welche dort so mannichfach anzutreffen sind. Da sie gern in irgend einem Dorfwirthshause ihre Abendmahlzeit einnahmen, statt zur nämlichen Zeit in Bondstreet zu Mittage zu essen, so wurde es oft sehr spät, ehe sie sich wieder in der Nähe ihrer Wohnung unweit der Paulskirche befanden. Eines Tages, gerade zu Anfange des Mai's, hatten sie eine sehr einsame Gegend zu ihrer Wanderung erwählt und sich, da ohnedies das Wetter bezaubernd war, so lange bei dem Genusse ländlicher Naturschönheiten verweilt, daß die Finsterniß beinahe völlig einbrach, ehe sie sich bei den ersten Häusern der eigentlichen Vorstadt befanden. Dieser Bezirk war sehr abgelegen, bei Nacht wenig besucht und daher übel berüchtigt; die beiden Fremden beeiferten sich daher, ihm so schnell als möglich zu entkommen und besuchtere Gegenden zu erreichen. Es lag aber ein Gewirre von Straßen vor ihnen, welche ihnen wenig bekannt waren bei Tage: kein Wunder daher, wenn sie bei Nacht sich dergestalt darin verirrten, daß sie ohne alle Richtung umherliefen, bis sie endlich in eine Gegend geriethen, wo sich gar keine Wohnungen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:12:58Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:12:58Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heyden_john_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heyden_john_1910/8
Zitationshilfe: Heyden, Friedrich von: Der graue John. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyden_john_1910/8>, abgerufen am 21.11.2024.