Heyking, Elisabeth von: Zwei Erzählungen. Leipzig, [1918].und die Empiremöbel noch immer steif und etwas spärlich standen; sie schritt durch andere, in denen die Wände mit alten Kattunen bespannt waren, und die neueren Mahagoni-Servanten und -Kommoden selbstgefällig glänzten. Sie stand in dem Zimmer, wo sich der lange schmale Flügel von Gothow bei Riga befand, und sie entsann sich, wie sie hier bei den ausländischen Gouvernanten Tirolienne und Menuett tanzen gelernt, wie sie Hummel, Weber und Schubert geübt hatte. Sie wollte bei diesen beruhigenden Bildern jener Zeit verweilen, die ihr heut so lang her schien, daß sie sich plötzlich ganz alt vorkam - aber ihre Gedanken ließen sich nicht festhalten. Die Erinnerung an jenes erste kindliche Tanzen zauberte die Vorstellung der Petersburger Bälle hervor, der Gedanke an die einstmaligen Klavierstunden beschwor das musikalische Fest der Gräfin Rossi und ließ mit ihm Jenen vor ihr erstehen, den sie dort zum erstenmal gesehen. Und da waren sie auch schon wieder da, die Zweifel und Unsicherheiten, wie quälende Geister. Und so wie Dorothee einst in der Kindheit von hier aus vor den ausländischen Gouvernanten in den Garten zu entweichen liebte, so wollte sie auch jetzt fliehen vor all dem Fremden, sie Bedrängenden. Schon hatte sie die Klinke der Tür, die ins nächste Zimmer führte, gefaßt. Aber da hielt sie plötzlich inne. Dort ging es ja in den Märchensaal. Dahin wollte sie doch nicht? Seit ihrer Ankunft hatte sie den Raum, der nur bei besonderen Festen benützt wurde, noch nicht betreten. Jetzt lockte er sie plötzlich mit den tausend Stimmen, und die Empiremöbel noch immer steif und etwas spärlich standen; sie schritt durch andere, in denen die Wände mit alten Kattunen bespannt waren, und die neueren Mahagoni-Servanten und -Kommoden selbstgefällig glänzten. Sie stand in dem Zimmer, wo sich der lange schmale Flügel von Gothow bei Riga befand, und sie entsann sich, wie sie hier bei den ausländischen Gouvernanten Tirolienne und Menuett tanzen gelernt, wie sie Hummel, Weber und Schubert geübt hatte. Sie wollte bei diesen beruhigenden Bildern jener Zeit verweilen, die ihr heut so lang her schien, daß sie sich plötzlich ganz alt vorkam – aber ihre Gedanken ließen sich nicht festhalten. Die Erinnerung an jenes erste kindliche Tanzen zauberte die Vorstellung der Petersburger Bälle hervor, der Gedanke an die einstmaligen Klavierstunden beschwor das musikalische Fest der Gräfin Rossi und ließ mit ihm Jenen vor ihr erstehen, den sie dort zum erstenmal gesehen. Und da waren sie auch schon wieder da, die Zweifel und Unsicherheiten, wie quälende Geister. Und so wie Dorothee einst in der Kindheit von hier aus vor den ausländischen Gouvernanten in den Garten zu entweichen liebte, so wollte sie auch jetzt fliehen vor all dem Fremden, sie Bedrängenden. Schon hatte sie die Klinke der Tür, die ins nächste Zimmer führte, gefaßt. Aber da hielt sie plötzlich inne. Dort ging es ja in den Märchensaal. Dahin wollte sie doch nicht? Seit ihrer Ankunft hatte sie den Raum, der nur bei besonderen Festen benützt wurde, noch nicht betreten. Jetzt lockte er sie plötzlich mit den tausend Stimmen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0103" n="101"/> und die Empiremöbel noch immer steif und etwas spärlich standen; sie schritt durch andere, in denen die Wände mit alten Kattunen bespannt waren, und die neueren Mahagoni-Servanten und -Kommoden selbstgefällig glänzten. Sie stand in dem Zimmer, wo sich der lange schmale Flügel von Gothow bei Riga befand, und sie entsann sich, wie sie hier bei den ausländischen Gouvernanten Tirolienne und Menuett tanzen gelernt, wie sie Hummel, Weber und Schubert geübt hatte. Sie wollte bei diesen beruhigenden Bildern jener Zeit verweilen, die ihr heut so lang her schien, daß sie sich plötzlich ganz alt vorkam – aber ihre Gedanken ließen sich nicht festhalten. Die Erinnerung an jenes erste kindliche Tanzen zauberte die Vorstellung der Petersburger Bälle hervor, der Gedanke an die einstmaligen Klavierstunden beschwor das musikalische Fest der Gräfin Rossi und ließ mit ihm Jenen vor ihr erstehen, den sie dort zum erstenmal gesehen. Und da waren sie auch schon wieder da, die Zweifel und Unsicherheiten, wie quälende Geister. Und so wie Dorothee einst in der Kindheit von hier aus vor den ausländischen Gouvernanten in den Garten zu entweichen liebte, so wollte sie auch jetzt fliehen vor all dem Fremden, sie Bedrängenden. Schon hatte sie die Klinke der Tür, die ins nächste Zimmer führte, gefaßt. Aber da hielt sie plötzlich inne. Dort ging es ja in den Märchensaal. Dahin wollte sie doch nicht?</p> <p>Seit ihrer Ankunft hatte sie den Raum, der nur bei besonderen Festen benützt wurde, noch nicht betreten. Jetzt lockte er sie plötzlich mit den tausend Stimmen, </p> </div> </body> </text> </TEI> [101/0103]
und die Empiremöbel noch immer steif und etwas spärlich standen; sie schritt durch andere, in denen die Wände mit alten Kattunen bespannt waren, und die neueren Mahagoni-Servanten und -Kommoden selbstgefällig glänzten. Sie stand in dem Zimmer, wo sich der lange schmale Flügel von Gothow bei Riga befand, und sie entsann sich, wie sie hier bei den ausländischen Gouvernanten Tirolienne und Menuett tanzen gelernt, wie sie Hummel, Weber und Schubert geübt hatte. Sie wollte bei diesen beruhigenden Bildern jener Zeit verweilen, die ihr heut so lang her schien, daß sie sich plötzlich ganz alt vorkam – aber ihre Gedanken ließen sich nicht festhalten. Die Erinnerung an jenes erste kindliche Tanzen zauberte die Vorstellung der Petersburger Bälle hervor, der Gedanke an die einstmaligen Klavierstunden beschwor das musikalische Fest der Gräfin Rossi und ließ mit ihm Jenen vor ihr erstehen, den sie dort zum erstenmal gesehen. Und da waren sie auch schon wieder da, die Zweifel und Unsicherheiten, wie quälende Geister. Und so wie Dorothee einst in der Kindheit von hier aus vor den ausländischen Gouvernanten in den Garten zu entweichen liebte, so wollte sie auch jetzt fliehen vor all dem Fremden, sie Bedrängenden. Schon hatte sie die Klinke der Tür, die ins nächste Zimmer führte, gefaßt. Aber da hielt sie plötzlich inne. Dort ging es ja in den Märchensaal. Dahin wollte sie doch nicht?
Seit ihrer Ankunft hatte sie den Raum, der nur bei besonderen Festen benützt wurde, noch nicht betreten. Jetzt lockte er sie plötzlich mit den tausend Stimmen,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2013-01-15T09:32:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-01-15T09:32:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-01-15T09:32:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |