Heymann, Lida Gustava: Wird die Mitarbeit der Frauen in den politischen Männerparteien das Frauenstimmrecht fördern? Gautzsch b. Leipzig, 1911.muß man sich mit der Geschichte der Völker aller Zeiten im allgemeinen Zur richtigen Beurteilung der Sachlage ist es durchaus notwendig, Von welcher Seite wir die Mitarbeit der Frau innerhalb der Parteien muß man sich mit der Geschichte der Völker aller Zeiten im allgemeinen Zur richtigen Beurteilung der Sachlage ist es durchaus notwendig, Von welcher Seite wir die Mitarbeit der Frau innerhalb der Parteien <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0004" n="4"/> muß man sich mit der Geschichte der Völker aller Zeiten im allgemeinen<lb/> und der seines eigenen Volkes im besonderen beschäftigen, muß man<lb/> sich genaue Kenntnisse der Volkswirtschaft, aller Kulturbestrebungen<lb/> und der bestehenden Staatseinrichtungen aneignen, muß man als Außen-<lb/> stehender die Programme und das Verhalten nicht nur einer, sondern<lb/> aller politischen Parteien innerhalb und außerhalb der Reichs- und<lb/> Landtage genau prüfen und mit mehr Kritik <choice><sic>vorfolgen</sic><corr>verfolgen</corr></choice>, als man der<lb/> eigenen Partei angedeihen zu lassen pflegt, muß man die Tagespolitik<lb/> in der Presse verschiedener Richtungen beobachten; das alles wird<lb/> uns befähigen, politisch zu denken, uns ein politisches Urteil zu bilden,<lb/> nicht aber die Mitarbeit in den politischen Männerparteien, die ledig-<lb/> lich darauf hinausläuft, das politische Urteil gegen alles andere als den<lb/> beschworenen Parteistandpunkt abzustumpfen und die Arbeitskraft<lb/> der Frauen für männliche Parteiinteressen auszunutzen, ohne daß<lb/> dabei der Sache des Frauenstimmrechts oder den Frauen selbst irgend<lb/> ein Gewinn erwüchse.</p><lb/> <p>Zur richtigen Beurteilung der Sachlage ist es durchaus notwendig,<lb/> die Arbeit, die von den Frauen in den Parteien geleistet wird, einmal<lb/> näher zu beleuchten. Den Frauen, die als Neulinge in die Partei ein-<lb/> treten und sich zur Arbeit melden, wird während und außerhalb der<lb/> Wahlzeit, je nach ihren Fähigkeiten niedere oder höhere Propaganda-<lb/> arbeit übertragen. Zur ersteren ist zu rechnen: Adressen schreiben,<lb/> Flugblätter verteilen, Bureauarbeiten aller Art, Schlepperdienste zu<lb/> Wahlzeiten usw., zu letzteren: Vorträge halten, Flugblätter verfassen,<lb/> Uebertragung der Leitung ganzer Wahlkreise. Für bewährte Arbeits-<lb/> kräfte bleibt der Lohn, so pflegen sich diese zu rühmen, nicht aus; man<lb/> schickt sie als Delegierte auf Parteitage, sehr häufig aus dem Grunde,<lb/> weil es an männlichen passenden Vertretern fehlt, oder man wählt<lb/> Frauen in die verschiedenen Parteivorstände, überträgt ihnen sogar<lb/> ein Amt, am liebsten natürlich ein recht mühevolles, um ihre Arbeits-<lb/> kraft wiederum zu Parteizwecken auszunützen. In den Vorstands-<lb/> sitzungen, auf den geschlossenen Delegiertenversammlungen werden<lb/> mehr oder weniger nur Parteiangelegenheiten verhandelt, große, wich-<lb/> tige, politische Fragen pflegen seitens aller Parteien in öffentlichen<lb/> Versammlungen erörtert zu werden, wo der Zutritt Jedermann, auch<lb/> den Frauen gestattet ist, wo jeder sich an der Debatte beteiligen kann.</p><lb/> <p>Von welcher Seite wir die Mitarbeit der Frau innerhalb der Parteien<lb/> auch beleuchten, wir werden zu der Erkenntnis geführt, daß die Er-<lb/> reichung politischer Kenntnisse, das Einarbeiten in die Politik auf andere<lb/> Weise weit richtiger erfolgen kann. Wie aber steht es mit der Behauptung,<lb/> daß die Männer durch die Zusammenarbeit mit den Frauen Anhänger<lb/> des Frauenstimmrechts werden, weil sie sich von der politischen Reife<lb/> der Frauen. von ihren Fähigkeiten, neue politische Werte zu schaffen,<lb/> persönlich überzeugten? In dieser Allgemeinheit aufgestellt, entspricht<lb/><choice><sic>zu</sic><corr>die</corr></choice> Behauptung keineswegs den Tatsachen. Wir wollen zwar unumwunden<lb/><choice><sic>diegeben</sic><corr>zugeben</corr></choice>, daß hin und wieder ein Mann durch die Mitarbeit der Frauen,<lb/> für unsere Sache gewonnen wird. Was aber besagt das! Die Majorität<lb/> der Männer innerhalb der Parteien läßt sich die Arbeit der Frauen<lb/> gnädigst gefallen und erklärt zum Schluß: „Ja, wenn alle Frauen wie<lb/>   </p> </body> </text> </TEI> [4/0004]
muß man sich mit der Geschichte der Völker aller Zeiten im allgemeinen
und der seines eigenen Volkes im besonderen beschäftigen, muß man
sich genaue Kenntnisse der Volkswirtschaft, aller Kulturbestrebungen
und der bestehenden Staatseinrichtungen aneignen, muß man als Außen-
stehender die Programme und das Verhalten nicht nur einer, sondern
aller politischen Parteien innerhalb und außerhalb der Reichs- und
Landtage genau prüfen und mit mehr Kritik verfolgen, als man der
eigenen Partei angedeihen zu lassen pflegt, muß man die Tagespolitik
in der Presse verschiedener Richtungen beobachten; das alles wird
uns befähigen, politisch zu denken, uns ein politisches Urteil zu bilden,
nicht aber die Mitarbeit in den politischen Männerparteien, die ledig-
lich darauf hinausläuft, das politische Urteil gegen alles andere als den
beschworenen Parteistandpunkt abzustumpfen und die Arbeitskraft
der Frauen für männliche Parteiinteressen auszunutzen, ohne daß
dabei der Sache des Frauenstimmrechts oder den Frauen selbst irgend
ein Gewinn erwüchse.
Zur richtigen Beurteilung der Sachlage ist es durchaus notwendig,
die Arbeit, die von den Frauen in den Parteien geleistet wird, einmal
näher zu beleuchten. Den Frauen, die als Neulinge in die Partei ein-
treten und sich zur Arbeit melden, wird während und außerhalb der
Wahlzeit, je nach ihren Fähigkeiten niedere oder höhere Propaganda-
arbeit übertragen. Zur ersteren ist zu rechnen: Adressen schreiben,
Flugblätter verteilen, Bureauarbeiten aller Art, Schlepperdienste zu
Wahlzeiten usw., zu letzteren: Vorträge halten, Flugblätter verfassen,
Uebertragung der Leitung ganzer Wahlkreise. Für bewährte Arbeits-
kräfte bleibt der Lohn, so pflegen sich diese zu rühmen, nicht aus; man
schickt sie als Delegierte auf Parteitage, sehr häufig aus dem Grunde,
weil es an männlichen passenden Vertretern fehlt, oder man wählt
Frauen in die verschiedenen Parteivorstände, überträgt ihnen sogar
ein Amt, am liebsten natürlich ein recht mühevolles, um ihre Arbeits-
kraft wiederum zu Parteizwecken auszunützen. In den Vorstands-
sitzungen, auf den geschlossenen Delegiertenversammlungen werden
mehr oder weniger nur Parteiangelegenheiten verhandelt, große, wich-
tige, politische Fragen pflegen seitens aller Parteien in öffentlichen
Versammlungen erörtert zu werden, wo der Zutritt Jedermann, auch
den Frauen gestattet ist, wo jeder sich an der Debatte beteiligen kann.
Von welcher Seite wir die Mitarbeit der Frau innerhalb der Parteien
auch beleuchten, wir werden zu der Erkenntnis geführt, daß die Er-
reichung politischer Kenntnisse, das Einarbeiten in die Politik auf andere
Weise weit richtiger erfolgen kann. Wie aber steht es mit der Behauptung,
daß die Männer durch die Zusammenarbeit mit den Frauen Anhänger
des Frauenstimmrechts werden, weil sie sich von der politischen Reife
der Frauen. von ihren Fähigkeiten, neue politische Werte zu schaffen,
persönlich überzeugten? In dieser Allgemeinheit aufgestellt, entspricht
die Behauptung keineswegs den Tatsachen. Wir wollen zwar unumwunden
zugeben, daß hin und wieder ein Mann durch die Mitarbeit der Frauen,
für unsere Sache gewonnen wird. Was aber besagt das! Die Majorität
der Männer innerhalb der Parteien läßt sich die Arbeit der Frauen
gnädigst gefallen und erklärt zum Schluß: „Ja, wenn alle Frauen wie
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(2017-06-02T14:25:14Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition.
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