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Heymann, Lida Gustava: Frauenstimmrecht und Völkerverständigung. Leipzig, 1919 (= Nach dem Weltkrieg. Schriften zur Neuorientierung der auswärtigen Politik, Bd. 9).

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rissen sind, wollen wir doch durch den herbsten Schmerz hindurch unserer
Frauenseele treu bleiben. Wir wollen keine Bitterkeit in diese Tragödie
eindringen lassen, noch durch Haß den Heroismus ihrer Opfer verkleinern.
Trotzdem auf allen Seiten viel geschehen ist, was Jhr ebenso beklagen
werdet, wie wir, wollen wir uns dennoch standhaft weigern, all den
falschen Gerüchten Glauben zu schenken, die uns in so reichem Maße
voneinander erzählt werden.

Wir hoffen, es wird Eure Sorgen mindern, wenn Jhr erfahrt, daß
wir unser möglichstes tun, das Los Eurer Zivil- und Kriegsgefangenen
in unserem Lande zu mildern - so wie wir auf Eure Herzensgüte bauen,
daß Jhr dasselbe für die Unsrigen in Deutschland und Oesterreich tun
werdet.

Fühlt Jhr nicht mit uns, daß die gewaltigen Schlachten unserer sich
gegenüberstehenden Heere ein Schatten auf der Zivilisation und dem
Christentum sind, und daß noch tieferer Schrecken erregt wird durch den
Gedanken an die unschuldigen Opfer, die zahllosen Frauen und Kinder,
Säuglinge, Alte und Kranke, die durch Hunger, Elend und Tod in den
verwüsteten Gegenden in Ost und West verfolgt werden?

Wie wir in Südafrika und im Balkankriege gesehen haben, fällt
die schwerste Bürde der modernen Kriege auf Nichtkämpfer, und das
Gewissen der Welt kann diesen Anblick nicht ertragen.

Jst es nicht unsere Mission, Leben zu bewahren? Fordern nicht
Menschlichkeit und Vernunft, daß wir uns schnellstens die Hände reichen
mit den Frauen der neutralen Länder und unsere Regierungen drängen,
weiteres Blutvergießen zu vermeiden?

Die Hilfsarbeit, so gewaltig sie ist, kann nur wenig erreichen.
Können wir stillsitzen und die Hilflosen zu Tausenden sterben lassen?
Wir müssen dahin drängen, daß Frieden gemacht wird, und an Vernunft
und Wahrheit appellieren. Kann das zu früh beginnen, wo es sich
darum handelt, die Frauen und Kinder ebenso wie die Männer Europas
zu retten?

Durch den Lärm der Waffen hindurch hören wir unseres Dichters
Stimme:

"Hundert Völker schwören, daß in Zukunft herrschend seien
Mitleid, Friede, Liebe für die Guten und die Freien."

Möge die Weihnacht diesen Tag beschleunigen. Der Friede auf
Erden ist dahin; wir aber wollen unsern Glauben erneuern, daß der
Friede dennoch im Grunde da ist und Weihnachten soll uns wie Euch
und alle Frauen zu dem Werke stärken, auf die Wiederkehr des
Friedens hinzuwirken."

rissen sind, wollen wir doch durch den herbsten Schmerz hindurch unserer
Frauenseele treu bleiben. Wir wollen keine Bitterkeit in diese Tragödie
eindringen lassen, noch durch Haß den Heroismus ihrer Opfer verkleinern.
Trotzdem auf allen Seiten viel geschehen ist, was Jhr ebenso beklagen
werdet, wie wir, wollen wir uns dennoch standhaft weigern, all den
falschen Gerüchten Glauben zu schenken, die uns in so reichem Maße
voneinander erzählt werden.

Wir hoffen, es wird Eure Sorgen mindern, wenn Jhr erfahrt, daß
wir unser möglichstes tun, das Los Eurer Zivil- und Kriegsgefangenen
in unserem Lande zu mildern – so wie wir auf Eure Herzensgüte bauen,
daß Jhr dasselbe für die Unsrigen in Deutschland und Oesterreich tun
werdet.

Fühlt Jhr nicht mit uns, daß die gewaltigen Schlachten unserer sich
gegenüberstehenden Heere ein Schatten auf der Zivilisation und dem
Christentum sind, und daß noch tieferer Schrecken erregt wird durch den
Gedanken an die unschuldigen Opfer, die zahllosen Frauen und Kinder,
Säuglinge, Alte und Kranke, die durch Hunger, Elend und Tod in den
verwüsteten Gegenden in Ost und West verfolgt werden?

Wie wir in Südafrika und im Balkankriege gesehen haben, fällt
die schwerste Bürde der modernen Kriege auf Nichtkämpfer, und das
Gewissen der Welt kann diesen Anblick nicht ertragen.

Jst es nicht unsere Mission, Leben zu bewahren? Fordern nicht
Menschlichkeit und Vernunft, daß wir uns schnellstens die Hände reichen
mit den Frauen der neutralen Länder und unsere Regierungen drängen,
weiteres Blutvergießen zu vermeiden?

Die Hilfsarbeit, so gewaltig sie ist, kann nur wenig erreichen.
Können wir stillsitzen und die Hilflosen zu Tausenden sterben lassen?
Wir müssen dahin drängen, daß Frieden gemacht wird, und an Vernunft
und Wahrheit appellieren. Kann das zu früh beginnen, wo es sich
darum handelt, die Frauen und Kinder ebenso wie die Männer Europas
zu retten?

Durch den Lärm der Waffen hindurch hören wir unseres Dichters
Stimme:

„Hundert Völker schwören, daß in Zukunft herrschend seien
Mitleid, Friede, Liebe für die Guten und die Freien.“

Möge die Weihnacht diesen Tag beschleunigen. Der Friede auf
Erden ist dahin; wir aber wollen unsern Glauben erneuern, daß der
Friede dennoch im Grunde da ist und Weihnachten soll uns wie Euch
und alle Frauen zu dem Werke stärken, auf die Wiederkehr des
Friedens hinzuwirken.“

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[16/0015] rissen sind, wollen wir doch durch den herbsten Schmerz hindurch unserer Frauenseele treu bleiben. Wir wollen keine Bitterkeit in diese Tragödie eindringen lassen, noch durch Haß den Heroismus ihrer Opfer verkleinern. Trotzdem auf allen Seiten viel geschehen ist, was Jhr ebenso beklagen werdet, wie wir, wollen wir uns dennoch standhaft weigern, all den falschen Gerüchten Glauben zu schenken, die uns in so reichem Maße voneinander erzählt werden. Wir hoffen, es wird Eure Sorgen mindern, wenn Jhr erfahrt, daß wir unser möglichstes tun, das Los Eurer Zivil- und Kriegsgefangenen in unserem Lande zu mildern – so wie wir auf Eure Herzensgüte bauen, daß Jhr dasselbe für die Unsrigen in Deutschland und Oesterreich tun werdet. Fühlt Jhr nicht mit uns, daß die gewaltigen Schlachten unserer sich gegenüberstehenden Heere ein Schatten auf der Zivilisation und dem Christentum sind, und daß noch tieferer Schrecken erregt wird durch den Gedanken an die unschuldigen Opfer, die zahllosen Frauen und Kinder, Säuglinge, Alte und Kranke, die durch Hunger, Elend und Tod in den verwüsteten Gegenden in Ost und West verfolgt werden? Wie wir in Südafrika und im Balkankriege gesehen haben, fällt die schwerste Bürde der modernen Kriege auf Nichtkämpfer, und das Gewissen der Welt kann diesen Anblick nicht ertragen. Jst es nicht unsere Mission, Leben zu bewahren? Fordern nicht Menschlichkeit und Vernunft, daß wir uns schnellstens die Hände reichen mit den Frauen der neutralen Länder und unsere Regierungen drängen, weiteres Blutvergießen zu vermeiden? Die Hilfsarbeit, so gewaltig sie ist, kann nur wenig erreichen. Können wir stillsitzen und die Hilflosen zu Tausenden sterben lassen? Wir müssen dahin drängen, daß Frieden gemacht wird, und an Vernunft und Wahrheit appellieren. Kann das zu früh beginnen, wo es sich darum handelt, die Frauen und Kinder ebenso wie die Männer Europas zu retten? Durch den Lärm der Waffen hindurch hören wir unseres Dichters Stimme: „Hundert Völker schwören, daß in Zukunft herrschend seien Mitleid, Friede, Liebe für die Guten und die Freien.“ Möge die Weihnacht diesen Tag beschleunigen. Der Friede auf Erden ist dahin; wir aber wollen unsern Glauben erneuern, daß der Friede dennoch im Grunde da ist und Weihnachten soll uns wie Euch und alle Frauen zu dem Werke stärken, auf die Wiederkehr des Friedens hinzuwirken.“

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-10-19T08:47:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-10-19T08:47:15Z)

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Zitationshilfe: Heymann, Lida Gustava: Frauenstimmrecht und Völkerverständigung. Leipzig, 1919 (= Nach dem Weltkrieg. Schriften zur Neuorientierung der auswärtigen Politik, Bd. 9), S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heymann_voelkerverstaendigung_1919/15>, abgerufen am 21.11.2024.