Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

sagte der Andere trocken. Ich spiele hier den Wirth
für freies Quartier.

Indessen hatte der Bursch Feuer angeschlagen und
die kleine Messinglampe angezündet, die am Fenster
stand. Der junge Mann half dem Verwundeten auf
eine Decke, über Stroh ausgebreitet, und deckte ihn
mit dem zerrissenen Mantel nothdürftig zu. Mit
einem tiefen Athemzuge streckte sich die kräftige Ge¬
stalt aus und schloß die Augen. Der Deutsche gab
dem Burschen Geld und trug ihm Verschiedenes auf;
dann ging er ohne Abschied hinaus, warf sich aufs
Pferd und ritt eilig davon.

Nach einer Viertelstunde betrat er wieder das
Gemach und brachte den Arzt. Während dieser die
Wunden an Bein und Arm untersuchte und verband,
was der Kranke geschehen ließ, ohne einen Laut von
sich zu geben, sah sich der junge Deutsche an den
Wänden um. Sie waren kahl und der Bewurf in
großen Stücken abgefallen. Die Balken am Dach
standen nackt und geschwärzt heraus, das schlechte
Fenster ließ die schneidende Luft ein, weniges Geräth
stand herum. Indeß brachte der Bursch einen Arm
voll Holz und macht' ein Feuer im Kamin. Wie es
nun roth aufprasselte, wurden im Winkel einige ver¬
staubte Thonfiguren und Gipsabgüsse sichtbar, ein
großer Delphin, der einen todten Knaben auf dem
Rücken trug, eine Meduse in Relief, kolossal, die

ſagte der Andere trocken. Ich ſpiele hier den Wirth
für freies Quartier.

Indeſſen hatte der Burſch Feuer angeſchlagen und
die kleine Meſſinglampe angezündet, die am Fenſter
ſtand. Der junge Mann half dem Verwundeten auf
eine Decke, über Stroh ausgebreitet, und deckte ihn
mit dem zerriſſenen Mantel nothdürftig zu. Mit
einem tiefen Athemzuge ſtreckte ſich die kräftige Ge¬
ſtalt aus und ſchloß die Augen. Der Deutſche gab
dem Burſchen Geld und trug ihm Verſchiedenes auf;
dann ging er ohne Abſchied hinaus, warf ſich aufs
Pferd und ritt eilig davon.

Nach einer Viertelſtunde betrat er wieder das
Gemach und brachte den Arzt. Während dieſer die
Wunden an Bein und Arm unterſuchte und verband,
was der Kranke geſchehen ließ, ohne einen Laut von
ſich zu geben, ſah ſich der junge Deutſche an den
Wänden um. Sie waren kahl und der Bewurf in
großen Stücken abgefallen. Die Balken am Dach
ſtanden nackt und geſchwärzt heraus, das ſchlechte
Fenſter ließ die ſchneidende Luft ein, weniges Geräth
ſtand herum. Indeß brachte der Burſch einen Arm
voll Holz und macht' ein Feuer im Kamin. Wie es
nun roth aufpraſſelte, wurden im Winkel einige ver¬
ſtaubte Thonfiguren und Gipsabgüſſe ſichtbar, ein
großer Delphin, der einen todten Knaben auf dem
Rücken trug, eine Meduſe in Relief, koloſſal, die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0147" n="135"/>
&#x017F;agte der Andere trocken. Ich &#x017F;piele hier den Wirth<lb/>
für freies Quartier.</p><lb/>
        <p>Inde&#x017F;&#x017F;en hatte der Bur&#x017F;ch Feuer ange&#x017F;chlagen und<lb/>
die kleine Me&#x017F;&#x017F;inglampe angezündet, die am Fen&#x017F;ter<lb/>
&#x017F;tand. Der junge Mann half dem Verwundeten auf<lb/>
eine Decke, über Stroh ausgebreitet, und deckte ihn<lb/>
mit dem zerri&#x017F;&#x017F;enen Mantel nothdürftig zu. Mit<lb/>
einem tiefen Athemzuge &#x017F;treckte &#x017F;ich die kräftige Ge¬<lb/>
&#x017F;talt aus und &#x017F;chloß die Augen. Der Deut&#x017F;che gab<lb/>
dem Bur&#x017F;chen Geld und trug ihm Ver&#x017F;chiedenes auf;<lb/>
dann ging er ohne Ab&#x017F;chied hinaus, warf &#x017F;ich aufs<lb/>
Pferd und ritt eilig davon.</p><lb/>
        <p>Nach einer Viertel&#x017F;tunde betrat er wieder das<lb/>
Gemach und brachte den Arzt. Während die&#x017F;er die<lb/>
Wunden an Bein und Arm unter&#x017F;uchte und verband,<lb/>
was der Kranke ge&#x017F;chehen ließ, ohne einen Laut von<lb/>
&#x017F;ich zu geben, &#x017F;ah &#x017F;ich der junge Deut&#x017F;che an den<lb/>
Wänden um. Sie waren kahl und der Bewurf in<lb/>
großen Stücken abgefallen. Die Balken am Dach<lb/>
&#x017F;tanden nackt und ge&#x017F;chwärzt heraus, das &#x017F;chlechte<lb/>
Fen&#x017F;ter ließ die &#x017F;chneidende Luft ein, weniges Geräth<lb/>
&#x017F;tand herum. Indeß brachte der Bur&#x017F;ch einen Arm<lb/>
voll Holz und macht' ein Feuer im Kamin. Wie es<lb/>
nun roth aufpra&#x017F;&#x017F;elte, wurden im Winkel einige ver¬<lb/>
&#x017F;taubte Thonfiguren und Gipsabgü&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ichtbar, ein<lb/>
großer Delphin, der einen todten Knaben auf dem<lb/>
Rücken trug, eine Medu&#x017F;e in Relief, kolo&#x017F;&#x017F;al, die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[135/0147] ſagte der Andere trocken. Ich ſpiele hier den Wirth für freies Quartier. Indeſſen hatte der Burſch Feuer angeſchlagen und die kleine Meſſinglampe angezündet, die am Fenſter ſtand. Der junge Mann half dem Verwundeten auf eine Decke, über Stroh ausgebreitet, und deckte ihn mit dem zerriſſenen Mantel nothdürftig zu. Mit einem tiefen Athemzuge ſtreckte ſich die kräftige Ge¬ ſtalt aus und ſchloß die Augen. Der Deutſche gab dem Burſchen Geld und trug ihm Verſchiedenes auf; dann ging er ohne Abſchied hinaus, warf ſich aufs Pferd und ritt eilig davon. Nach einer Viertelſtunde betrat er wieder das Gemach und brachte den Arzt. Während dieſer die Wunden an Bein und Arm unterſuchte und verband, was der Kranke geſchehen ließ, ohne einen Laut von ſich zu geben, ſah ſich der junge Deutſche an den Wänden um. Sie waren kahl und der Bewurf in großen Stücken abgefallen. Die Balken am Dach ſtanden nackt und geſchwärzt heraus, das ſchlechte Fenſter ließ die ſchneidende Luft ein, weniges Geräth ſtand herum. Indeß brachte der Burſch einen Arm voll Holz und macht' ein Feuer im Kamin. Wie es nun roth aufpraſſelte, wurden im Winkel einige ver¬ ſtaubte Thonfiguren und Gipsabgüſſe ſichtbar, ein großer Delphin, der einen todten Knaben auf dem Rücken trug, eine Meduſe in Relief, koloſſal, die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/147
Zitationshilfe: Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/147>, abgerufen am 22.12.2024.