Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Alte hastig ein, eine Jungfer ist's, sag' ich Euch, und
sie nickte bekräftigend, ja, ja, ein Ding so unschuldig
wie Christi Blut. Hätt' ich mich sonst ihrer ange¬
nommen?

Nun, nun! wenn ich's glaube, glaub' ich's ihrem
Gesicht und nicht Eurem, Mutter. Kann sie tanzen?
Der Herr hier ist ein Fremder, und ich gönnt' es
ihm, daß er einen braven Saltarello kennen lernte.

Theodor sagte einige Worte, daß ihm ein Ge¬
fallen geschehen würde. Die Alte winkte der Wirthin;
Caterina stand stillschweigend aus. Bald waren die
nächsten Tische zurückgeschoben, daß ein geringer Raum
frei wurde, und Lalla brachte das Tamburin. Wäh¬
rend die Alte sich in einem Winkel damit zurechtsetzte,
die übrigen Gäste der Schenke einer nach dem an¬
dern herankamen und der Bursch, der die Gäste be¬
dient hatte, sich zum Tanz anschickte, flüsterte Bianchi
dem Freund ins Ohr: Seht diese Gestalt und die
Feinheit der Hände und Füße, und wie sie steht, ein
vollkommnes Gewächs, wie ich keines sah, tadellos
bis zu den allerliebsten Ohren, und weiß noch nicht
viel von sich. Daß ich's dem Checo lassen muß, mit
ihr zu tanzen! ich verstand es sonst wohl leidlich. Aber
nun beschwör' ich Euch, thut Alles auf, was Auge
an Euch ist. Ein Wunder will sich begeben.

Theodor bedürfte der Erinnerung nicht. Er lehnte
gegen einen Tisch und verwandte keinen Blick von

Alte haſtig ein, eine Jungfer iſt's, ſag' ich Euch, und
ſie nickte bekräftigend, ja, ja, ein Ding ſo unſchuldig
wie Chriſti Blut. Hätt' ich mich ſonſt ihrer ange¬
nommen?

Nun, nun! wenn ich's glaube, glaub' ich's ihrem
Geſicht und nicht Eurem, Mutter. Kann ſie tanzen?
Der Herr hier iſt ein Fremder, und ich gönnt' es
ihm, daß er einen braven Saltarello kennen lernte.

Theodor ſagte einige Worte, daß ihm ein Ge¬
fallen geſchehen würde. Die Alte winkte der Wirthin;
Caterina ſtand ſtillſchweigend aus. Bald waren die
nächſten Tiſche zurückgeſchoben, daß ein geringer Raum
frei wurde, und Lalla brachte das Tamburin. Wäh¬
rend die Alte ſich in einem Winkel damit zurechtſetzte,
die übrigen Gäſte der Schenke einer nach dem an¬
dern herankamen und der Burſch, der die Gäſte be¬
dient hatte, ſich zum Tanz anſchickte, flüſterte Bianchi
dem Freund ins Ohr: Seht dieſe Geſtalt und die
Feinheit der Hände und Füße, und wie ſie ſteht, ein
vollkommnes Gewächs, wie ich keines ſah, tadellos
bis zu den allerliebſten Ohren, und weiß noch nicht
viel von ſich. Daß ich's dem Checo laſſen muß, mit
ihr zu tanzen! ich verſtand es ſonſt wohl leidlich. Aber
nun beſchwör' ich Euch, thut Alles auf, was Auge
an Euch iſt. Ein Wunder will ſich begeben.

Theodor bedürfte der Erinnerung nicht. Er lehnte
gegen einen Tiſch und verwandte keinen Blick von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0187" n="175"/>
Alte ha&#x017F;tig ein, eine Jungfer i&#x017F;t's, &#x017F;ag' ich Euch, und<lb/>
&#x017F;ie nickte bekräftigend, ja, ja, ein Ding &#x017F;o un&#x017F;chuldig<lb/>
wie Chri&#x017F;ti Blut. Hätt' ich mich &#x017F;on&#x017F;t ihrer ange¬<lb/>
nommen?</p><lb/>
        <p>Nun, nun! wenn ich's glaube, glaub' ich's ihrem<lb/>
Ge&#x017F;icht und nicht Eurem, Mutter. Kann &#x017F;ie tanzen?<lb/>
Der Herr hier i&#x017F;t ein Fremder, und ich gönnt' es<lb/>
ihm, daß er einen braven Saltarello kennen lernte.</p><lb/>
        <p>Theodor &#x017F;agte einige Worte, daß ihm ein Ge¬<lb/>
fallen ge&#x017F;chehen würde. Die Alte winkte der Wirthin;<lb/>
Caterina &#x017F;tand &#x017F;till&#x017F;chweigend aus. Bald waren die<lb/>
näch&#x017F;ten Ti&#x017F;che zurückge&#x017F;choben, daß ein geringer Raum<lb/>
frei wurde, und Lalla brachte das Tamburin. Wäh¬<lb/>
rend die Alte &#x017F;ich in einem Winkel damit zurecht&#x017F;etzte,<lb/>
die übrigen Gä&#x017F;te der Schenke einer nach dem an¬<lb/>
dern herankamen und der Bur&#x017F;ch, der die Gä&#x017F;te be¬<lb/>
dient hatte, &#x017F;ich zum Tanz an&#x017F;chickte, flü&#x017F;terte Bianchi<lb/>
dem Freund ins Ohr: Seht die&#x017F;e Ge&#x017F;talt und die<lb/>
Feinheit der Hände und Füße, und wie &#x017F;ie &#x017F;teht, ein<lb/>
vollkommnes Gewächs, wie ich keines &#x017F;ah, tadellos<lb/>
bis zu den allerlieb&#x017F;ten Ohren, und weiß noch nicht<lb/>
viel von &#x017F;ich. Daß ich's dem Checo la&#x017F;&#x017F;en muß, mit<lb/>
ihr zu tanzen! ich ver&#x017F;tand es &#x017F;on&#x017F;t wohl leidlich. Aber<lb/>
nun be&#x017F;chwör' ich Euch, thut Alles auf, was Auge<lb/>
an Euch i&#x017F;t. Ein Wunder will &#x017F;ich begeben.</p><lb/>
        <p>Theodor bedürfte der Erinnerung nicht. Er lehnte<lb/>
gegen einen Ti&#x017F;ch und verwandte keinen Blick von<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[175/0187] Alte haſtig ein, eine Jungfer iſt's, ſag' ich Euch, und ſie nickte bekräftigend, ja, ja, ein Ding ſo unſchuldig wie Chriſti Blut. Hätt' ich mich ſonſt ihrer ange¬ nommen? Nun, nun! wenn ich's glaube, glaub' ich's ihrem Geſicht und nicht Eurem, Mutter. Kann ſie tanzen? Der Herr hier iſt ein Fremder, und ich gönnt' es ihm, daß er einen braven Saltarello kennen lernte. Theodor ſagte einige Worte, daß ihm ein Ge¬ fallen geſchehen würde. Die Alte winkte der Wirthin; Caterina ſtand ſtillſchweigend aus. Bald waren die nächſten Tiſche zurückgeſchoben, daß ein geringer Raum frei wurde, und Lalla brachte das Tamburin. Wäh¬ rend die Alte ſich in einem Winkel damit zurechtſetzte, die übrigen Gäſte der Schenke einer nach dem an¬ dern herankamen und der Burſch, der die Gäſte be¬ dient hatte, ſich zum Tanz anſchickte, flüſterte Bianchi dem Freund ins Ohr: Seht dieſe Geſtalt und die Feinheit der Hände und Füße, und wie ſie ſteht, ein vollkommnes Gewächs, wie ich keines ſah, tadellos bis zu den allerliebſten Ohren, und weiß noch nicht viel von ſich. Daß ich's dem Checo laſſen muß, mit ihr zu tanzen! ich verſtand es ſonſt wohl leidlich. Aber nun beſchwör' ich Euch, thut Alles auf, was Auge an Euch iſt. Ein Wunder will ſich begeben. Theodor bedürfte der Erinnerung nicht. Er lehnte gegen einen Tiſch und verwandte keinen Blick von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/187
Zitationshilfe: Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/187>, abgerufen am 22.12.2024.