Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.samen Hause übernachtet werden, das durch die Nähe Das Mädchen saß auf einem Stein und wartete ſamen Hauſe übernachtet werden, das durch die Nähe Das Mädchen ſaß auf einem Stein und wartete <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0041" n="29"/> ſamen Hauſe übernachtet werden, das durch die Nähe<lb/> eines gewaltigen Waſſerfalls berühmt war. Sie hatten<lb/> eine weite Wanderung beſtanden, und die Frauen<lb/> waren erſchöpft. Als ſie das Haus erreichten, führte<lb/> der Pfarrer ſeine Frau hinein, ohne vorher die Strecke<lb/> nach der Schlucht weiter hinauf zu wandern, aus der<lb/> man den Sturz brauſen hörte. Auch Marlene war<lb/> völlig ermattet; aber ſie wollte Clemens folgen, den<lb/> noch nicht nach Ruhe verlangte. So ſtiegen ſie die<lb/> Stufen weiter hinan, und immer deutlicher klang<lb/> das toſende Waſſer herüber. Mitten auf der ſchmalen<lb/> Steile verließ Marlenen die letzte Kraft. „Ich will<lb/> hier ſitzen bleiben“, ſagte ſie. „Geh du vollends hin¬<lb/> auf und hole mich wieder, wenn du dich ſatt geſehen<lb/> haſt.“ Er erbot ſich, ſie zuerſt ins Haus zu bringen,<lb/> aber ſie ſaß ſchon, und ſo verließ er ſie und ging<lb/> dem Schalle nach, ſelig ergriffen von der Einſamkeit<lb/> und Majeſtät des Ortes.</p><lb/> <p>Das Mädchen ſaß auf einem Stein und wartete<lb/> ſeiner Rückkehr. Es däuchte ſie, daß er unendlich<lb/> zögere. Ein Froſt überrieſelte ſie, und der dumpfe<lb/> ferne Donner des Waſſerfalls machte ſie ſchauern.<lb/> Warum kommt er nicht? dachte ſie bei ſich. Er wird<lb/> mich vergeſſen über ſeiner Freude, wie immer. Fänd'<lb/> ich nur den Weg ins Haus, daß ich warm würde!<lb/> — So ſaß ſie ängſtlich und horchte in die Ferne.<lb/> Plötzlich war es ihr, als unterſcheide ſie ſeine Stimme,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [29/0041]
ſamen Hauſe übernachtet werden, das durch die Nähe
eines gewaltigen Waſſerfalls berühmt war. Sie hatten
eine weite Wanderung beſtanden, und die Frauen
waren erſchöpft. Als ſie das Haus erreichten, führte
der Pfarrer ſeine Frau hinein, ohne vorher die Strecke
nach der Schlucht weiter hinauf zu wandern, aus der
man den Sturz brauſen hörte. Auch Marlene war
völlig ermattet; aber ſie wollte Clemens folgen, den
noch nicht nach Ruhe verlangte. So ſtiegen ſie die
Stufen weiter hinan, und immer deutlicher klang
das toſende Waſſer herüber. Mitten auf der ſchmalen
Steile verließ Marlenen die letzte Kraft. „Ich will
hier ſitzen bleiben“, ſagte ſie. „Geh du vollends hin¬
auf und hole mich wieder, wenn du dich ſatt geſehen
haſt.“ Er erbot ſich, ſie zuerſt ins Haus zu bringen,
aber ſie ſaß ſchon, und ſo verließ er ſie und ging
dem Schalle nach, ſelig ergriffen von der Einſamkeit
und Majeſtät des Ortes.
Das Mädchen ſaß auf einem Stein und wartete
ſeiner Rückkehr. Es däuchte ſie, daß er unendlich
zögere. Ein Froſt überrieſelte ſie, und der dumpfe
ferne Donner des Waſſerfalls machte ſie ſchauern.
Warum kommt er nicht? dachte ſie bei ſich. Er wird
mich vergeſſen über ſeiner Freude, wie immer. Fänd'
ich nur den Weg ins Haus, daß ich warm würde!
— So ſaß ſie ängſtlich und horchte in die Ferne.
Plötzlich war es ihr, als unterſcheide ſie ſeine Stimme,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |