Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.vermied es mehr als je, dem Mädchen zu begegnen, So kehrte er eines Abends wieder von einem "Ihr werdet mich so bald noch nicht los," rief er "Laß dir's lieb sein, wenn sie dich ein wenig zah¬ "Zahmer? das werd' ich nimmermehr. Wenn ich vermied es mehr als je, dem Mädchen zu begegnen, So kehrte er eines Abends wieder von einem „Ihr werdet mich ſo bald noch nicht los,“ rief er „Laß dir's lieb ſein, wenn ſie dich ein wenig zah¬ „Zahmer? das werd' ich nimmermehr. Wenn ich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0069" n="57"/> vermied es mehr als je, dem Mädchen zu begegnen,<lb/> am meiſten, wenn er ſie in Wolf's Geſellſchaft<lb/> fand. Er ward dann plötzlich blaß und ſuchte ſich<lb/> loszumachen, und die Leute im Dorf begegneten ihm<lb/> oft auf entlegneren Waldwegen, wo er ſich in troſt¬<lb/> loſe Betrachtungen vergrub.</p><lb/> <p>So kehrte er eines Abends wieder von einem<lb/> mißmuthigen weiten Irrgang zurück und trat eben<lb/> aus dem Wald in die Saatfelder ein, als ihm Wolf<lb/> entgegen kam. Dieſer war aufgeregter als gewöhnlich.<lb/> Nach einem langen Beſuch bei Marlenen, die ihn<lb/> heute beſonders gefeſſelt hatte, war er in die Dorf¬<lb/> ſchenke gerathen und hatte ſo viel von dem leichten<lb/> Landwein getrunken, daß er Luſt bekam, in der Abend¬<lb/> kühle ein wenig über Feld zu gehen.</p><lb/> <p>„Ihr werdet mich ſo bald noch nicht los,“ rief er<lb/> Clemens entgegen. „Dieſe kleine blinde Hexe giebt<lb/> mir noch auf zu rathen. Sie iſt geſcheiter, als ein<lb/> Dutzend Weiber in der Stadt, die ihre Augen nur<lb/> haben, um mit Gott und Menſchen zu liebäugeln.<lb/> Und wie ſie mich kurz hält, das iſt nun vollends ein<lb/> Meiſterſtück.“</p><lb/> <p>„Laß dir's lieb ſein, wenn ſie dich ein wenig zah¬<lb/> mer macht,“ ſagte Clemens kurz.</p><lb/> <p>„Zahmer? das werd' ich nimmermehr. Wenn ich<lb/> ſie ſo anſehe mit ihrer prächtigen Geſtalt und dem<lb/> ſchönen Geſicht, es iſt wahrlich nicht um zahm zu<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [57/0069]
vermied es mehr als je, dem Mädchen zu begegnen,
am meiſten, wenn er ſie in Wolf's Geſellſchaft
fand. Er ward dann plötzlich blaß und ſuchte ſich
loszumachen, und die Leute im Dorf begegneten ihm
oft auf entlegneren Waldwegen, wo er ſich in troſt¬
loſe Betrachtungen vergrub.
So kehrte er eines Abends wieder von einem
mißmuthigen weiten Irrgang zurück und trat eben
aus dem Wald in die Saatfelder ein, als ihm Wolf
entgegen kam. Dieſer war aufgeregter als gewöhnlich.
Nach einem langen Beſuch bei Marlenen, die ihn
heute beſonders gefeſſelt hatte, war er in die Dorf¬
ſchenke gerathen und hatte ſo viel von dem leichten
Landwein getrunken, daß er Luſt bekam, in der Abend¬
kühle ein wenig über Feld zu gehen.
„Ihr werdet mich ſo bald noch nicht los,“ rief er
Clemens entgegen. „Dieſe kleine blinde Hexe giebt
mir noch auf zu rathen. Sie iſt geſcheiter, als ein
Dutzend Weiber in der Stadt, die ihre Augen nur
haben, um mit Gott und Menſchen zu liebäugeln.
Und wie ſie mich kurz hält, das iſt nun vollends ein
Meiſterſtück.“
„Laß dir's lieb ſein, wenn ſie dich ein wenig zah¬
mer macht,“ ſagte Clemens kurz.
„Zahmer? das werd' ich nimmermehr. Wenn ich
ſie ſo anſehe mit ihrer prächtigen Geſtalt und dem
ſchönen Geſicht, es iſt wahrlich nicht um zahm zu
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