Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Nun, dacht' ich, sie wird schon aufthauen. Aber sage
selbst, Marion, haben wir uns nicht zusammen ge¬
langweilt wie nur je ein christliches Ehepaar?

Das junge Weib schwieg beharrlich. Aber die
Augen füllten sich ihr mit schweren Tropfen. Adam
riß heftig an einem jungen Zweig und sprach weiter:

Ich will nicht sagen, daß andere Frauen besser
sind oder auf die Länge unterhaltender. Ich sage
das nicht, und so bin ich dir Dank schuldig, denn
du hast mich bei Zeiten überzeugt, daß ich einen
dummen Streich begangen habe, als ich ein Weib
nahm. Aber zum dritten Mal: ich halt's hier nicht
aus! Soll ich in meinen jungen Jahren in diesem
Nest verkommen und eintrocknen, bloß weil ich den
Einfall hatte, dich schön zu finden? Und in Paris
an den Hof des Königs, in die Säle der Prinzen,
wo mir meine Kunst Ehre und Ansehn einbrächte,
soll ich keinen Fuß hineinsetzen? Und keinen Fuß in
die Häuser der gelehrten Doctoren an der Univer¬
sität, wo in einer Stunde mehr gescheites Zeug ge¬
sprochen wird, als du in einem Jahr vorbringst?
Und das Alles, weil du ein schönes Weib bist -- denn
das bist du -- und zufällig mein eignes Weib. Soll
mich der Teufel in einen Pfannekuchen backen, wenn
ich mir das gefallen lasse!

Er ging einigemal auf und ab, lebhaft gesticuli¬
rend, sah dann seine Frau von der Seite an und
fuhr wieder fort:

Nun, dacht' ich, ſie wird ſchon aufthauen. Aber ſage
ſelbſt, Marion, haben wir uns nicht zuſammen ge¬
langweilt wie nur je ein chriſtliches Ehepaar?

Das junge Weib ſchwieg beharrlich. Aber die
Augen füllten ſich ihr mit ſchweren Tropfen. Adam
riß heftig an einem jungen Zweig und ſprach weiter:

Ich will nicht ſagen, daß andere Frauen beſſer
ſind oder auf die Länge unterhaltender. Ich ſage
das nicht, und ſo bin ich dir Dank ſchuldig, denn
du haſt mich bei Zeiten überzeugt, daß ich einen
dummen Streich begangen habe, als ich ein Weib
nahm. Aber zum dritten Mal: ich halt's hier nicht
aus! Soll ich in meinen jungen Jahren in dieſem
Neſt verkommen und eintrocknen, bloß weil ich den
Einfall hatte, dich ſchön zu finden? Und in Paris
an den Hof des Königs, in die Säle der Prinzen,
wo mir meine Kunſt Ehre und Anſehn einbrächte,
ſoll ich keinen Fuß hineinſetzen? Und keinen Fuß in
die Häuſer der gelehrten Doctoren an der Univer¬
ſität, wo in einer Stunde mehr geſcheites Zeug ge¬
ſprochen wird, als du in einem Jahr vorbringſt?
Und das Alles, weil du ein ſchönes Weib biſt — denn
das biſt du — und zufällig mein eignes Weib. Soll
mich der Teufel in einen Pfannekuchen backen, wenn
ich mir das gefallen laſſe!

Er ging einigemal auf und ab, lebhaft geſticuli¬
rend, ſah dann ſeine Frau von der Seite an und
fuhr wieder fort:

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0086" n="74"/>
Nun, dacht' ich, &#x017F;ie wird &#x017F;chon aufthauen. Aber &#x017F;age<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t, Marion, haben wir uns nicht zu&#x017F;ammen ge¬<lb/>
langweilt wie nur je ein chri&#x017F;tliches Ehepaar?</p><lb/>
        <p>Das junge Weib &#x017F;chwieg beharrlich. Aber die<lb/>
Augen füllten &#x017F;ich ihr mit &#x017F;chweren Tropfen. Adam<lb/>
riß heftig an einem jungen Zweig und &#x017F;prach weiter:</p><lb/>
        <p>Ich will nicht &#x017F;agen, daß andere Frauen be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
&#x017F;ind oder auf die Länge unterhaltender. Ich &#x017F;age<lb/>
das nicht, und &#x017F;o bin ich dir Dank &#x017F;chuldig, denn<lb/>
du ha&#x017F;t mich bei Zeiten überzeugt, daß ich einen<lb/>
dummen Streich begangen habe, als ich ein Weib<lb/>
nahm. Aber zum dritten Mal: ich halt's hier nicht<lb/>
aus! Soll ich in meinen jungen Jahren in die&#x017F;em<lb/>
Ne&#x017F;t verkommen und eintrocknen, bloß weil ich den<lb/>
Einfall hatte, dich &#x017F;chön zu finden? Und in Paris<lb/>
an den Hof des Königs, in die Säle der Prinzen,<lb/>
wo mir meine Kun&#x017F;t Ehre und An&#x017F;ehn einbrächte,<lb/>
&#x017F;oll ich keinen Fuß hinein&#x017F;etzen? Und keinen Fuß in<lb/>
die Häu&#x017F;er der gelehrten Doctoren an der Univer¬<lb/>
&#x017F;ität, wo in einer Stunde mehr ge&#x017F;cheites Zeug ge¬<lb/>
&#x017F;prochen wird, als du in einem Jahr vorbring&#x017F;t?<lb/>
Und das Alles, weil du ein &#x017F;chönes Weib bi&#x017F;t &#x2014; denn<lb/>
das bi&#x017F;t du &#x2014; und zufällig mein eignes Weib. Soll<lb/>
mich der Teufel in einen Pfannekuchen backen, wenn<lb/>
ich mir das gefallen la&#x017F;&#x017F;e!</p><lb/>
        <p>Er ging einigemal auf und ab, lebhaft ge&#x017F;ticuli¬<lb/>
rend, &#x017F;ah dann &#x017F;eine Frau von der Seite an und<lb/>
fuhr wieder fort:<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[74/0086] Nun, dacht' ich, ſie wird ſchon aufthauen. Aber ſage ſelbſt, Marion, haben wir uns nicht zuſammen ge¬ langweilt wie nur je ein chriſtliches Ehepaar? Das junge Weib ſchwieg beharrlich. Aber die Augen füllten ſich ihr mit ſchweren Tropfen. Adam riß heftig an einem jungen Zweig und ſprach weiter: Ich will nicht ſagen, daß andere Frauen beſſer ſind oder auf die Länge unterhaltender. Ich ſage das nicht, und ſo bin ich dir Dank ſchuldig, denn du haſt mich bei Zeiten überzeugt, daß ich einen dummen Streich begangen habe, als ich ein Weib nahm. Aber zum dritten Mal: ich halt's hier nicht aus! Soll ich in meinen jungen Jahren in dieſem Neſt verkommen und eintrocknen, bloß weil ich den Einfall hatte, dich ſchön zu finden? Und in Paris an den Hof des Königs, in die Säle der Prinzen, wo mir meine Kunſt Ehre und Anſehn einbrächte, ſoll ich keinen Fuß hineinſetzen? Und keinen Fuß in die Häuſer der gelehrten Doctoren an der Univer¬ ſität, wo in einer Stunde mehr geſcheites Zeug ge¬ ſprochen wird, als du in einem Jahr vorbringſt? Und das Alles, weil du ein ſchönes Weib biſt — denn das biſt du — und zufällig mein eignes Weib. Soll mich der Teufel in einen Pfannekuchen backen, wenn ich mir das gefallen laſſe! Er ging einigemal auf und ab, lebhaft geſticuli¬ rend, ſah dann ſeine Frau von der Seite an und fuhr wieder fort:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/86
Zitationshilfe: Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/86>, abgerufen am 22.12.2024.