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Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Zimmer zu treten, wo der Vater hinter der Flasche und einem alten Zeitungsblatt, die Tante und die Rosine an ihren Spinnrädern saßen, um hier im derbsten Stil die saubere Historie von den beiden Landfahrern zum Besten zu geben. Niemand erwiderte ihm ein Wort; es war ihm aber schon eine Genugthuung, zu sehen, daß die Tante lodtenblaß wurde und der Rosel in die Arme sank. Sie hatte immer dem Andree das Wort geredct; nun mochte sie's erleben, daß er auf die elendeste Art zu Grunde ging. Mrt einem höhnischen Gute Nacht! ging er aus der Thür und strich mit seinem Gesellen die steilen Pfade hinab durch die laublosen Kastanienwälder der Stadt zu, um dort die Nacht zu verzechen und finstere Pläne zu schmieden.

Die Drei, die auf Goyen zurückblieben, saßen wohl eine Viertelstunde schweigend beisammen, die Tante, die sich rasch wieder erholt hatte, schien zu beten, Rosel sah, keines eigenen Gedankens fähig, auf den Vater, der unverändert auf das Zeitungsblatt starrte und heftig rauchte. Endlich stand er auf, klopfte die kleine Holzpfeife bedächtig aus und befahl der Tochter, zu Bett zu gehen.

Als er mit der Anna allein war, trat er dicht vor sie hin und sagte: Laß einmal das Beten! Man betet Nichts weg, was einem der Teufel auf den Weg gelegt hat. Du hast gehört, daß der Landstreicher -- ich mag ihn nicht nennen -- wieder einpassirt ist.

Zimmer zu treten, wo der Vater hinter der Flasche und einem alten Zeitungsblatt, die Tante und die Rosine an ihren Spinnrädern saßen, um hier im derbsten Stil die saubere Historie von den beiden Landfahrern zum Besten zu geben. Niemand erwiderte ihm ein Wort; es war ihm aber schon eine Genugthuung, zu sehen, daß die Tante lodtenblaß wurde und der Rosel in die Arme sank. Sie hatte immer dem Andree das Wort geredct; nun mochte sie's erleben, daß er auf die elendeste Art zu Grunde ging. Mrt einem höhnischen Gute Nacht! ging er aus der Thür und strich mit seinem Gesellen die steilen Pfade hinab durch die laublosen Kastanienwälder der Stadt zu, um dort die Nacht zu verzechen und finstere Pläne zu schmieden.

Die Drei, die auf Goyen zurückblieben, saßen wohl eine Viertelstunde schweigend beisammen, die Tante, die sich rasch wieder erholt hatte, schien zu beten, Rosel sah, keines eigenen Gedankens fähig, auf den Vater, der unverändert auf das Zeitungsblatt starrte und heftig rauchte. Endlich stand er auf, klopfte die kleine Holzpfeife bedächtig aus und befahl der Tochter, zu Bett zu gehen.

Als er mit der Anna allein war, trat er dicht vor sie hin und sagte: Laß einmal das Beten! Man betet Nichts weg, was einem der Teufel auf den Weg gelegt hat. Du hast gehört, daß der Landstreicher — ich mag ihn nicht nennen — wieder einpassirt ist.

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[0136] Zimmer zu treten, wo der Vater hinter der Flasche und einem alten Zeitungsblatt, die Tante und die Rosine an ihren Spinnrädern saßen, um hier im derbsten Stil die saubere Historie von den beiden Landfahrern zum Besten zu geben. Niemand erwiderte ihm ein Wort; es war ihm aber schon eine Genugthuung, zu sehen, daß die Tante lodtenblaß wurde und der Rosel in die Arme sank. Sie hatte immer dem Andree das Wort geredct; nun mochte sie's erleben, daß er auf die elendeste Art zu Grunde ging. Mrt einem höhnischen Gute Nacht! ging er aus der Thür und strich mit seinem Gesellen die steilen Pfade hinab durch die laublosen Kastanienwälder der Stadt zu, um dort die Nacht zu verzechen und finstere Pläne zu schmieden. Die Drei, die auf Goyen zurückblieben, saßen wohl eine Viertelstunde schweigend beisammen, die Tante, die sich rasch wieder erholt hatte, schien zu beten, Rosel sah, keines eigenen Gedankens fähig, auf den Vater, der unverändert auf das Zeitungsblatt starrte und heftig rauchte. Endlich stand er auf, klopfte die kleine Holzpfeife bedächtig aus und befahl der Tochter, zu Bett zu gehen. Als er mit der Anna allein war, trat er dicht vor sie hin und sagte: Laß einmal das Beten! Man betet Nichts weg, was einem der Teufel auf den Weg gelegt hat. Du hast gehört, daß der Landstreicher — ich mag ihn nicht nennen — wieder einpassirt ist.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:27:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:27:07Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910/136>, abgerufen am 24.11.2024.