Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Male fühlte er es dunkel, daß sein theurer Lehrer und Seelsorger nicht die Macht halte, Stürme zu beschwichtigen, wie sie in seinem Gemüthe tobten. Eine dunkle Angst, mit seinem beladenen Gewissen an eine sichere Stelle zu flüchten, hatte ihn hieher getrieben. Aber der Frieden, der auf diesem ruhig athmenden, leicht gerötheten Gesichte lag, war nicht für ihn. Wozu sollte er seine Noth klagen, da Niemand ihm helfen konnte.

Er zog schon den Fuß zurück, um die Halle sacht, wie er gekommen war, wieder zu verlassen, als der Schlafende, von der Flamme des Lämpchens beunruhigt, eine Bewegung machte und mit noch geschlossenen Augen vor sich hin sagte: Der heurige wird gut, aber der ferndige war Besser. Schau' nur fleißig zu, Andree; der rothe' Farnatsch --

Hochwürdiger Herr, sagte der Bursch mit erhobener Stimme; ich bin hier und bitt' um Entschuldigung, wenn ich Ihre Nachtruh' störe. Aber ich möcht' doch nicht weggehn, ohne Abschied von Ihnen zu nehmen.

Erschrocken fuhr der Träumende in die Höhe und starrte mit weit aufgerissenen Augen den nächtlichen Besucher an. Himmlische Barmherzigkeit! rief er, was ist geschehen? Andree bist du's wirklich, hier oben auf Schloß Goyen, bei nachtschlafender Zeit, und mit' einem Gesicht, Mehr todt als lebendig?

's ist mir auch danach zu Muth, Hochwürden,

Male fühlte er es dunkel, daß sein theurer Lehrer und Seelsorger nicht die Macht halte, Stürme zu beschwichtigen, wie sie in seinem Gemüthe tobten. Eine dunkle Angst, mit seinem beladenen Gewissen an eine sichere Stelle zu flüchten, hatte ihn hieher getrieben. Aber der Frieden, der auf diesem ruhig athmenden, leicht gerötheten Gesichte lag, war nicht für ihn. Wozu sollte er seine Noth klagen, da Niemand ihm helfen konnte.

Er zog schon den Fuß zurück, um die Halle sacht, wie er gekommen war, wieder zu verlassen, als der Schlafende, von der Flamme des Lämpchens beunruhigt, eine Bewegung machte und mit noch geschlossenen Augen vor sich hin sagte: Der heurige wird gut, aber der ferndige war Besser. Schau' nur fleißig zu, Andree; der rothe' Farnatsch —

Hochwürdiger Herr, sagte der Bursch mit erhobener Stimme; ich bin hier und bitt' um Entschuldigung, wenn ich Ihre Nachtruh' störe. Aber ich möcht' doch nicht weggehn, ohne Abschied von Ihnen zu nehmen.

Erschrocken fuhr der Träumende in die Höhe und starrte mit weit aufgerissenen Augen den nächtlichen Besucher an. Himmlische Barmherzigkeit! rief er, was ist geschehen? Andree bist du's wirklich, hier oben auf Schloß Goyen, bei nachtschlafender Zeit, und mit' einem Gesicht, Mehr todt als lebendig?

's ist mir auch danach zu Muth, Hochwürden,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="1">
        <p><pb facs="#f0072"/>
Male fühlte er es dunkel, daß sein     theurer Lehrer und Seelsorger nicht die Macht halte, Stürme zu beschwichtigen, wie sie in seinem     Gemüthe tobten. Eine dunkle Angst, mit seinem beladenen Gewissen an eine sichere Stelle zu     flüchten, hatte ihn hieher getrieben. Aber der Frieden, der auf diesem ruhig athmenden, leicht     gerötheten Gesichte lag, war nicht für ihn. Wozu sollte er seine Noth klagen, da Niemand ihm     helfen konnte.</p><lb/>
        <p>Er zog schon den Fuß zurück, um die Halle sacht, wie er gekommen war, wieder zu verlassen, als     der Schlafende, von der Flamme des Lämpchens beunruhigt, eine Bewegung machte und mit noch     geschlossenen Augen vor sich hin sagte: Der heurige wird gut, aber der ferndige war Besser.     Schau' nur fleißig zu, Andree; der rothe' Farnatsch &#x2014;</p><lb/>
        <p>Hochwürdiger Herr, sagte der Bursch mit erhobener Stimme; ich bin hier und bitt' um     Entschuldigung, wenn ich Ihre Nachtruh' störe. Aber ich möcht' doch nicht weggehn, ohne Abschied     von Ihnen zu nehmen.</p><lb/>
        <p>Erschrocken fuhr der Träumende in die Höhe und starrte mit weit aufgerissenen Augen den     nächtlichen Besucher an. Himmlische Barmherzigkeit! rief er, was ist geschehen? Andree bist du's     wirklich, hier oben auf Schloß Goyen, bei nachtschlafender Zeit, und mit' einem Gesicht, Mehr     todt als lebendig?</p><lb/>
        <p>'s ist mir auch danach zu Muth, Hochwürden,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0072] Male fühlte er es dunkel, daß sein theurer Lehrer und Seelsorger nicht die Macht halte, Stürme zu beschwichtigen, wie sie in seinem Gemüthe tobten. Eine dunkle Angst, mit seinem beladenen Gewissen an eine sichere Stelle zu flüchten, hatte ihn hieher getrieben. Aber der Frieden, der auf diesem ruhig athmenden, leicht gerötheten Gesichte lag, war nicht für ihn. Wozu sollte er seine Noth klagen, da Niemand ihm helfen konnte. Er zog schon den Fuß zurück, um die Halle sacht, wie er gekommen war, wieder zu verlassen, als der Schlafende, von der Flamme des Lämpchens beunruhigt, eine Bewegung machte und mit noch geschlossenen Augen vor sich hin sagte: Der heurige wird gut, aber der ferndige war Besser. Schau' nur fleißig zu, Andree; der rothe' Farnatsch — Hochwürdiger Herr, sagte der Bursch mit erhobener Stimme; ich bin hier und bitt' um Entschuldigung, wenn ich Ihre Nachtruh' störe. Aber ich möcht' doch nicht weggehn, ohne Abschied von Ihnen zu nehmen. Erschrocken fuhr der Träumende in die Höhe und starrte mit weit aufgerissenen Augen den nächtlichen Besucher an. Himmlische Barmherzigkeit! rief er, was ist geschehen? Andree bist du's wirklich, hier oben auf Schloß Goyen, bei nachtschlafender Zeit, und mit' einem Gesicht, Mehr todt als lebendig? 's ist mir auch danach zu Muth, Hochwürden,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:27:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:27:07Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910/72
Zitationshilfe: Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910/72>, abgerufen am 21.11.2024.