Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.thun würde. Eine schärfere Mannszucht sollte die Wiederkehr ähnlicher böser Händel verhüten. Der Spießgesell des Welschen saß im Arrest; der Bauer, dem das Weingut verwüstet war, sollte entschädigt werden. Und so ließ sich Alles tröstlich und versöhnlich an, und der sorgenvolle Menschenfreund konnte der Tante Anna gute Zeitung schicken und zwei schöne und erbauliche Briefe ins Vintschgau hinaus entsenden, den einen an seinen Freund, den Prior, den andern an sein Beichtkind, dem er ernstlich ins Gewissen sprach, falls er sich mit schwerer Sünde belastet fühle, nicht zu säumen, sondern dem geistlichen Freunde seiner Jugend in einem umgehenden Schreiben offene Beichte abzulegen. Ein solches Schreiben aber blieb nicht nur in nächster Zeit, sondern alle Wochen und Monate hindurch beharrlich aus. Vom Prior freilich lief bald darauf eine freundschaftliche Antwort ein, des Inhalts, daß der Andree Ingram richtig eingetroffen, auch bereits in die Laienkutte gesteckt sei, da er seinen Entschluß, im Kloster zu leben und zu sterben, auf die dringendste Art wiederholt ausgesprochen habe. Ein späterer Brief, erst um Weihnachten geschrieben, erwähnte nur kurz, daß sich der Noviz Andreas zu Aller Zufriedenheit aufführe, schweigsam und bescheiden seinen Dienst thue und in den Stunden der Muße in den Klosterbüchern studire, zu einem Schreiben an die seinigen aber nicht zu bewegen sei. Von einem gebeichteten Geheimniß stand natürlich in dem geistlichen Briefe nichts zu lesen. thun würde. Eine schärfere Mannszucht sollte die Wiederkehr ähnlicher böser Händel verhüten. Der Spießgesell des Welschen saß im Arrest; der Bauer, dem das Weingut verwüstet war, sollte entschädigt werden. Und so ließ sich Alles tröstlich und versöhnlich an, und der sorgenvolle Menschenfreund konnte der Tante Anna gute Zeitung schicken und zwei schöne und erbauliche Briefe ins Vintschgau hinaus entsenden, den einen an seinen Freund, den Prior, den andern an sein Beichtkind, dem er ernstlich ins Gewissen sprach, falls er sich mit schwerer Sünde belastet fühle, nicht zu säumen, sondern dem geistlichen Freunde seiner Jugend in einem umgehenden Schreiben offene Beichte abzulegen. Ein solches Schreiben aber blieb nicht nur in nächster Zeit, sondern alle Wochen und Monate hindurch beharrlich aus. Vom Prior freilich lief bald darauf eine freundschaftliche Antwort ein, des Inhalts, daß der Andree Ingram richtig eingetroffen, auch bereits in die Laienkutte gesteckt sei, da er seinen Entschluß, im Kloster zu leben und zu sterben, auf die dringendste Art wiederholt ausgesprochen habe. Ein späterer Brief, erst um Weihnachten geschrieben, erwähnte nur kurz, daß sich der Noviz Andreas zu Aller Zufriedenheit aufführe, schweigsam und bescheiden seinen Dienst thue und in den Stunden der Muße in den Klosterbüchern studire, zu einem Schreiben an die seinigen aber nicht zu bewegen sei. Von einem gebeichteten Geheimniß stand natürlich in dem geistlichen Briefe nichts zu lesen. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0082"/> thun würde. Eine schärfere Mannszucht sollte die Wiederkehr ähnlicher böser Händel verhüten. Der Spießgesell des Welschen saß im Arrest; der Bauer, dem das Weingut verwüstet war, sollte entschädigt werden. Und so ließ sich Alles tröstlich und versöhnlich an, und der sorgenvolle Menschenfreund konnte der Tante Anna gute Zeitung schicken und zwei schöne und erbauliche Briefe ins Vintschgau hinaus entsenden, den einen an seinen Freund, den Prior, den andern an sein Beichtkind, dem er ernstlich ins Gewissen sprach, falls er sich mit schwerer Sünde belastet fühle, nicht zu säumen, sondern dem geistlichen Freunde seiner Jugend in einem umgehenden Schreiben offene Beichte abzulegen.</p><lb/> <p>Ein solches Schreiben aber blieb nicht nur in nächster Zeit, sondern alle Wochen und Monate hindurch beharrlich aus. Vom Prior freilich lief bald darauf eine freundschaftliche Antwort ein, des Inhalts, daß der Andree Ingram richtig eingetroffen, auch bereits in die Laienkutte gesteckt sei, da er seinen Entschluß, im Kloster zu leben und zu sterben, auf die dringendste Art wiederholt ausgesprochen habe. Ein späterer Brief, erst um Weihnachten geschrieben, erwähnte nur kurz, daß sich der Noviz Andreas zu Aller Zufriedenheit aufführe, schweigsam und bescheiden seinen Dienst thue und in den Stunden der Muße in den Klosterbüchern studire, zu einem Schreiben an die seinigen aber nicht zu bewegen sei. Von einem gebeichteten Geheimniß stand natürlich in dem geistlichen Briefe nichts zu lesen.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0082]
thun würde. Eine schärfere Mannszucht sollte die Wiederkehr ähnlicher böser Händel verhüten. Der Spießgesell des Welschen saß im Arrest; der Bauer, dem das Weingut verwüstet war, sollte entschädigt werden. Und so ließ sich Alles tröstlich und versöhnlich an, und der sorgenvolle Menschenfreund konnte der Tante Anna gute Zeitung schicken und zwei schöne und erbauliche Briefe ins Vintschgau hinaus entsenden, den einen an seinen Freund, den Prior, den andern an sein Beichtkind, dem er ernstlich ins Gewissen sprach, falls er sich mit schwerer Sünde belastet fühle, nicht zu säumen, sondern dem geistlichen Freunde seiner Jugend in einem umgehenden Schreiben offene Beichte abzulegen.
Ein solches Schreiben aber blieb nicht nur in nächster Zeit, sondern alle Wochen und Monate hindurch beharrlich aus. Vom Prior freilich lief bald darauf eine freundschaftliche Antwort ein, des Inhalts, daß der Andree Ingram richtig eingetroffen, auch bereits in die Laienkutte gesteckt sei, da er seinen Entschluß, im Kloster zu leben und zu sterben, auf die dringendste Art wiederholt ausgesprochen habe. Ein späterer Brief, erst um Weihnachten geschrieben, erwähnte nur kurz, daß sich der Noviz Andreas zu Aller Zufriedenheit aufführe, schweigsam und bescheiden seinen Dienst thue und in den Stunden der Muße in den Klosterbüchern studire, zu einem Schreiben an die seinigen aber nicht zu bewegen sei. Von einem gebeichteten Geheimniß stand natürlich in dem geistlichen Briefe nichts zu lesen.
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Zitationshilfe: | Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910/82>, abgerufen am 16.02.2025. |