Hilbert, David: Mathematische Probleme. Vortrag, gehalten auf dem internationalen Mathematiker-Kongreß zu Paris 1900. Göttingen, 1900.D. Hilbert, von der Beschaffenheit, daß zwei beliebige Transformationen[Formel 1] [Formel 2] des Systems, nacheinander ausgeführt, eine Transformation er- geben, welche wiederum dem System angehört und sich mithin in der Form [Formel 3] darstellen läßt, wo c1, ..., cr gewisse Functionen von a1, ..., ar; b1, ..., br sind. Die Gruppeneigenschaft findet mithin ihren Aus- druck in einem System von Functionalgleichungen und erfordert an sich für die Functionen f1, ..., fn, c1, ..., cr keinerlei nähere Beschränkung. Doch die weitere Behandlungsweise jener Func- tionalgleichungen nach Lie, nämlich die Ableitung der bekannten grundlegenden Differentialgleichungen, setzt notwendig die Stetig- keit und Differenzirbarkeit der die Gruppe definirenden Functionen voraus. Was zunächst die Stetigkeit betrifft, so wird man gewiß an 1) Lie-Engel, Theorie der Transformationsgruppen, Bd. 3, Leipzig 1893. § 82 und § 144. 2) Ueber den analytischen Charakter der eine endliche continuirliche Trans-
formationsgruppe darstellenden Functionen. Mathematische Annalen, Bd. 41. D. Hilbert, von der Beschaffenheit, daß zwei beliebige Transformationen[Formel 1] [Formel 2] des Systems, nacheinander ausgeführt, eine Transformation er- geben, welche wiederum dem System angehört und sich mithin in der Form [Formel 3] darstellen läßt, wo c1, …, cr gewisse Functionen von a1, …, ar; b1, …, br sind. Die Gruppeneigenschaft findet mithin ihren Aus- druck in einem System von Functionalgleichungen und erfordert an sich für die Functionen f1, …, fn, c1, …, cr keinerlei nähere Beschränkung. Doch die weitere Behandlungsweise jener Func- tionalgleichungen nach Lie, nämlich die Ableitung der bekannten grundlegenden Differentialgleichungen, setzt notwendig die Stetig- keit und Differenzirbarkeit der die Gruppe definirenden Functionen voraus. Was zunächst die Stetigkeit betrifft, so wird man gewiß an 1) Lie-Engel, Theorie der Transformationsgruppen, Bd. 3, Leipzig 1893. § 82 und § 144. 2) Ueber den analytischen Charakter der eine endliche continuirliche Trans-
formationsgruppe darstellenden Functionen. Mathematische Annalen, Bd. 41. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0026" n="270"/><fw place="top" type="header">D. <hi rendition="#g">Hilbert</hi>,</fw><lb/> von der Beschaffenheit, daß zwei beliebige Transformationen<lb/><formula/> <formula/> des Systems, nacheinander ausgeführt, eine Transformation er-<lb/> geben, welche wiederum dem System angehört und sich mithin in<lb/> der Form<lb/><formula/> darstellen läßt, wo <hi rendition="#i">c</hi><hi rendition="#sub">1</hi>, …, <hi rendition="#i">c</hi><hi rendition="#sub"><hi rendition="#i">r</hi></hi> gewisse Functionen von <hi rendition="#i">a</hi><hi rendition="#sub">1</hi>, …, <hi rendition="#i">a</hi><hi rendition="#sub"><hi rendition="#i">r</hi></hi>;<lb/><hi rendition="#i">b</hi><hi rendition="#sub">1</hi>, …, <hi rendition="#i">b</hi><hi rendition="#sub"><hi rendition="#i">r</hi></hi> sind. Die Gruppeneigenschaft findet mithin ihren Aus-<lb/> druck in einem System von Functionalgleichungen und erfordert<lb/> an sich für die Functionen <hi rendition="#i">f</hi><hi rendition="#sub">1</hi>, …, <hi rendition="#i">f</hi><hi rendition="#sub"><hi rendition="#i">n</hi></hi>, <hi rendition="#i">c</hi><hi rendition="#sub">1</hi>, …, <hi rendition="#i">c</hi><hi rendition="#sub"><hi rendition="#i">r</hi></hi> keinerlei nähere<lb/> Beschränkung. Doch die weitere Behandlungsweise jener Func-<lb/> tionalgleichungen nach <hi rendition="#g">Lie</hi>, nämlich die Ableitung der bekannten<lb/> grundlegenden Differentialgleichungen, setzt notwendig die Stetig-<lb/> keit und Differenzirbarkeit der die Gruppe definirenden Functionen<lb/> voraus.</p><lb/> <p>Was zunächst die Stetigkeit betrifft, so wird man gewiß an<lb/> dieser Forderung zunächst festhalten — schon im Hinblick auf<lb/> die geometrischen und arithmetischen Anwendungen, bei denen die<lb/> Stetigkeit der in Frage kommenden Functionen als eine Folge des<lb/> Stetigkeitsaxioms erscheint. Dagegen enthält die Differenzirbar-<lb/> keit der die Gruppe definirenden Functionen eine Forderung, die<lb/> sich in den geometrischen Axiomen nur auf recht gezwungene und<lb/> complicirte Weise zum Ausdruck bringen läßt, und es entsteht<lb/> mithin die Frage, ob nicht etwa durch Einführung geeigneter<lb/> neuer Veränderlicher und Parameter die Gruppe stets in eine<lb/> solche übergeführt werden kann, für welche die definirenden Func-<lb/> tionen differenzirbar sind, oder ob wenigstens unter Hinzufügung<lb/> gewisser einfacher Annahmen eine Ueberführung in die der <hi rendition="#g">Lie-<lb/> schen</hi> Methode zugänglichen Gruppen möglich ist. Die Zurück-<lb/> führung auf <hi rendition="#g">analytische</hi> Gruppen ist nach einem von <hi rendition="#g">Lie</hi> <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Lie-Engel</hi>, Theorie der Transformationsgruppen, Bd. 3, Leipzig 1893.<lb/> § 82 und § 144.</note><lb/> aufgestellten und von <hi rendition="#g">Schur</hi> <note place="foot" n="2)">Ueber den analytischen Charakter der eine endliche continuirliche Trans-<lb/> formationsgruppe darstellenden Functionen. Mathematische Annalen, Bd. 41.</note> zuerst bewiesenen Satze stets<lb/> dann möglich, sobald die Gruppe transitiv ist und die Existenz<lb/> der ersten und gewisser zweiter Ableitungen der die Gruppe de-<lb/> finirenden Functionen vorausgesetzt wird.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [270/0026]
D. Hilbert,
von der Beschaffenheit, daß zwei beliebige Transformationen
[FORMEL] [FORMEL] des Systems, nacheinander ausgeführt, eine Transformation er-
geben, welche wiederum dem System angehört und sich mithin in
der Form
[FORMEL] darstellen läßt, wo c1, …, cr gewisse Functionen von a1, …, ar;
b1, …, br sind. Die Gruppeneigenschaft findet mithin ihren Aus-
druck in einem System von Functionalgleichungen und erfordert
an sich für die Functionen f1, …, fn, c1, …, cr keinerlei nähere
Beschränkung. Doch die weitere Behandlungsweise jener Func-
tionalgleichungen nach Lie, nämlich die Ableitung der bekannten
grundlegenden Differentialgleichungen, setzt notwendig die Stetig-
keit und Differenzirbarkeit der die Gruppe definirenden Functionen
voraus.
Was zunächst die Stetigkeit betrifft, so wird man gewiß an
dieser Forderung zunächst festhalten — schon im Hinblick auf
die geometrischen und arithmetischen Anwendungen, bei denen die
Stetigkeit der in Frage kommenden Functionen als eine Folge des
Stetigkeitsaxioms erscheint. Dagegen enthält die Differenzirbar-
keit der die Gruppe definirenden Functionen eine Forderung, die
sich in den geometrischen Axiomen nur auf recht gezwungene und
complicirte Weise zum Ausdruck bringen läßt, und es entsteht
mithin die Frage, ob nicht etwa durch Einführung geeigneter
neuer Veränderlicher und Parameter die Gruppe stets in eine
solche übergeführt werden kann, für welche die definirenden Func-
tionen differenzirbar sind, oder ob wenigstens unter Hinzufügung
gewisser einfacher Annahmen eine Ueberführung in die der Lie-
schen Methode zugänglichen Gruppen möglich ist. Die Zurück-
führung auf analytische Gruppen ist nach einem von Lie 1)
aufgestellten und von Schur 2) zuerst bewiesenen Satze stets
dann möglich, sobald die Gruppe transitiv ist und die Existenz
der ersten und gewisser zweiter Ableitungen der die Gruppe de-
finirenden Functionen vorausgesetzt wird.
1) Lie-Engel, Theorie der Transformationsgruppen, Bd. 3, Leipzig 1893.
§ 82 und § 144.
2) Ueber den analytischen Charakter der eine endliche continuirliche Trans-
formationsgruppe darstellenden Functionen. Mathematische Annalen, Bd. 41.
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