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Hilty, Carl: Frauenstimmrecht. In: Hilty, Carl (Hg.): Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern, 1897.

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Frauenstimmrecht.
Kreisen für alles Neue eine fast ebenso grosse Zuneigung
besitzt, wie weiland die Athener1), würde die Frage sehr
an Bedeutung zunehmen und sogar die natürliche Abneigung
aller herrschenden Klassen, ihre Macht mit anderen zu theilen,
überwinden können, wenn man mit einiger Sicherheit die poli-
tischen Folgen einer solchen Neuerung zu ermessen im Stande
wäre. Bisher bestehen darüber keine bestimmten, oder vielmehr
ganz entgegengesetzte Ansichten und das wesentlichste Mittel
sich zu informiren; die Erfahrung in anderen Ländern ist
entweder gar nicht, oder nur in Gebieten vorhanden, die uns
einigermassen ferne stehen.

1. Eine Erfahrung besitzt eigentlich nur Amerika, wo
das volle Frauenstimmrecht, überhaupt die völlige Gleich-
berechtigung der Frauen nun seit beinahe 30 Jahren, man
kann also sagen seit einer Generation, besteht. Thatsächlich
ist dies jedoch auch nur in einem einzigen Gliederstaate der
Union, Wyoming, der Fall. Dort wurde das Frauenstimm-
recht in der ersten Legislatur in Vorschlag gebracht,
nachdem im Jahre 1868 das Territorium mit bloss ungefähr
5000 Seelen Bevölkerung in der damaligen "grossen amerika-
nischen Wüste" entstanden war, und es wird sogar erzählt,
dass man die Sache von der einen Seite mehr als einen Scherz
angesehen, von der anderen dagegen als ein Reklamemittel
für die Kolonisation betrachtet habe, wodurch man das neue
Staatswesen in der Welt bekannt machen könne. In der That
votirte die zweite Session der beiden Kammern bereits die
Abschaffung dieses Stimmrechts, der Gouverneur belegte
jedoch die Abschaffungsbill mit seinem Veto, und die nöthige
Zweidrittel-Mehrheit der Kammern zur Aufhebung des Vetos
kam nicht zu Stande. Das Gesetz blieb bestehen und gieng
in die Verfassung des Staates über, als derselbe im Jahre

1) Ar.-Geschichte XVII, 21.

Frauenstimmrecht.
Kreisen für alles Neue eine fast ebenso grosse Zuneigung
besitzt, wie weiland die Athener1), würde die Frage sehr
an Bedeutung zunehmen und sogar die natürliche Abneigung
aller herrschenden Klassen, ihre Macht mit anderen zu theilen,
überwinden können, wenn man mit einiger Sicherheit die poli-
tischen Folgen einer solchen Neuerung zu ermessen im Stande
wäre. Bisher bestehen darüber keine bestimmten, oder vielmehr
ganz entgegengesetzte Ansichten und das wesentlichste Mittel
sich zu informiren; die Erfahrung in anderen Ländern ist
entweder gar nicht, oder nur in Gebieten vorhanden, die uns
einigermassen ferne stehen.

1. Eine Erfahrung besitzt eigentlich nur Amerika, wo
das volle Frauenstimmrecht, überhaupt die völlige Gleich-
berechtigung der Frauen nun seit beinahe 30 Jahren, man
kann also sagen seit einer Generation, besteht. Thatsächlich
ist dies jedoch auch nur in einem einzigen Gliederstaate der
Union, Wyoming, der Fall. Dort wurde das Frauenstimm-
recht in der ersten Legislatur in Vorschlag gebracht,
nachdem im Jahre 1868 das Territorium mit bloss ungefähr
5000 Seelen Bevölkerung in der damaligen «grossen amerika-
nischen Wüste» entstanden war, und es wird sogar erzählt,
dass man die Sache von der einen Seite mehr als einen Scherz
angesehen, von der anderen dagegen als ein Reklamemittel
für die Kolonisation betrachtet habe, wodurch man das neue
Staatswesen in der Welt bekannt machen könne. In der That
votirte die zweite Session der beiden Kammern bereits die
Abschaffung dieses Stimmrechts, der Gouverneur belegte
jedoch die Abschaffungsbill mit seinem Veto, und die nöthige
Zweidrittel-Mehrheit der Kammern zur Aufhebung des Vetos
kam nicht zu Stande. Das Gesetz blieb bestehen und gieng
in die Verfassung des Staates über, als derselbe im Jahre

1) Aр.-Geschichte XVII, 21.
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[269/0029] Frauenstimmrecht. Kreisen für alles Neue eine fast ebenso grosse Zuneigung besitzt, wie weiland die Athener 1), würde die Frage sehr an Bedeutung zunehmen und sogar die natürliche Abneigung aller herrschenden Klassen, ihre Macht mit anderen zu theilen, überwinden können, wenn man mit einiger Sicherheit die poli- tischen Folgen einer solchen Neuerung zu ermessen im Stande wäre. Bisher bestehen darüber keine bestimmten, oder vielmehr ganz entgegengesetzte Ansichten und das wesentlichste Mittel sich zu informiren; die Erfahrung in anderen Ländern ist entweder gar nicht, oder nur in Gebieten vorhanden, die uns einigermassen ferne stehen. 1. Eine Erfahrung besitzt eigentlich nur Amerika, wo das volle Frauenstimmrecht, überhaupt die völlige Gleich- berechtigung der Frauen nun seit beinahe 30 Jahren, man kann also sagen seit einer Generation, besteht. Thatsächlich ist dies jedoch auch nur in einem einzigen Gliederstaate der Union, Wyoming, der Fall. Dort wurde das Frauenstimm- recht in der ersten Legislatur in Vorschlag gebracht, nachdem im Jahre 1868 das Territorium mit bloss ungefähr 5000 Seelen Bevölkerung in der damaligen «grossen amerika- nischen Wüste» entstanden war, und es wird sogar erzählt, dass man die Sache von der einen Seite mehr als einen Scherz angesehen, von der anderen dagegen als ein Reklamemittel für die Kolonisation betrachtet habe, wodurch man das neue Staatswesen in der Welt bekannt machen könne. In der That votirte die zweite Session der beiden Kammern bereits die Abschaffung dieses Stimmrechts, der Gouverneur belegte jedoch die Abschaffungsbill mit seinem Veto, und die nöthige Zweidrittel-Mehrheit der Kammern zur Aufhebung des Vetos kam nicht zu Stande. Das Gesetz blieb bestehen und gieng in die Verfassung des Staates über, als derselbe im Jahre 1) Aр.-Geschichte XVII, 21.

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Zitationshilfe: Hilty, Carl: Frauenstimmrecht. In: Hilty, Carl (Hg.): Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern, 1897, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hilty_frauenstimmrecht_1897/29>, abgerufen am 21.11.2024.