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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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sich vergnügte, ich habe wenig Aussicht; denn
er hätte gewiß, da er in die freye Luft kam,
ein freundlich Wort fallen lassen; allein --
meine Mutter blieb, der freyen Luft unbe-
schadet, bey ihrer Hofnung, und that unwil-
lig daß dein Großvater mir nicht deinen
Vater gönnte, dem dieser Unwillen hinrei-
chend war, auch Hofnung zu fassen.

Das Gespräch wurde auf die hebräi-
sche Sprache gerichtet, von welcher dein lie-
ber seeliger Großvater behauptete, daß sie
eben nicht so nöthig zum Diener des göttli-
chen Worts an einer christliebenden Gemeine
sey, und daß er selbst nicht einen Punkt zu
verborgen, sondern nur zur höchsten Noth
hätte. Dieser letzte Umstand beruhigte meine
Mutter, und mich macht' er noch betrübter
als ich schon war: denn das Einzige, was
mich bey dem Vorfall, wenn dein Vater
mich verlassen, getröstet hätte, war der Um-
stand, daß er nicht Hebräisch konnte, und
also nicht alle gesunde Gliedmaßen als Geist-
licher hätte -- --

Hier hielt meine Mutter an, und nach-
dem sie mich befragt, ob ich wozu Appetit
hätte, und ich für alles gedankt, wandte sie
sich nach dieser Vorbereitung ganz zärtlich

zu

ſich vergnuͤgte, ich habe wenig Ausſicht; denn
er haͤtte gewiß, da er in die freye Luft kam,
ein freundlich Wort fallen laſſen; allein —
meine Mutter blieb, der freyen Luft unbe-
ſchadet, bey ihrer Hofnung, und that unwil-
lig daß dein Großvater mir nicht deinen
Vater goͤnnte, dem dieſer Unwillen hinrei-
chend war, auch Hofnung zu faſſen.

Das Geſpraͤch wurde auf die hebraͤi-
ſche Sprache gerichtet, von welcher dein lie-
ber ſeeliger Großvater behauptete, daß ſie
eben nicht ſo noͤthig zum Diener des goͤttli-
chen Worts an einer chriſtliebenden Gemeine
ſey, und daß er ſelbſt nicht einen Punkt zu
verborgen, ſondern nur zur hoͤchſten Noth
haͤtte. Dieſer letzte Umſtand beruhigte meine
Mutter, und mich macht’ er noch betruͤbter
als ich ſchon war: denn das Einzige, was
mich bey dem Vorfall, wenn dein Vater
mich verlaſſen, getroͤſtet haͤtte, war der Um-
ſtand, daß er nicht Hebraͤiſch konnte, und
alſo nicht alle geſunde Gliedmaßen als Geiſt-
licher haͤtte — —

Hier hielt meine Mutter an, und nach-
dem ſie mich befragt, ob ich wozu Appetit
haͤtte, und ich fuͤr alles gedankt, wandte ſie
ſich nach dieſer Vorbereitung ganz zaͤrtlich

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[272/0284] ſich vergnuͤgte, ich habe wenig Ausſicht; denn er haͤtte gewiß, da er in die freye Luft kam, ein freundlich Wort fallen laſſen; allein — meine Mutter blieb, der freyen Luft unbe- ſchadet, bey ihrer Hofnung, und that unwil- lig daß dein Großvater mir nicht deinen Vater goͤnnte, dem dieſer Unwillen hinrei- chend war, auch Hofnung zu faſſen. Das Geſpraͤch wurde auf die hebraͤi- ſche Sprache gerichtet, von welcher dein lie- ber ſeeliger Großvater behauptete, daß ſie eben nicht ſo noͤthig zum Diener des goͤttli- chen Worts an einer chriſtliebenden Gemeine ſey, und daß er ſelbſt nicht einen Punkt zu verborgen, ſondern nur zur hoͤchſten Noth haͤtte. Dieſer letzte Umſtand beruhigte meine Mutter, und mich macht’ er noch betruͤbter als ich ſchon war: denn das Einzige, was mich bey dem Vorfall, wenn dein Vater mich verlaſſen, getroͤſtet haͤtte, war der Um- ſtand, daß er nicht Hebraͤiſch konnte, und alſo nicht alle geſunde Gliedmaßen als Geiſt- licher haͤtte — — Hier hielt meine Mutter an, und nach- dem ſie mich befragt, ob ich wozu Appetit haͤtte, und ich fuͤr alles gedankt, wandte ſie ſich nach dieſer Vorbereitung ganz zaͤrtlich zu

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/284>, abgerufen am 24.11.2024.