ders als biblisch träumen. Dieser Gift- traum richtete mich völlig hin. Zwar er- zählte dein lieber Vater eben diesen ersten Abend, daß er den Pastor L -- und sein Haus kenne, und hätte sich freilich alles na- türlich erklären lassen; indessen ist und bleibt dieser Traum immer was besonderes. Man sage von den Cometen was man will; sie sind und bleiben doch Cometen. Mein Blut siedete auf -- Ich hört' es kochen, wie das Wasser in einer Theemaschiene, allein deine Grosmutter hörte nicht sieden, nicht kochen. Sie nahm die ganze Sache auf die leichte Schulter, bis sie zu ihrem Erstaunen sahe, daß mir daß Herz zu brechen anfing. Jetzt dachte sie auf eine Cur, und diese glaubte sie mit dem Ringe auszurichten; allein sie goß Oel zum Feu'r. Ich lag in einer Unge- witterhitze. Es kam ihr vor, es hätte sich Etwas abgekühlt, und nun glaubte meine Mutter wär' es Zeit, die Mediein einzuneh- men. Sie schenkte mir den Ring und ich mußt' ihn anlegen, allein sie goß Oel, sie- dend Oel zum Feu'r. Von dem Spitzchen, wo der Ring seinen Lauf angetreten, gings durch alle Adern -- wellenschlagend! und ich schien außer Hofnung. Man nahm mir
den
ders als bibliſch traͤumen. Dieſer Gift- traum richtete mich voͤllig hin. Zwar er- zaͤhlte dein lieber Vater eben dieſen erſten Abend, daß er den Paſtor L — und ſein Haus kenne, und haͤtte ſich freilich alles na- tuͤrlich erklaͤren laſſen; indeſſen iſt und bleibt dieſer Traum immer was beſonderes. Man ſage von den Cometen was man will; ſie ſind und bleiben doch Cometen. Mein Blut ſiedete auf — Ich hoͤrt’ es kochen, wie das Waſſer in einer Theemaſchiene, allein deine Grosmutter hoͤrte nicht ſieden, nicht kochen. Sie nahm die ganze Sache auf die leichte Schulter, bis ſie zu ihrem Erſtaunen ſahe, daß mir daß Herz zu brechen anfing. Jetzt dachte ſie auf eine Cur, und dieſe glaubte ſie mit dem Ringe auszurichten; allein ſie goß Oel zum Feu’r. Ich lag in einer Unge- witterhitze. Es kam ihr vor, es haͤtte ſich Etwas abgekuͤhlt, und nun glaubte meine Mutter waͤr’ es Zeit, die Mediein einzuneh- men. Sie ſchenkte mir den Ring und ich mußt’ ihn anlegen, allein ſie goß Oel, ſie- dend Oel zum Feu’r. Von dem Spitzchen, wo der Ring ſeinen Lauf angetreten, gings durch alle Adern — wellenſchlagend! und ich ſchien außer Hofnung. Man nahm mir
den
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0290"n="278"/>
ders als bibliſch traͤumen. Dieſer Gift-<lb/>
traum richtete mich voͤllig hin. Zwar er-<lb/>
zaͤhlte dein lieber Vater eben dieſen erſten<lb/>
Abend, daß er den Paſtor L — und ſein<lb/>
Haus kenne, und haͤtte ſich freilich alles na-<lb/>
tuͤrlich erklaͤren laſſen; indeſſen iſt und bleibt<lb/>
dieſer Traum immer was beſonderes. Man<lb/>ſage von den Cometen was man will; ſie<lb/>ſind und bleiben doch Cometen. Mein Blut<lb/>ſiedete auf — Ich hoͤrt’ es kochen, wie das<lb/>
Waſſer in einer Theemaſchiene, allein deine<lb/>
Grosmutter hoͤrte nicht ſieden, nicht kochen.<lb/>
Sie nahm die ganze Sache auf die leichte<lb/>
Schulter, bis ſie zu ihrem Erſtaunen ſahe,<lb/>
daß mir daß Herz zu brechen anfing. Jetzt<lb/>
dachte ſie auf eine Cur, und dieſe glaubte<lb/>ſie mit dem Ringe auszurichten; allein ſie<lb/>
goß Oel zum Feu’r. Ich lag in einer Unge-<lb/>
witterhitze. Es kam ihr vor, es haͤtte ſich<lb/>
Etwas abgekuͤhlt, und nun glaubte meine<lb/>
Mutter waͤr’ es Zeit, die Mediein einzuneh-<lb/>
men. Sie ſchenkte mir den Ring und ich<lb/>
mußt’ ihn anlegen, allein ſie goß Oel, ſie-<lb/>
dend Oel zum Feu’r. Von dem Spitzchen,<lb/>
wo der Ring ſeinen Lauf angetreten, gings<lb/>
durch alle Adern — wellenſchlagend! und<lb/>
ich ſchien außer Hofnung. Man nahm mir<lb/><fwplace="bottom"type="catch">den</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[278/0290]
ders als bibliſch traͤumen. Dieſer Gift-
traum richtete mich voͤllig hin. Zwar er-
zaͤhlte dein lieber Vater eben dieſen erſten
Abend, daß er den Paſtor L — und ſein
Haus kenne, und haͤtte ſich freilich alles na-
tuͤrlich erklaͤren laſſen; indeſſen iſt und bleibt
dieſer Traum immer was beſonderes. Man
ſage von den Cometen was man will; ſie
ſind und bleiben doch Cometen. Mein Blut
ſiedete auf — Ich hoͤrt’ es kochen, wie das
Waſſer in einer Theemaſchiene, allein deine
Grosmutter hoͤrte nicht ſieden, nicht kochen.
Sie nahm die ganze Sache auf die leichte
Schulter, bis ſie zu ihrem Erſtaunen ſahe,
daß mir daß Herz zu brechen anfing. Jetzt
dachte ſie auf eine Cur, und dieſe glaubte
ſie mit dem Ringe auszurichten; allein ſie
goß Oel zum Feu’r. Ich lag in einer Unge-
witterhitze. Es kam ihr vor, es haͤtte ſich
Etwas abgekuͤhlt, und nun glaubte meine
Mutter waͤr’ es Zeit, die Mediein einzuneh-
men. Sie ſchenkte mir den Ring und ich
mußt’ ihn anlegen, allein ſie goß Oel, ſie-
dend Oel zum Feu’r. Von dem Spitzchen,
wo der Ring ſeinen Lauf angetreten, gings
durch alle Adern — wellenſchlagend! und
ich ſchien außer Hofnung. Man nahm mir
den
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/290>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.