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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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Wenn sie aber auch gesundes unverfälschtes
Blut ist, kann man sich schämen, daß man
Sünde daran thut, und kann sich schämen
daß man Gnade und Ehre daran hat, vor
Gott und Menschen. Wer A sagt muß B
sagen. Aus Schaam sterben heißt eben so
viel, als aus Furcht sterben. Die Schaam-
röthe bleichet nach einer Weile aus, wie eine
sechsstündige Provinzrose. Kirchenbuß ist kein
Staupenschlag. Wasch mir den Peltz, und
mach ihn nicht naß. Wer ein Tyger in
seinem Haus' ist, pflegt ein Schaaf außer
demselben zu seyn. Sey langsam zu reden,
schnell zu hören und langsam zum Zorn,
denn des Menschen Zorn thut nicht was vor
Gott recht ist. Kaltes Blut hat mehr Unheil
gestiftet als der Zorn! Thue nichts Böses, so
wiederfärth dir nichts Böses. Halte dich
vom Unrecht, so trift dich kein Unglück. Was
bös' ist bleibt böse, wenns gleich viele thun.
Wie das Bett so der Schlaf. Ringe nicht
nach Gewalt bey Fürsten, denn sie sind Men-
schen und können nicht wenn sie auch wolten.
Sey frölich mit den Fröhligen und weine
mit denen, die zerschlagenes Herzens sind,
denn Gott schuf uns all aus einem Erden-
kloß, und blies uns einem lebendigen Othem

in

Wenn ſie aber auch geſundes unverfaͤlſchtes
Blut iſt, kann man ſich ſchaͤmen, daß man
Suͤnde daran thut, und kann ſich ſchaͤmen
daß man Gnade und Ehre daran hat, vor
Gott und Menſchen. Wer A ſagt muß B
ſagen. Aus Schaam ſterben heißt eben ſo
viel, als aus Furcht ſterben. Die Schaam-
roͤthe bleichet nach einer Weile aus, wie eine
ſechsſtuͤndige Provinzroſe. Kirchenbuß iſt kein
Staupenſchlag. Waſch mir den Peltz, und
mach ihn nicht naß. Wer ein Tyger in
ſeinem Hauſ’ iſt, pflegt ein Schaaf außer
demſelben zu ſeyn. Sey langſam zu reden,
ſchnell zu hoͤren und langſam zum Zorn,
denn des Menſchen Zorn thut nicht was vor
Gott recht iſt. Kaltes Blut hat mehr Unheil
geſtiftet als der Zorn! Thue nichts Boͤſes, ſo
wiederfaͤrth dir nichts Boͤſes. Halte dich
vom Unrecht, ſo trift dich kein Ungluͤck. Was
boͤſ’ iſt bleibt boͤſe, wenns gleich viele thun.
Wie das Bett ſo der Schlaf. Ringe nicht
nach Gewalt bey Fuͤrſten, denn ſie ſind Men-
ſchen und koͤnnen nicht wenn ſie auch wolten.
Sey froͤlich mit den Froͤhligen und weine
mit denen, die zerſchlagenes Herzens ſind,
denn Gott ſchuf uns all aus einem Erden-
kloß, und blies uns einem lebendigen Othem

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[298/0310] Wenn ſie aber auch geſundes unverfaͤlſchtes Blut iſt, kann man ſich ſchaͤmen, daß man Suͤnde daran thut, und kann ſich ſchaͤmen daß man Gnade und Ehre daran hat, vor Gott und Menſchen. Wer A ſagt muß B ſagen. Aus Schaam ſterben heißt eben ſo viel, als aus Furcht ſterben. Die Schaam- roͤthe bleichet nach einer Weile aus, wie eine ſechsſtuͤndige Provinzroſe. Kirchenbuß iſt kein Staupenſchlag. Waſch mir den Peltz, und mach ihn nicht naß. Wer ein Tyger in ſeinem Hauſ’ iſt, pflegt ein Schaaf außer demſelben zu ſeyn. Sey langſam zu reden, ſchnell zu hoͤren und langſam zum Zorn, denn des Menſchen Zorn thut nicht was vor Gott recht iſt. Kaltes Blut hat mehr Unheil geſtiftet als der Zorn! Thue nichts Boͤſes, ſo wiederfaͤrth dir nichts Boͤſes. Halte dich vom Unrecht, ſo trift dich kein Ungluͤck. Was boͤſ’ iſt bleibt boͤſe, wenns gleich viele thun. Wie das Bett ſo der Schlaf. Ringe nicht nach Gewalt bey Fuͤrſten, denn ſie ſind Men- ſchen und koͤnnen nicht wenn ſie auch wolten. Sey froͤlich mit den Froͤhligen und weine mit denen, die zerſchlagenes Herzens ſind, denn Gott ſchuf uns all aus einem Erden- kloß, und blies uns einem lebendigen Othem in

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/310>, abgerufen am 22.11.2024.