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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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dem Gedächtnis eine Bewegung zu machen.
Versuch, obs deinem Gedächtnis gesund ist?
Denck nicht zu scharf über einen Namen, und
spiel nicht blinde Kuh mit ihm. Ich hab ge-
hört, daß Jemand drüber den Verstand ver-
lohren, und ihn eher nicht wieder bekommen,
als bis ein andrer diesen Namen von ohnge-
fehr ausgesprochen. Es ist die Frage ob sich ein
solcher Andere so leicht findet? Wenn du betest,
falte die Hände; denn dies hilft auch die Ge-
dancken zusammen halten. Bist du betrübt,
bete, bist du vergnügt, singe. Der Arbei-
ter ist seines Lohnes werth, und der Arbei-
ter Lohn, die eu'r Land eingeerndtet haben,
und von euch abgebrochen ist, schreiet, und
das Rufen der Erndter ist kommen vor die
Ohren des Herrn Zebaoth. Richte nicht,
so wirst du nicht gerichtet, vergib, so wird
dir vergeben. Gib, so wird dir gegeben. Alles
was du wilst, das dir die Leute thun sollen,
thu ihnen auch. Wer selbst Fenster hat,
schlage sie nicht dem Nachbar ein. Die
Zunge ist ein klein Glied und richtet große
Dinge an. Sieh' ein kleiner Funcken, welch
einen Wald verwüstet er! Die Zunge singt
Gott Lob und Preiß, und die Zunge kann
von der Hölle entzündet werden. Aus einem

Mun-

dem Gedaͤchtnis eine Bewegung zu machen.
Verſuch, obs deinem Gedaͤchtnis geſund iſt?
Denck nicht zu ſcharf uͤber einen Namen, und
ſpiel nicht blinde Kuh mit ihm. Ich hab ge-
hoͤrt, daß Jemand druͤber den Verſtand ver-
lohren, und ihn eher nicht wieder bekommen,
als bis ein andrer dieſen Namen von ohnge-
fehr ausgeſprochen. Es iſt die Frage ob ſich ein
ſolcher Andere ſo leicht findet? Wenn du beteſt,
falte die Haͤnde; denn dies hilft auch die Ge-
dancken zuſammen halten. Biſt du betruͤbt,
bete, biſt du vergnuͤgt, ſinge. Der Arbei-
ter iſt ſeines Lohnes werth, und der Arbei-
ter Lohn, die eu’r Land eingeerndtet haben,
und von euch abgebrochen iſt, ſchreiet, und
das Rufen der Erndter iſt kommen vor die
Ohren des Herrn Zebaoth. Richte nicht,
ſo wirſt du nicht gerichtet, vergib, ſo wird
dir vergeben. Gib, ſo wird dir gegeben. Alles
was du wilſt, das dir die Leute thun ſollen,
thu ihnen auch. Wer ſelbſt Fenſter hat,
ſchlage ſie nicht dem Nachbar ein. Die
Zunge iſt ein klein Glied und richtet große
Dinge an. Sieh’ ein kleiner Funcken, welch
einen Wald verwuͤſtet er! Die Zunge ſingt
Gott Lob und Preiß, und die Zunge kann
von der Hoͤlle entzuͤndet werden. Aus einem

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[332/0344] dem Gedaͤchtnis eine Bewegung zu machen. Verſuch, obs deinem Gedaͤchtnis geſund iſt? Denck nicht zu ſcharf uͤber einen Namen, und ſpiel nicht blinde Kuh mit ihm. Ich hab ge- hoͤrt, daß Jemand druͤber den Verſtand ver- lohren, und ihn eher nicht wieder bekommen, als bis ein andrer dieſen Namen von ohnge- fehr ausgeſprochen. Es iſt die Frage ob ſich ein ſolcher Andere ſo leicht findet? Wenn du beteſt, falte die Haͤnde; denn dies hilft auch die Ge- dancken zuſammen halten. Biſt du betruͤbt, bete, biſt du vergnuͤgt, ſinge. Der Arbei- ter iſt ſeines Lohnes werth, und der Arbei- ter Lohn, die eu’r Land eingeerndtet haben, und von euch abgebrochen iſt, ſchreiet, und das Rufen der Erndter iſt kommen vor die Ohren des Herrn Zebaoth. Richte nicht, ſo wirſt du nicht gerichtet, vergib, ſo wird dir vergeben. Gib, ſo wird dir gegeben. Alles was du wilſt, das dir die Leute thun ſollen, thu ihnen auch. Wer ſelbſt Fenſter hat, ſchlage ſie nicht dem Nachbar ein. Die Zunge iſt ein klein Glied und richtet große Dinge an. Sieh’ ein kleiner Funcken, welch einen Wald verwuͤſtet er! Die Zunge ſingt Gott Lob und Preiß, und die Zunge kann von der Hoͤlle entzuͤndet werden. Aus einem Mun-

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/344>, abgerufen am 22.11.2024.