keinen Baum, wo er ausgehen muß. Hei- rathe keine Mondsichtige, wenn sie auch Su- perintendentens Tochter wäre. Schneide keine Blume ab, wie kämst du zum Kopfen? und die Blume, geköpft zu werden? sondern pflü- cke sie, wenns nicht anders seyn kann, sonst aber, laß sie ihren reifen Saamen ausstreuen, und den Tod der Guten sterben, die ihr Ziel nicht verrücken, und ihr Leben durch Unmäs- sigkeit verkürzen. Ein Fleischer ist immer grausam; Blut ist ihm am Ende Blut. Ge- wisse Haare werden nie grau, und Alter schützt für Thorheit nicht, decke aber die Schande des Alten. Ueber ein Wort muß man sich nicht den Hals brechen. Wort um Wort, Zahn um Zahn, Hals um Hals. Ein Arzt, der sein Latein falsch spricht, curirt auch falsch, warum sagt er nicht lieber, ich weiß es nicht, und ein Geistlicher, der nicht die Grundsprachen versteht -- -- (daß sich Gott erbarm!) -- -- Einfältig heißt von einer Falte: So sey dein Herz gegen Gott und gegen deinen Nächsten. Nicht wie ein Fächer, der vielfältig ist, und nicht wie eine Reisekarte, die man in ein Beinkleiderta- schenformat legt, und wenn sie ausgekramt ist, deckt sie einen Tisch auf vier Personen.
Edle
keinen Baum, wo er ausgehen muß. Hei- rathe keine Mondſichtige, wenn ſie auch Su- perintendentens Tochter waͤre. Schneide keine Blume ab, wie kaͤmſt du zum Kopfen? und die Blume, gekoͤpft zu werden? ſondern pfluͤ- cke ſie, wenns nicht anders ſeyn kann, ſonſt aber, laß ſie ihren reifen Saamen ausſtreuen, und den Tod der Guten ſterben, die ihr Ziel nicht verruͤcken, und ihr Leben durch Unmaͤſ- ſigkeit verkuͤrzen. Ein Fleiſcher iſt immer grauſam; Blut iſt ihm am Ende Blut. Ge- wiſſe Haare werden nie grau, und Alter ſchuͤtzt fuͤr Thorheit nicht, decke aber die Schande des Alten. Ueber ein Wort muß man ſich nicht den Hals brechen. Wort um Wort, Zahn um Zahn, Hals um Hals. Ein Arzt, der ſein Latein falſch ſpricht, curirt auch falſch, warum ſagt er nicht lieber, ich weiß es nicht, und ein Geiſtlicher, der nicht die Grundſprachen verſteht — — (daß ſich Gott erbarm!) — — Einfaͤltig heißt von einer Falte: So ſey dein Herz gegen Gott und gegen deinen Naͤchſten. Nicht wie ein Faͤcher, der vielfaͤltig iſt, und nicht wie eine Reiſekarte, die man in ein Beinkleiderta- ſchenformat legt, und wenn ſie ausgekramt iſt, deckt ſie einen Tiſch auf vier Perſonen.
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keinen Baum, wo er ausgehen muß. Hei-
rathe keine Mondſichtige, wenn ſie auch Su-
perintendentens Tochter waͤre. Schneide keine
Blume ab, wie kaͤmſt du zum Kopfen? und
die Blume, gekoͤpft zu werden? ſondern pfluͤ-
cke ſie, wenns nicht anders ſeyn kann, ſonſt
aber, laß ſie ihren reifen Saamen ausſtreuen,
und den Tod der Guten ſterben, die ihr Ziel
nicht verruͤcken, und ihr Leben durch Unmaͤſ-
ſigkeit verkuͤrzen. Ein Fleiſcher iſt immer
grauſam; Blut iſt ihm am Ende Blut. Ge-
wiſſe Haare werden nie grau, und Alter ſchuͤtzt
fuͤr Thorheit nicht, decke aber die Schande
des Alten. Ueber ein Wort muß man ſich
nicht den Hals brechen. Wort um Wort,
Zahn um Zahn, Hals um Hals. Ein Arzt,
der ſein Latein falſch ſpricht, curirt auch
falſch, warum ſagt er nicht lieber, ich weiß
es nicht, und ein Geiſtlicher, der nicht die
Grundſprachen verſteht — — (daß ſich
Gott erbarm!) — — Einfaͤltig heißt von
einer Falte: So ſey dein Herz gegen Gott
und gegen deinen Naͤchſten. Nicht wie ein
Faͤcher, der vielfaͤltig iſt, und nicht wie eine
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/350>, abgerufen am 22.11.2024.
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