Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.(indem er dem Sperling wegwirft.) Ein Dieb weni- Vater. Ein wahrer Dieb. Unstet und flüchtig, wie das böse Gewißen. Herr v. G. Indeßen kommt's auf Erzie- hung an, und der Sperling singt, wie einer der schönsten Sänger unter den Vögeln. Dieb würd' er freylich auch bey einer Syre- nenstimme bleiben. Ich selbst habe Proben, und der Schluß ist richtig. Kein Vogel hat eine eigenthümliche ihm, von Gott verliehene Singstimme, sondern nur Flötraversansatz, Fähigkeit zu allem vögelmöglichen Gesang. Es kommt auf den Cantor an: wie die Alten sungen, so zwitschern nach die Jungen! -- Wo ist Fritz mit seinem halbehrwürdigen Hofmeister geblieben? Frau v. G. Der Juncker (der Accent auf Juncker) kleidet sich an. Der Hofmeister leistet ihm Herr v. G. Der Jung ist gut, nur nicht viel Herz, und das hast du Schuld -- Frau v. G. Beßer kein Herz, als keinen Verstand -- Herr v. G. Nichts geredt. Verstand ist des Herzens Spürhund. Ich kenne noch keinen beherzten Mann, der nicht mindstens fürs
(indem er dem Sperling wegwirft.) Ein Dieb weni- Vater. Ein wahrer Dieb. Unſtet und fluͤchtig, wie das boͤſe Gewißen. Herr v. G. Indeßen kommt’s auf Erzie- hung an, und der Sperling ſingt, wie einer der ſchoͤnſten Saͤnger unter den Voͤgeln. Dieb wuͤrd’ er freylich auch bey einer Syre- nenſtimme bleiben. Ich ſelbſt habe Proben, und der Schluß iſt richtig. Kein Vogel hat eine eigenthuͤmliche ihm, von Gott verliehene Singſtimme, ſondern nur Floͤtraversanſatz, Faͤhigkeit zu allem voͤgelmoͤglichen Geſang. Es kommt auf den Cantor an: wie die Alten ſungen, ſo zwitſchern nach die Jungen! — Wo iſt Fritz mit ſeinem halbehrwuͤrdigen Hofmeiſter geblieben? Frau v. G. Der Juncker (der Accent auf Juncker) kleidet ſich an. Der Hofmeiſter leiſtet ihm Herr v. G. Der Jung iſt gut, nur nicht viel Herz, und das haſt du Schuld — Frau v. G. Beßer kein Herz, als keinen Verſtand — Herr v. G. Nichts geredt. Verſtand iſt des Herzens Spuͤrhund. Ich kenne noch keinen beherzten Mann, der nicht mindſtens fuͤrs
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(indem er dem Sperling wegwirft.) Ein Dieb weni-
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Vater. Ein wahrer Dieb. Unſtet und
fluͤchtig, wie das boͤſe Gewißen.
Herr v. G. Indeßen kommt’s auf Erzie-
hung an, und der Sperling ſingt, wie einer
der ſchoͤnſten Saͤnger unter den Voͤgeln.
Dieb wuͤrd’ er freylich auch bey einer Syre-
nenſtimme bleiben. Ich ſelbſt habe Proben,
und der Schluß iſt richtig. Kein Vogel hat
eine eigenthuͤmliche ihm, von Gott verliehene
Singſtimme, ſondern nur Floͤtraversanſatz,
Faͤhigkeit zu allem voͤgelmoͤglichen Geſang.
Es kommt auf den Cantor an: wie die Alten
ſungen, ſo zwitſchern nach die Jungen! —
Wo iſt Fritz mit ſeinem halbehrwuͤrdigen
Hofmeiſter geblieben?
Frau v. G. Der Juncker (der Accent auf Juncker)
kleidet ſich an. Der Hofmeiſter leiſtet ihm
Geſellſchaft. Sie haben ſich das Laͤngſte —
Herr v. G. Der Jung iſt gut, nur nicht
viel Herz, und das haſt du Schuld —
Frau v. G. Beßer kein Herz, als keinen
Verſtand —
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des Herzens Spuͤrhund. Ich kenne noch
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Zitationshilfe: | Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/386>, abgerufen am 26.06.2024. |