Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.
Widerspruch, auch da ist das Leben getroffen, wenn gleich nicht das weise Leben. Was ist in der Welt ohne Widerspruch? Sind doch bey uns im Sommer oft kalte Tage, regnet es doch, wenn wir erndten wollen, und doch ist diese Welt die beste! Wer mir selbst die hei- ligsten Sachen mit finstrer Stirne sagt, wird mein Herz nicht aufschließen, und hats nie aufgeschlossen. Daher denck ich, mit Ew. Hochwohlehrwürden Erlaubniß, richten die Herren Geistlichen so wenig aus. Der Pa- ter von Sanct Clara hat mehr Gutes ge- stiftet, als zehn Kopfhänger. -- Vater. Er lächelte noch seinem Todesengel entgegen, der ihn zum Demokrit abholte. -- Herr v. G. Eine glückliche, glückliche Reise! -- Vater. Betrübniß kommt gemein hin aus dem hohen Begrif, den sich der Mensch vom Leben macht. Beym Schmerz leidet der Leib, bey der Betrübniß die Seele, und wenn die Herrschaft trauret, trauret der Bediente mit, nicht aber umgekehrt. Herr v. G. Ich denck die Traurigkeit oder Betrübniß, oder was weiß ich, wie es recht heißt, kommt aus der gar zu großen Ord- nung, die man sich vorschreibt. Vater.
Widerſpruch, auch da iſt das Leben getroffen, wenn gleich nicht das weiſe Leben. Was iſt in der Welt ohne Widerſpruch? Sind doch bey uns im Sommer oft kalte Tage, regnet es doch, wenn wir erndten wollen, und doch iſt dieſe Welt die beſte! Wer mir ſelbſt die hei- ligſten Sachen mit finſtrer Stirne ſagt, wird mein Herz nicht aufſchließen, und hats nie aufgeſchloſſen. Daher denck ich, mit Ew. Hochwohlehrwuͤrden Erlaubniß, richten die Herren Geiſtlichen ſo wenig aus. Der Pa- ter von Sanct Clara hat mehr Gutes ge- ſtiftet, als zehn Kopfhaͤnger. — Vater. Er laͤchelte noch ſeinem Todesengel entgegen, der ihn zum Demokrit abholte. — Herr v. G. Eine gluͤckliche, gluͤckliche Reiſe! — Vater. Betruͤbniß kommt gemein hin aus dem hohen Begrif, den ſich der Menſch vom Leben macht. Beym Schmerz leidet der Leib, bey der Betruͤbniß die Seele, und wenn die Herrſchaft trauret, trauret der Bediente mit, nicht aber umgekehrt. Herr v. G. Ich denck die Traurigkeit oder Betruͤbniß, oder was weiß ich, wie es recht heißt, kommt aus der gar zu großen Ord- nung, die man ſich vorſchreibt. Vater.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp> <p><pb facs="#f0420" n="408"/> Widerſpruch, auch da iſt das Leben getroffen,<lb/> wenn gleich nicht das weiſe Leben. Was iſt<lb/> in der Welt ohne Widerſpruch? Sind doch<lb/> bey uns im Sommer oft kalte Tage, regnet<lb/> es doch, wenn wir erndten wollen, und doch<lb/> iſt dieſe Welt die beſte! Wer mir ſelbſt die hei-<lb/> ligſten Sachen mit finſtrer Stirne ſagt, wird<lb/> mein Herz nicht aufſchließen, und hats nie<lb/> aufgeſchloſſen. Daher denck ich, mit Ew.<lb/> Hochwohlehrwuͤrden Erlaubniß, richten die<lb/> Herren Geiſtlichen ſo wenig aus. Der Pa-<lb/> ter von <hi rendition="#fr">Sanct Clara</hi> hat mehr Gutes ge-<lb/> ſtiftet, als zehn Kopfhaͤnger. —</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#fr">Vater.</hi> </speaker> <p>Er laͤchelte noch ſeinem Todesengel<lb/> entgegen, der ihn zum Demokrit abholte. —</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#fr">Herr v. G.</hi> </speaker> <p>Eine gluͤckliche, gluͤckliche<lb/> Reiſe! —</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#fr">Vater.</hi> </speaker> <p>Betruͤbniß kommt gemein hin aus<lb/> dem hohen Begrif, den ſich der Menſch vom<lb/> Leben macht. Beym Schmerz leidet der Leib,<lb/> bey der Betruͤbniß die Seele, und wenn die<lb/> Herrſchaft trauret, trauret der Bediente mit,<lb/> nicht aber umgekehrt.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#fr">Herr v. G.</hi> </speaker> <p>Ich denck die Traurigkeit oder<lb/> Betruͤbniß, oder was weiß ich, wie es recht<lb/> heißt, kommt aus der gar zu großen Ord-<lb/> nung, die man ſich vorſchreibt.</p> </sp><lb/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Vater.</hi> </fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [408/0420]
Widerſpruch, auch da iſt das Leben getroffen,
wenn gleich nicht das weiſe Leben. Was iſt
in der Welt ohne Widerſpruch? Sind doch
bey uns im Sommer oft kalte Tage, regnet
es doch, wenn wir erndten wollen, und doch
iſt dieſe Welt die beſte! Wer mir ſelbſt die hei-
ligſten Sachen mit finſtrer Stirne ſagt, wird
mein Herz nicht aufſchließen, und hats nie
aufgeſchloſſen. Daher denck ich, mit Ew.
Hochwohlehrwuͤrden Erlaubniß, richten die
Herren Geiſtlichen ſo wenig aus. Der Pa-
ter von Sanct Clara hat mehr Gutes ge-
ſtiftet, als zehn Kopfhaͤnger. —
Vater. Er laͤchelte noch ſeinem Todesengel
entgegen, der ihn zum Demokrit abholte. —
Herr v. G. Eine gluͤckliche, gluͤckliche
Reiſe! —
Vater. Betruͤbniß kommt gemein hin aus
dem hohen Begrif, den ſich der Menſch vom
Leben macht. Beym Schmerz leidet der Leib,
bey der Betruͤbniß die Seele, und wenn die
Herrſchaft trauret, trauret der Bediente mit,
nicht aber umgekehrt.
Herr v. G. Ich denck die Traurigkeit oder
Betruͤbniß, oder was weiß ich, wie es recht
heißt, kommt aus der gar zu großen Ord-
nung, die man ſich vorſchreibt.
Vater.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |